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„Es ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag“

Der Präsident der Vinschger Sozialgenossenschaft (VISO) Sascha Plangger erklärt, welche Aufgaben die Genossenschaft erfüllt und welche Ideale hinter ihrem Wirken stecken.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Was macht die VISO im Detail?
Im Rückblick ist es spannend zu sehen, wie sich die VISO in den letzten zweieinhalb Jahren seit ihrer Gründung entwickelt hat und wie die Aktivitäten laufend ausgebaut werden konnten. Mittlerweile haben sich drei Kernbereiche herauskristallisiert. Wir führen im Auftrag des Amtes für Schulfürsorge ein SchülerInnenheim, im Bereich „Gastronomie“ werden ganzjährig eine Reihe unterschiedlicher Dienstleistungen angeboten. Und im Servicebereich liegen unsere Schwerpunkte in der Reinigung von Innen- und Außenräumen sowie in der Bepflanzung und Pflege von Grünanlagen.
Im Heim sind hauptsächlich SchülerInnen der Sportoberschule untergebracht. Das Heim bietet ein ideales Umfeld, um Personen mit Beeinträchtigungen in unterschiedliche Arbeitsbereiche zu integrieren. Wobei wir nach dem Grundsatz handeln, nicht die Personen an die Arbeit anzupassen, sondern die Tätigkeiten auf die Bedürfnisse unserer MitarbeiterInnen abzustimmen.
Im Gastronomiebereich führen wir an vier Tagen die Woche eine Mensa, in der die Grund-, Mittel- und Oberschüler der Gemeinde Mals verköstigt werden. Gleichzeitig beliefern wir die KITA mit kleinkindgerechtem Mittagessen. Mit der Durchführung des Mensadienstes hat uns die Gemeinde Mals im September beauftragt.
In den Sommermonaten, wenn das Heim geschlossen ist, öffnen wir unser Haus für Reise- und Trainingsgruppen. Vor allem der Landeskader „Ski Alpin“ nutzt den Malserhof immer wieder als Trainingsstützpunkt. Der Standortvorteil von Mals kommt uns dabei zugute, die vorhandenen Sportanlagen und das nahegelegene Stilfserjoch mit seinem Sommerskigebiet, bieten gute Trainingsvoraussetzungen für Wintersportgruppen.
Im Servicebereich haben sich die Reinigung von Innenräumen und Außenanräumen sowie die Pflege von Grünanlagen zu einem Kerngeschäft entwickelt. Zahlreiche Gemeinden im Vinschgau haben uns in den letzten Jahren auf dem Weg der Direktvergaben mit Aufträgen bedacht. Aber auch andere öffentliche und private Organisationen, wie z.B. die Bezirksgemeinschaft, die Genossenschaft für Weiterbildung und Regionalentwicklung, das Wohnbauinstitut, der Nationalpark Stilfserjoch usw. können wir mittlerweile als unsere Kunden nennen.

Wie viele MitarbeiterInnen beschäftigt die Sozialgenossenschaft derzeit?
Wir beschäftigen derzeit 32 MitarbeiterInnen, wobei 14 MitarbeiterInnen den geschützten Kategorien bzw. der Gruppe der integrierten MitarbeiterInnen zugerechnet werden. Somit beläuft sich die Integrationsquote (also der Anteil der integrierten MitarbeiterInnen gemessen am Anteil der nicht integrierten Mitarbeiter)  auf derzeit 78%. Unsere MitarbeiterInnen leisten wöchentlich durchschnittlich 622 Arbeitsstunden. 50% dieser Leistungen werden von den integrierten MitarbeiterInnen erbracht. Diese Zahlen vermitteln eindrucksvoll, wie es uns in kurzer Zeit gelungen ist, für viele Menschen im Vinschgau Arbeitsplätze zu schaffen. Vor allem wenn man bedenkt, dass ein Großteil unserer MitarbeiterInnen - nicht nur jene der geschützten Kategorien - vor ihrer Anstellung arbeits- oder erwerbslos waren.
Einige MitarbeiterInnen sind zugleich auch Genossenschaftsmitglieder, was in meinen Augen sehr wichtig ist, da sie dadurch auf demokratischem Wege Einfluss auf den Betrieb und seine Ausrichtung nehmen können.

