Gesellschaft | Uneinigkeit

Der Schützen-Krawall

Die Alt-Tyroler Schützen wagen einen Vorstoß, um der Einheit Tirols einen Schritt näher zu rücken. Der Verband der Tiroler Schützen distanziert sich: "Stiften Unruhe."

War es der Neid, dass die Idee nicht aus den eigenen Reihen kam? Oder weshalb sonst sollte sich der Verband der Tiroler Schützen gegen einen Vorstoß aussprechen, der die heiß ersehnte und immer wieder geforderte Wiedervereinigung der drei Landesteile des historischen Tirols ein Stück näher rücken ließe? Die Idee stammt von den Alt-Tyroler Schützen Andreas Hofer: Man könne doch die Gelegenheit beim Schopf packen und den derzeit vakanten Bischofsstuhl in Innsbruck dazu nutzen, um die “Kunstdiözese” Innsbruck aufzuheben. So Johann Moser, der Hauptmann der Alt-Tyroler Schützen, der seinen Vorstoß folgendermaßen erklärt: “Die Diözese Innsbruck ist ein Produkt der Teilung Tirols, sie ist ein Symbol des Unrechts gegenüber Tirol und seinen Gläubigen.” Die Lösung? “Die Diözese Innsbruck ist aufzuheben und Brixen sollte wieder in seine alten territorialen Rechte in der Zeit vor dem 1. November 1918 eingesetzt werden”, meint Moser. Die Diözesen Innsbruck und Bozen-Brixen seien über den “Vorstoß der Gesamttiroler Schützen” informiert.

Die Kirche sollte der politischen Entwicklung Rechnung tragen und alles Trennende zwischen Nord- und Südtirol abbauen.
(Alt-Tyroler Schützen Andreas Hofer)


Unruhestifter?

Aufschrei beim Verband der Tiroler Schützen, der sich von den Alt-Tyroler Schützen als solchen und von “krawalligen Vorstößen wie die Forderung nach der Aufhebung der Diözese Innsbruck” distanziert. Diese seien “völlig unkoordiniert und mit “niemandem abgesprochen” und dienten nur dazu, “Unruhe zwischen (echten) Schützen und Kirche zu stiften”. Denn “(echte) Schützen” sind die Alt-Tyroler Schützen Andreas Hofer in den Augen des Verbands der Tiroler Schützen keine. “Dieser Verein hat mit den über 20.000 Schützen, die im ‘Verband Tiroler Schützen’ organisiert sind und der den Südtiroler Schützenbund, den Bund der Tiroler Schützenkompanien und den Welschtiroler Schützenbund umfasst, nicht das Geringste zu tun”, stellt der frisch gewählte Verbandskommandant, Paolo Dalprà in einer Aussendung klar. Solch ein Vorstoß füge der “Gesamttiroler Sache” darüber hinaus “nur Schaden” zu.

Alt-Tyroler Schützen Andreas Hofer bei der Totenwache für Otto von Habsburg 2011: “Wir leben die Europaregion Tirol”, sagen sie von sich selbst. Foto: Facebook
 

“Distanzieren uns nicht von der Sache, sondern...”

Man könnte sich nun wundern und fragen, was denn da los ist, wenn sich die Schützen so klar von einer Forderung, auf unpolitischer Ebene die drei Landesteile wieder näher zu bringen, distanzieren. “Also Neid, dass der Vorschlag nicht aus unseren Reihen gekommen ist, steckt da absolut keiner dahinter. Jeder kann Vorschläge bringen”, erklärt der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbunds Elmar Thaler auf Nachfrage von salto.bz. Auch sei man nicht grundsätzlich gegen die Vision der Wiederherstellung historischer Ordnungen, die Zusammenlegung der beiden Diözesen sei “durchaus möglich”, so Thaler. “Aber”, so der SBB-Kommandant, “wir distanzieren uns von der Vorgehensweise und davon, dass der Vorschlag von jemandem, der nicht befugt ist, für die Schützen Gesamttirols zu sprechen, sondern selbst so weit ich weiß der Erzdiözese Salzburg angehört.”

Im Bild (v.l.) Landeskommandant Nordtirol Fritz Tiefenthaler, Landeskommandant Südtirol Elmar Thaler, Landeskommandant Welschtirol Paolo Dalprà. Foto: www.schuetzen.com

Außerdem wisse er, Thaler, nicht, wie man sich das überhaupt vorstelle: “Wenn die Erzdiözese Brixen so, wie sie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war, wieder hergestellt würde, würde das bedeuten, dass ein wesentlicher Teil Südtirols wieder zur Diözese Trient gehören.” Alles Sachen, die die Alt-Tyroler Schützen durch ihre “voreiligen” Vorschlag nicht bedacht hätten und daher “vermutlich auch gar nichts erreichen” würden, ist Thaler überzeugt: “Wer sich von dieser Vorgehensweise und ohne mit den Betroffenen zu sprechen, Erfolg erwartet, der ist blauäugig.” Ihn ärgert besonders, dass die Alt-Tyroler Schützen den Eindruck erweckt hätten, für alle Schützen zu sprechen. Dabei seien die Alt-Tyroler Schützen “weder heute noch in absehbarer Zeit Teil des Verbands der Tiroler Schützen”, unterstreicht Thaler. Es scheint also noch eine Menge Arbeit bevorzustehen, bevor die Wiedervereinigung Tirols in greifbare Nähe rückt. Denn wie wahrscheinlich ist diese, wenn sich die nicht einmal Schützen – und jene, die sich laut Verband der Tiroler Schützen nur als solche bezeichnen – nicht eins sind?

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Benno Kusstatscher Di., 01.12.2015 - 12:12

Hmm. Wenn Vorschläge "voreilig" sein können und nur dann gemacht werden dürfen, wenn sie vorher mit den Betroffenen abgesprochen worden sind, dann sollten wir Freizeit-Salto-User uns künftig bei konstruktiven Ideen lieber auf die Lippen beißen. Der Vorteil ist, dass so gewisse Presseaussendungen dann auch eingespart werden, gerade jene, die vorher nicht mit den Betroffenen (man denke z.B. an Flüchtlinge, italienischsprachige Wanderer, Anrainer von Grenzkreuzen, ...) abgesprochen werden konnten. Keine gestiftete Unruhe mehr. What a relief!

Di., 01.12.2015 - 12:12 Permalink
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Martin B. Di., 01.12.2015 - 13:20

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Ein treffender Kommentar. Wobei die katholische Kirche mangels Neupriestern sicherlich überlegen kann Bistümer zu fusionieren; fände ich gar keine schlechte Idee wenn gleichzeitig von höchster Stelle ein Umdenken passiert (von unten nach oben und nicht umgekehrt). Wenn die Hierarchie Papst>Kardinäle>Bischöfe>Priester so starr diszipliniert und "unfehlbar" bleibt, werden die Herausforderungen der kommenden Generationen schwer zu meistern sein.

Di., 01.12.2015 - 13:20 Permalink