Kultur | Schule

Ein Schiff bauen

Ein Projekt der Mittelschule Wolkenstein in Brixen zeigt, wie Kunstunterricht mindestens 3000mal beflügeln kann.

Jetzt reden alle davon, nicht nur die Schüler und die Beteiligten, auch die Direktoren, der Schulamtsleiter und der Bildungslandesrat, die Medien haben in den vergangenen Tagen darüber berichtet. Davon, dass ein Kunstprojekt der Mittelschule Brixen Oswald von Wolkenstein den 1. Preis beim internationalen Schülerwettbewerb für politische Bildung 2016 in der Kategorie "Politik brandaktuell" von der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn gewonnen hat. Aus über 800 Einsendungen in dieser Kategorie aus dem gesamten deutschen Sprachraum wurde die Gemeinschaftsarbeit „3000 Schiffe in einem Boot“ ausgezeichnet, weil es die Jury überzeugte „wie die Jugendlichen mit dem Thema inhaltlich und gestalterisch umgegangen sind.“ Mitgemacht haben insgesamt 2800 Schülergruppen.

Von der Benachrichtigung bis zur Prämierung in dieser Woche sei es richtig schnell gegangen, sagt die Kunstpädagogin Claudia Tilk, die mit den 13- bis 14-Jährigen das Projekt begleitete und betreute. Das Entwickeln der Idee bis hin zur Realisierung eines Videos zur Arbeit, das man im Herbst 2015 nach Deutschland schickte. Erst vor einer Woche kam die Nachricht, dass man tatsächlich den Preis, der mit 1500 Euro dotiert ist, gewonnen hatte.

„Die Freude darüber war natürlich riesengroß, wenn man bedenkt, dass wir nun seit anderthalb Jahren am Projekt arbeiten, und dass die Arbeit so weite Kreise gezogen hat, denn, um 3000 Papierschiffchen zu falten, haben die Schülerinnen und Schüler ihre Freunde und die Familie mobilisiert, haben also viele Menschen mit ins Boot geholt,“ schildert Claudia Tilk den Arbeitsprozess.

Dabei kam es im Sommer 2015 zu einem Beinahe-Schiffbruch, denn die gefalteten kleinen Boote wurden kurzerhand von den Putzfrauen entsorgt, ein Schicksal, das das Kunstprojekt mit anderen berühmten Werken, etwa von Joseph Beuys, Martin Kippenberger oder dem des Künstlerduos Goldschmied & Chiari im Bozner Museion teilt. Das passiert schon mal, vor allem Kunstwerken, die aus alltäglich-banalen Materialien angefertigt sind, so wie die in kindlicher Falttechnik angefertigten 3000 Schiffchen. Alte Buchseiten aus der Schulbibliothek bildeten den Rohstoff, Bücher die entsorgt werden sollten. Zum Material kam die Idee, das Thema Reisen und Aufbruch zu versinnbildlichen. „Wir wollten die Idee des Unterwegsseins, und in Zusammenhang mit den anwachsenden Flüchtlingszahlen vor allem die des unfreiwilligen Reisens thematisieren. Was geschieht dabei, im Inneren einer Person und im Draußen," so Tilk.

Zwar sei es nach der Wegwerfaktion durch den Putztrupp der Schule kurzfristig zu enttäuschter Motivation bei den Schülern gekommen, doch stärker blieb doch der Gedanke „Jetzt erst recht!“. Man machte sich also noch einmal an die Arbeit, wieder mit Unterstützung vieler. „Das war wie das Überwinden einer Hürde, und jetzt im Nachhinein müssen wir fast dankbar dafür sein, denn die jungen Leute und alle die dabei waren, haben enorm vom ganzen Prozess profitiert.“ Man hätte was fürs Leben gelernt, brachte es einer der Schüler auf den Punkt, erzählt die Kunstpädagogin. Prozesse wie diese seien enorm bereichernd für den Zusammenhalt, für das Solidaritätsgefüge einer Gruppe oder einer Klasse, für die „soziale Plastik“ nach Joseph Beuys, von Kunst die gesellschaftsverändernd sei, sagt Claudia Tilk. So lernten Schüler, Kompetenzen zu entwickeln die wertvoll für die individuelle und für die soziale Entwicklung seien; Kunstunterricht sei eben nicht nur das Bemalen und Bezeichnen von Papier, sondern könne schöpferisches Potential freisetzen, das weit über die Unterrichtssituation hinausgeht.

Leider würden aber Lehrstellen in genau diesen Fächern gestrichen, an der Mittelschule Oswald von Wolkenstein und anderswo. „Eine Vorgehensweise, die absolut nicht mit den Maximen einer Kompetenzentwicklung beim Schüler einhergeht,“ findet Claudia Tilk. Sie höre von ihren Schülern, dass diese Art von gemeinschaftlicher, partizipativer Kunstarbeit genau das richtige wäre: „Wir wollen viel öfter so arbeiten!“ sagen sie.

Die Diskrepanz zwischen dem von Politik und Schule gefeierten Erfolg eines Projekt wie jenes der „3000 Schiffe“ und der Streichung von Kunst- und Technikstunden in den Lerncurricula der Schulen löse zwar ein zwiespältiges Gefühl in ihr aus, so Tilk, doch sei durch die Arbeit eben doch ein Stein ins Rollen gebracht worden. „Das geht weiter und ich bin zuversichtlich, dass wir doch solche Lerninhalte verstärkt in den Untericht mit hineinnehmen können.“ Projekte wie diese sind nicht nur tolles Aushängeschild für Schulen, sondern führen zu gesellschaftlich-politischer Bewusstseinsbildung, vor allem führen sie zum Selber-Denken.