Welche sind die Ideale und in diesem Sinne auch die Ziele der Genossenschaft?
Wir vertreten neben unseren Genossenschaftszielen vor allem einen menschenrechtsorientierten Ansatz. Jeder Mensch hat das Recht, in Freiheit, Würde und wirtschaftlicher Sicherheit zu leben und zu arbeiten und das unabhängig von seinen individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten, seiner Herkunft, seines Geschlechts usw. Unser gesellschaftlicher Auftrag ist es daher, Menschen in prekären Lebenssituationen zu unterstützen und ihnen eine Arbeit zu geben. Mit Blick auf Behinderung vertreten wir ein soziales Modell, was so viel bedeutet, dass Behinderung vorrangig eine Eigenschaft behindernder Gesellschaften ist und nicht eine des Individuums. Dieser veränderte Blick legt seine Aufmerksamkeit auf die Gesellschaft, auf ihre sozialen und ökonomischen Strukturen, auf Bildungs- und Arbeitssysteme und auf verschiedene Politikbereiche, um Barrieren zu identifizieren, die die volle und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung verhindern.
Und in diesem Zusammenhang teilen wir die Werte einer solidarischen Ökonomie, die nicht den individuellen Vorteil und das Profitstreben in den Vordergrund stellen, sondern die Entfaltung individueller Lebensmöglichkeiten und die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse auf der Basis von demokratischer Teilhabe und Kooperation. Die Anerkennung der menschlichen Vielfalt auf der Grundlage gleicher Rechte – was Annedore Prengel als egalitäre Differenz bezeichnet – ist die Voraussetzung für eine plurale, demokratische Gesellschaft.
Als Sozialgenossenschaft handeln wir natürlich auch nach diesen Prinzipien, die zugleich in unserem Statut festgelegt sind. Die Genossenschaft beruht auf demokratische und partizipative Organisationsstrukturen, sie verfolgt gesamtwirtschaftliche Zielsetzungen, die Gewinne fließen in die Genossenschaft, und nicht zuletzt orientiert sich unser wirtschaftliches Handeln am nachhaltigen und sorgsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen.
Das zeigt sich bei uns konkret darin, dass wir nicht nur im Vinschgau, sondern mit dem Vinschgau arbeiten. Wir achten zum Beispiel sehr auf „regionale Wirtschaftskreisläufe“ insofern wir mit lokalen Akteuren und Betrieben zusammenarbeiten. Das stärkt vor allem die lokale Wertschöpfung womit es uns gelingt, unsere sozialen Grundsätze mit einem verantwortungsvollen solidarökonomischen Auftrag zu verbinden.
Ich verwende dabei das Begriffspaar „Solidarische Ökonomie“ in klarer Abgrenzung zur „Gemeinwohl-Ökonomie“, die auch in Südtirol zunehmend an Popularität gewinnt. Im Unterschied zur „Solidarischen Ökonomie“ beruht die Gemeinwohlideologie auf leistungsorientierten und geschickten Marketingkonzepten, die gegenüber komplexen Dimensionen sozialer Ungleichheit nahezu indifferent reagieren. Wie Andreas Exner schreibt, wird die „Gemeinwohl-Ökonomie“ eine Utopie bleiben, im Gegensatz zur „Solidarischen Ökonomie“, die aus vielfältigen und breiten sozialen Bewegungen heraus entstanden ist und die sich theoretisch wie praktisch kontinuierlich weiterentwickelt. Der Name VISO steht in diesem Sinne auch für das Gesicht, das wir unseren Visionen verliehen haben, an die wir tagtäglich arbeiten und die wir an konkreten Beispielen verwirklicht sehen.

Welchen Stellenwert nahm bzw. nimmt das Engagement für Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrem eigenen Leben ein? Wie ist es zu diesem Engagement gekommen?
Meine Person oder mein Engagement spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Es ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, die hier erfüllt sein will, um die Anerkennung behinderter Menschen als Menschenrechtssubjekte zu stärken. Auch unsere Südtiroler Gesellschaft täte gut daran, Ungleichheitsstrukturen in Form ökonomischer Deprivilegierung, politischer Marginalisierung und kultureller Missachtung gegenüber bestimmten Personengruppen zu überwinden.

Die Homepage von VISO ist seit kurzem unter www.vi-so.org abrufbar.