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Kommt der Fünferlandtag?

Dreierlandtag im Oktober, Vorarlberger Landtagswahlen im September und ein Flirt der jungen Tiroler ÖVP mit den Belluneser Autonomisten. Ein spannender Cocktail.

Am 28. Oktober 2014 wird der nächste Dreierlandtag tagen, diesmal in Schwaz. Es wird der elfte sein Art sein. Nein, eigentlich waren zwei der gezählten Viererlandtage. Wir erinnern uns, dass Vorarlberg sich aus der wenig schmeichelhaften Rolle mit Beobachterstatus zurückzog und sich fortan lieber an der Euregio Bodensee orientierte. Mit Erfolg werden dort die Belange des Bodensees gehandhabt. Nur, politische Ausrichtung hat die Euregio Bodensee keine. Eine Euregio ist eben keine EVTZ. Politisch ist Vorarlberg in der Westachse mit Tirol und Salzburg innerösterreichisch aufgestellt und das ist gut so. Nimmt die EVTZ aber zunehmend Gestalt an, droht Vorarlberg einmal mehr das Schicksal der Österreichischen Interessens-Exklave. Es sei denn, Vorarlberg bindet sich wieder mehr in die EVTZ ein, bzw. wird von der EVTZ wieder aktiver eingebunden.

Bildquelle: Südtiroler Landtag

Eine besonderes Verhältnis zwischen Arno Kompatscher und dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner wäre mir nicht bekannt. Allerdings wird Vorarlberg am 21. September einen neuen Landtag wählen. Die ÖVP wird nicht nur von den NEOS vor sich hergetrieben. Neue Akzente sind zu erwarten.

Bildquelle: Vorarlberg Online

Wir werden es den Vorarlbergern zugestehen, auf mehreren Euregios zu tanzen, so wie die Nordtiroler Gemeinde Waidring auch auf der Euregio Salzburg-Berchtesgaden-Traunstein tanzt, und wie das Außerfern und das nördliche Oberinntal mit den Allgäuern auf der Euregio Via Salina tanzen.

Bildquelle: Euregio Via Salina

Im Hinblick auf die derzeitigen Stolpersteine in der Rompolitik, bekräftigte Arno Kompatscher erst jüngst die bittere Notwendigkeit, Verbündete zu suchen. Wer soll sich mit uns „Schluchtenscheißern“ schon verbünden, wenn nicht die unmittelbaren Nachbartäler im Veltlin und im Bellunesischen? In diesem Hinblick macht das aktive Werben des Europaparlamentariers Herbert Dorfmann im Bellunesischen absolut Sinn.  Neu ist, dass sich die Belluneser Autonomisten, die im BARD parteiübergreifend organsiert sind, derart bedingungslos an SVP und auch an der EVTZ orientieren. Die überarbeiteten Statuten des BARD sehen eine offizielle Kandidatur Bellunos zum Beitritt zur EVTZ/GECT vor.

Genaue interne Abläufe erschließen sich nicht meiner Kenntnis, aber man darf es schon als sehr SVP-freundlichen Schritt bezeichnen, dass sich der BARD kürzlich seines Gründungsmitglieds und Vizepräsidenten Silvano Martini entledigt hatte, weil dieser offen mit den Indipendisti Venetiens sympathisiert hatte. Der BARD sieht die Zukunft des Bellunesischen eben außerhalb der Region des Venetos und in der Annäherung an Trentino und Südtirol – und folgerichtig somit in der EVTZ.

Erst jüngst, am 24. August, machte sich eine Delegation des BARD auf den Weg nach Innsbruck, um sich mit der Jungen ÖVP um Dominik Schrott und Matthias Weger zu treffen. Ein vorsichtiges Herantasten, aber ein scheinbar erfolgreiches. Bereits für Oktober ist ein Gegenbesuch in Belluno geplant.

Bildquelle: Facebookseite von Dominik Schrott

Dass die Belluneser Zukunftsfrage von der dortigen Bevölkerung mitgetragen wird, beweisen einmal mehr die Referenden, die am gestrigen Sonntag, 31. August in Voltago Agordino und Auronzo di Cadore stattgefunden hatten. Voltago hat mit 54% Beteiligung das Quorum erreicht. Auronzo ist zwar technisch am Quorum gescheitert, aber in Hinblick auf ein verbindliches Quorum von 20% im Malser Pestizid-Referendums ist eine Mobilisierung von 38% der Bevölkerung in Auronzo schon sehr bemerkenswert. Wissend, dass nicht einmal die hochausgewonnen Referenden in Fodom, Col und Anpezo irgendetwas ändern konnten. Wissend, dass sich die Südtiroler wohl kaum für einen Anschluss Auronzos begeistern könnten, obwohl die Hälfte unseres Wahrzeichens der Drei Zinnen auf Auronzaner Gemeindegebiet steht. Wissend, dass die Ladiner im Cadore ein eigenständiges nicht-Südtiroler Identitäts- und Zusammengehörigkeitsgefühl haben, sind 38% schon eine sehr beeindruckende Zahl, finde ich.

