Politik | Grenzen

Doch nicht ganz dicht?

Die Bemühungen der Tiroler Polizei um eine Klarstellung in Sachen angeblicher Grenzschließung und -kontrollen. Und was der Landespolizeidirektor sagt.

“Die Informationen, die wir bekommen haben, sind absolut verlässlich, sonst hätten wir die Aussendung nicht geschrieben”, sagt Alfred Aberer zu salto.bz. “Ich weiß nicht, wo die das hernehmen”, kontert Helmut Tomac. Aberer ist Generalsekretär der Handelskammer Bozen. Deren Aussendung hat seit Freitag Vormittag viel Staub aufgewirbelt. Darin wird mitgeteilt, dass bereits in vier Wochen die Grenze zwischen Österreich und Italien komplett dicht sein wird – die österreichische Polizei in Tirol sei bereits dabei, entsprechende Vorkehrungen wie etwa die Errichtung eines Grenzzauns am Brenner zu treffen. Tomac ist Landespolizeidirektor des Bundeslands Tirol. Von der Tiroler Tageszeitung kontaktiert, dementiert er die Aussagen der Handelskammer. Aber nur zum Teil.


Dementi aus Tirol

Auf jeden Fall schienen die beiden Herren von Handelskammer und Tiroler Polizei eine Zeit lang mehr zu wissen als die Politik dies- und jenseits des Brenners. Zum Zeitpunkt des Bekanntwerden der Nachricht von einer bevorstehenden Grenzschließung zwischen Österreich und Italien – beziehungsweise das Gerücht darüber – am Freitag Vormittag, dürfte zumindest Landeshauptmann Arno Kompatscher über keinerlei Maßnahmen informiert gewesen sein. Das wurde salto.bz auf Nachfrage aus den Reihen von Kompatschers Team mitgeteilt. Auch im Büro seines Tiroler Kollegen Günther Platter reagierte man verhalten und verwies auf die Landespolizeidirektion Tirol. Denn es ist in Österreich die Bundesregierung in Wien – der die Polizei unterstellt ist –, die über die Durchführung von Grenzkontrollen entscheidet, nicht die lokalen Exekutiven der Bundesländer.

Das unterstreicht auch die Landespolizeidirektion Tirol, als sie am frühen Freitag Nachmittag eine offizielle Klarstellung auf ihre Webseite stellt. Die Behauptungen der Handelskammer weist man darin aufs Schärfste zurück: “Derzeit liegt weder eine konkrete Anordnung zur Durchführung von Grenzkontrollen am Brenner vor noch kann von einer beabsichtigten ‘Sperre’ der Grenze gesprochen werden. Auch der behauptete Zeitraum von vier Wochen entbehrt nachvollziehbarer Grundlagen. Die Darstellung der Handelskammer Bozen entspricht mithin nicht den Tatsachen und ist zudem an den falschen Adressaten gerichtet – denn die Anordnung von Grenzkontrollen obliegt nicht der Exekutive in Tirol.”


“Kein Auftrag, aber...”

Weniger entschieden widerspricht hingegen Helmut Tomac in der morgigen Samstag-Ausgabe der Tiroler Tageszeitung dem von der Handelskammer gemalten Szenario: “Es gibt zwar keinen definitiven Auftrag für die Einführung von Kontrollen an den Grenzen zu Italien. Aber die Zeichen sprechen dafür, dass es irgendwann dazu kommen wird.” Von einer Sperre in vier Wochen kann laut dem Tiroler Landespolizeidirektor allerdings keine Rede sein – zumindest derzeit nicht. Doch hätten insbesondere die jüngsten Entwicklungen in Österreich – wie etwa die Einführung einer Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme – die Vorbereitungsarbeiten, die die Polizei auch in Tirol im Auftrag des Innenministeriums zu treffen begonnen hat, beschleunigt. Dazu gehört laut Tomac neben der Einsetzung von Personal “auch technische Vorkehrungen” – “um im Fall der Fälle an allen Grenzübergängen Kontrollen durchführen zu können”. Ob zu diesen “technischen Vorkehrungen” auch die Errichtung eines Zaunes an der Brennergrenze, wie sie die Handelskammer in Aussicht stellt, zählt, bleibt unkommentiert.

Jedoch ist es für die österreichischen Sicherheitsbehörden nicht von der Hand zu weisen, dass der von Tomac angesprochene “Fall der Fälle” früher oder später eintreten wird: Die erwarteten Entwicklungen – mehr Ankünfte auf der Balkanroute und in Italien sowie die zunehmende Abweisung von Flüchtlingen an den österreichischen Grenzen – würden eine Aktivierung von Grenzkontrollen an der österreichisch/italienischen Grenze “unumgänglich” machen.


So viel Ordnung wie möglich

Die nun stattfindenden vorbereitenden Planungsarbeiten würden jedoch keinesfalls auf eine Sperre hinauslaufen, präzisiert die Tiroler Polizei wiederholt: “Die Konzeption (zu allfälligen Grenzkontrollen, Anm. d. Red.) sieht stichprobenartige Kontrollen auf der Autobahn, auf dem sekundären Straßennetz und im Bereich des Bahnverkehrs vor. Ziel ist es, unter möglichster Schonung des täglichen Personen- und Güterverkehrs sowie der wirtschaftlichen und touristischen Interessen die Einreisen nach Österreich unter Wahrung der rechtlichen Rahmenbedingungen in einem geordneten Grenzmanagement zu ermöglichen”, versucht man nicht nur die Handelskammer zu beschwichtigen. Im TT-Interview ergänzt Direktor Tomac, dass der Flüchtlingsstrom, sobald er von der Balkan- auf die Brennerroute wechseln sollte, auch am Brenner möglichst koordiniert durch eine so genannte “Prüfungsstraße” gelotst werden soll – immer nach dem Vorbild Spielfeld.

Um das vom Tiroler Landeshauptmann Platter letzthin mehrfach geforderte geordnete Grenzmanagement umzusetzen, sei es – so die Landespolizeidirektion Tirol in ihrer Stellungnahme – “notwendig, dass sich die Behörden auf beiden Seiten der Grenze auf diesen Eventualfall vorbereiten”. Dementsprechend seien geplante Maßnahmen “sowohl mit Vertretern der Länder (Nordtirol/Südtirol/Trentino) als auch mit Vertretern der Ministerien in Wien und Rom” besprochen worden und würden es auch in Zukunft werden. “Zweifellos bedarf es zur Wahrung humanitärer wie wirtschaftlicher Interessen im Falle von Grenzkontrollen ergänzender, koordinierender Maßnahmen auch auf italienischer Seite”, stellt die Landespolizeidirektion schließlich klar.