Kultur | Residency

Die Kommunikationsmotoren

Glurns Art Point - eine KünstlerInnenresidenz in der kleinsten Stadt Südtirols

Ein geräumiges Atelier, Zeit und Konzentration: das ist es, was der Glurns Art Point jungen nationalen und internationalen KünstlerInnen seit der Gründung 2012 bieten möchte. Offen ist das Atelierhaus von Juni bis September, in diesem Zeitraum finden auch Ausstellungen und Veranstaltungen für die Öffentlichkeit statt.
Derzeit können die Räumlichkeiten nur in der Sommersaison genutzt werden, da die Baustruktur eine Verwendung im Winter nicht zulässt. Zukunftsmusik & konkrete Pläne gehen daher in die Richtung einer Ausbauung der Nutzbarkeit des schon früher als Kulturhaus im Einsatz stehenden Gebäudes.


                    

 

Hinter dem "Kunstpunkt" in Südtirols kleinster Stadt stecken viele Köpfe; sechs Personen gehören zum engeren Organisationsteam. Dass da so viele an einem Strang ziehen, liegt auch daran, dass die GründerInnen-Gruppe nach ersten Erfahrungen gemerkt hat, wieviel Arbeit dahinter steckt, und dadurch spezifische Fachbereiche abgedeckt werden mussten: Medien, Organisation, Vereinswesen, Grafik, Finanzielles, Projektbegleitung, Raumaufsicht, Koordination etc. Im Moment teilen sich Angelika Ziernheld, Kunigunde Weissenegger, Verena Malfertheiner, Franziska Schink, Andy Tappeiner und Julia Frank diese Aufgaben. Wenn jemand gerade an anderen Verpflichtungen hängt, werden diese Freiräume untereinander auch gewährt.

Aus unterschiedlichen Ecken kommend, gab es zu Beginn ein gemeinsames Bedürfnis: ein Studio zum künstlerischen Arbeiten und zum Austausch. Die Mitglieder des Vereins nutzen den jetzigen Raum daher genauso wie die eingeladenen residents, realisieren dort Projekte und helfen an der Organisation und am Ablauf der Residency mit. "Es gab einfach keine solchen Orte im Vinschgau", so eine der Mitgründerinnen von GAP, die Künstlerin Julia Frank. Nachdem ein Raum gefunden war, wollte GAP in der Folge auch andere junge KünstlerInnen unterstützen.

Dabei gibt es keine kuratorische Lenkung des Schiffes, sondern es gilt: "Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst." Voraussetzungen sind einzig Selbstständigkeit und eine gewisse künstlerische Reife der BewerberInnen. "Wir sind keine KuratorInnen, und wir sind keine Aufsichtspersonen, sondern OrganisatorInnen", so Frank. Wichtiger als ein mit jungen KünstlerInnen "vollgestopftes Atelier" ist ihnen, dass jede/r genügend Raum und Zeit hat, um so produktiv wie möglich zu sein, und um eventuell auch größere Projekte zu realisieren. Dabei will GAP konkret der räumlichen Limitierung etwas entgegnen, die viele KünstlerInnen während oder nach dem Studium trifft: wer kein Studio hat, entwickelt sich unter Umständen auch viel langsamer weiter.
Was ist eine Residency im Idealfall? "Eine Residenz sollte ein Rückzugsort für einen Künstler sein, nicht? ... Abstand halten von der Außenwelt und der Realität, oder besser: sie verarbeiten. Das mache ich auch in einer Residency", so Frank. "Inspiration finden in der Umgebung", ergänzt Ziernheld. Produktionszwang gibt es dabei keinen. Den Druck, dem KünstlerInnen in freier Wildbahn ausgesetzt sind, den Deadlines etc, möchte der Kulturverein tunlichst vermeiden.

WunschgastkünstlerInnen hat GAP nicht, Namen und Bekanntheitsgrade sind ihnen nicht so wichtig. Das Gebäude, das Team, die Gäste und die KuratorInnen sollen gemeinsam wachsen. Die MacherInnen beschreiben ihre Residency-Praxis als familiär, ankommenden KünstlerInnen wird der Schlüssel zu ihrem Atelier in die Hand gedrückt. Die Kommunikation mit ihnen ist deshalb auch recht intensiv.