Bildquelle: Cai Auronzo

Und so schließt sich der Kreis. Flirts mit den Bellunesern kann man den Osttirolern wohl vermitteln. Das zeigte beispielsweise das Interreg-Projekt MM3R, das komplett unbemerkt von den Südtiroler Medien am 28. August in Toblach den Ausbau der öffentlichen Verkehrsverbindungen zwischen den Tälern vorstellte.

Den Nordtirolern dürfte ein Beobachterstatus einer Belluneser Bürgermeisterdelegation (direktdemokratisch gewählter Belluneser Landtag wurde von Delrio bekanntlich abgeschafft) aber viel schwerer zu vermitteln sein. Auch wenn es viel uncharmanter klingt, als es gemeint ist: die EVTZ muss aktiver auf Vorarlberg zugehen, um sich auf Italienischem Territorium bitter nötigen Handlungsspielraum zu schaffen.

Und so geht es der EVTZ ein wenig wie der EU: Nimmt man sich für die eigene Identitätsfindung zu lange Zeit, wird man früher als gewünscht mit Erweiterungsgedanken konfrontiert. Derer muss man sich aber annehmen, bevor sich die Fenster der Geschichte schließen. Prösels, Alpbach, Schwaz: möge sich die Identität bald finden!

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Willy Pöder Mo., 01.09.2014 - 17:13

Nicht nur der Europaparlamentarier On.le Dr. Herbert Dorfmann (der von finsteren Kräften ausgetrickste Nachfolger von Dr. Luis Durnwalder) war für die SVP werberisch im Bellunesischen unterwegs. Es tat ihm der neu gewählte Präsident der Autonomen Provinz Bozen, Dr. jur. Arno Kompatscher gleich, zum Beispiel im März 2014 mit seinem Auftritt in Pieve di Cadore.

Mo., 01.09.2014 - 17:13 Permalink
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Martin B. Mi., 03.09.2014 - 23:51

Exzellenter Artikel! Danke für diese Hintergrundinformationen. Besonders freuen mich die offenen Kontakte junger Leute aus Belluno und Innsbruck! Die Visionen und Begeisterung dieser kann uns noch weiterbringen. Vollkommen einverstanden bin ich auch mit einer besseren Einbindung der Xi-Berger. Jeder Private kann versuchen zumindest auf persönlicher Ebene beste Kontakte zu Bekannten im "Fünferlandtagsgebiet" zu pflegen. Belluno fehlt mir noch.

Mi., 03.09.2014 - 23:51 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 29.09.2014 - 12:03

Am vergangenen Samstag waren Kompatscher, Rossi und Bressa zu Gast beim scheidenden Regierungskommissar Vittorio Capocelli in Belluno.

Bressa:
«l’appuntamento importante è quello di dicembre quando si parlerà della Regione montana europea, dell’Euregio e in quell’occasione sarebbe bene che le tre Province (Belluno, Trento e Bolzano) si presentassero con una linea comune».

Rossi:
«All’interno dell’Euregio dovremo relazionarci con altre regioni, noi ci saremo in questo cammino, perché potremo conservare la nostra autonomia solo nella misura in cui non ne saremo gelosi»

Kompatscher:
«temi su cui collaborare tra province ce ne sono molti tra cui il turismo su cui siamo in competizione, ma che all’estero invece potrebbe diventare terreno unitario per attrarre turisti. […] debba essere realizzata la macroregione alpina, dobbiamo allearci fra di noi per far valere la nostra regione alpina. Auspico che ci sia la vostra volontà di sfruttare questa possibilità»

Broccon:
«Anzi il consiglio provinciale bellunese, quando si sarà costituito dovrà chiedere di aderire all’Euregio: ormai il futuro è l’Europa ».

http://corrierealpi.gelocal.it/cronaca/2014/09/28/news/da-ottobre-si-ap…

http://corrierealpi.gelocal.it/cronaca/2014/09/28/news/giornata-storica…

Mo., 29.09.2014 - 12:03 Permalink