Auch im Team untereinander wird oft geskypt und viel kommuniziert. "Kommunikation spielt definitiv eine wichtige Rolle bei uns", so Frank. Dies ist natürlich auch im Hinblick auf das Publikum von Bedeutung. Dieses soll zur zeitgenössischen Kunst hingeführt werden, auch dann, wenn es damit bisher eher wenig zu tun hatte. Multidisziplinär ist dabei die Ausrichtung: von Produktdesign, Musik, bildender Kunst, Fotografie, Performance, Theater, Literatur - es gibt kein main field bei GAP. Kunst aufschlüsseln, dem Publikum zugänglich machen, darum geht es. Die kleinen Handwerksbetriebe von Glurns gehen da schon mit gutem Beispiel voran: sie sind sehr offen für die Anfragen der KünstlerInnen.

Mehr Austausch mit den anderen Kunstvereinen in Südtirol und Umgebung wünscht sich GAP hingegen noch. Andere "artist-run spaces" (von KünstlerInnen selbstorganisierte Räume") hätten viel zu wenig Lust, zusammenzuarbeiten, bemängeln sie. Deshalb versuchen sie vermehrt, mit anderen Initiativen gute Kontakte aufzubauen, auch u.a. in Österreich und der Schweiz.

Der kleine Ort Glurns erweist sich eher als interessant als von Nachteil, viele der residents kommen aus größeren Ortschaften, und das Kennenlernen der Gegend ist ein Erlebnis. Anfangs hat "Marketing Glurns" das Projekt mit den Räumlichkeiten unterstützt, ab diesem Jahr kann sich der Art Point selber finanzieren. Auch die Stadt Glurns freut sich über die Initiative, weil sie schon früher ein Künstlerstädchen gewesen war: so residierte zum Beispiel der in Glurns geborene Paul Flora oft in der Stadt, hat dort viele Zeichnungen und Stiche gemacht, vielen ist der Paul-Flora-Preis ein Begriff. "Der Schritt ins Zeitgenössische ist zu schätzen", so Frank. "Kultur kann man niemanden aufzwingen, man kann sie nur anbieten. Wir haben in einem Sommer für ein Monat lang Leute aus Glurns eingeladen, einen Fragebogen auszufüllen. Das hat uns sehr geholfen, um zu verstehen, was das Publikum gern sehen würde, oder wofür sie mehr Neugierde hegen." Für die LeiterInnen persönlich bietet GAP einerseits einen wertvollen Austausch mit den KünstlerInnen, und auch die Möglichkeit, im Studio zu arbeiten; abgesehen von der Herausforderung, ein solches Projekt zu stemmen.
Das Projekt jährlich zu finanzieren ist natürlich eine Herausforderung. Im letzten Jahr im November hatten die OrganisatorInnen die Idee, Kunst für Kunst zu versteigern, und auch Erfolg damit: mit dem Erlös können die Räumlichkeiten der Residency umgebaut und verbessert werden. Wobei: "Das hier wird nie kein Hotel werden".



UPCOMING
22. - 25. Juli 2015
KairUs: Andreas Zingerle (Linz), Linda Kronman (Linz/Finnland)
Let's talk business
Valentina Colella: Life Performance im Chat-zimmer

22. August 2015*
Francesco Nordio (1989, Mestre, Italien)
* Ideenaustauschplattform
* Diskussionsstammtisch
* Corporal Research Lab

Colora:
Lorenzo Commisso & Rachele Burgato (Passariano, Udine, Italien)
Live Performance und Installation.
http://spazioultra.org/it/artisti/colora-di-commisso-burgato

Werkpräsentation der Residency-KünstlerInnen 2015
Jens Höffken, Linz (Mitte - Ende Juli)
Gahmel Veronika Lucia, Wien (Mitte September)

Derzeit in Residency
Davide Bevilacqua (1989, Codroipo/ Linz)