Politik | Interview

Der interethnische Urzí

Alessandro Urzí über seine Vision des neuen Bozen, die anstehenden Gemeinderatswahlen und wie er den PD in Bozen und in der Landesregierung ablösen will.

Salto.bz: Herr Urzí, es scheint plötzlich wieder die Zeit reif zu sein für einen Mitte-Rechts-Bürgermeister in Bozen?

Alessandro Urzí: Es ist der Moment gekommen, die Stadt Bozen wieder zum Funktionieren zu bringen: Die Gemeinde muss sich endlich wieder um die Alltagsproblem kümmern. Ich glaube, dass es jetzt nötig ist, ein großes Bündnis von politischen Kräften, italienischer und deutscher Muttersprache zu gründen, das eine Alternative bietet. Eine Alternative zur Politik von Luigi Spagnolli der letzten zehn Jahren, die absolut regie- und konzeptlos war.

Urzí wird plötzlich interethnisch, das ist etwas ganz Neues?

Urzí war immer interethnisch, auch wenn man das nie anerkannt hat. Die gleichwertige Vertretung aller drei Sprachgruppen heißt nichts anderes als die Interessen der gesamten Südtiroler Bevölkerung zu vertreten. Wir brauchen im Land, wo die Mehrheit Deutsch ist, ein starke, italienische Vertretung und wir brauchen in der Stadt Bozen, wo die Mehrheit Italienisch ist, ein starke deutsche Vertretung.

"Wir brauchen im Land, wo die Mehrheit Deutsch ist, ein starke, italienische Vertretung und wir brauchen in der Stadt Bozen, wo die Mehrheit Italienisch ist, ein starke deutsche Vertretung."

Das sind aber ganz neue Töne?

Es ist neuer Denkansatz, der dazu führen wird, eine echten Alternative zum PD zu bilden. Eine neue starke Bewegung, die auf einen klaren politischen Programm aufgebaut ist, das man den Wähler vor der Wahl vorlegt.

Sie glauben wirklich den Hennenstall der Bozner Mitte-Rechts-Parteien einigen zu können?

Ich hoffe es und bin überzeugt, dass wir das auch schaffen werden. Meine Kandidatur bei den vergangenen Gemeinderatswahlen hat am Ende viele, verschiedene Kräfte vereint. Das Wahlergebnis von 43 Prozent hat deutlich gemacht, dass noch viel Luft nach oben da ist.

Alessandro Urzí will es also nochmals wissen?

Nein. Ich möchte diesmal auf eine noch viel breitere Bewegung setzten. Es geht also keineswegs um meine Kandidatur, sondern es geht darum möglichst viele Menschen und Gruppen für eine gemeinsames Projekt zu gewinnen. Es soll ein Einvernehmen geben über die Dinge, die umzusetzen sind. Erst danach wird man jene Person suchen, die diese große Neuheit öffentlich vertreten soll.

Sie sind aber startklar?

Meine Priorität ist das Programm. Der große Fehler Spagnollis war es, dass er ein fiktives Programm vorgestellt hat, in dem viel Luft stand, aber nicht die wirklichen Problem der Stadt angegangen werden. Deshalb hat Spagnolli die größten Probleme auch in seiner Partei oder innerhalb seines größten Verbündeten der SVP bekommen. Auch die Volkspartei ist zu dieser Wahl angetreten ohne genau zu klären, was man am nächsten Tag wirklich tun wird. Der Fall Pitarelli hat dann gezeigt, wie fragil das Ganze ist. Genau das ist der falsche Weg.

Was ist der richtige Weg?

Den Wählern offen und ehrlich vor der Wahl zu sagen, was wir zu allen wichtigen Problemen und Fragen denken und was wir zu tun gedenken. Um es klar zu sagen: Auch was Benko betrifft. Wir müssen vorher eine klare Position haben. Dann wird man uns für diese Haltung wählen oder nicht wählen. Aber nach der Wahl wird keine unangenehmen Überraschungen geben. Auch bei der Suche nach einer politischen Mehrheit nicht.

„Den Wählern offen und ehrlich vor der Wahl sagen, was wir zu allen wichtigen Problemen und Fragen denken und was wir zu tun gedenken. Auch was Benko betrifft.“

Wie will Mitte-Rechts den gordischen Knoten Benko lösen?

Das muss das Ergebnis einer neue Analyse sein, die alle Partner dieser neuen Einheitsliste umfasst. Der gesamte Block, der bei den Gemeindewahlen gegen den PD antreten wird, muss eine klare und eindeutige Linie zum Benko-Projekt haben. Wir werden diese Haltung klären und sie vor der Wahl den Wählern offen darlegen.

Sie klingen relativ sicher, dass es im Mai 2016 zu diesem politischen Umschwung in Bozen kommen wird?

Nur so kann Bozen wirklich gewinnen. Denn die Stadt hat in den letzten Jahren den völligen Stillstand zu allen großen Fragen ertragen müssen. Es geht weder bei den Sozialdiensten, noch bei der Müllabfuhr etwas weiter. Man war nicht einmal imstande eine vernünftige Tarifpolitik zu machen, in dem man dem Land gegenüber auch die Rolle als Landeshauptstadt geltend macht und Erleichterungen verlangt. Bozen hat den Müllverbrennungsofen, hat die meisten Pendler und Bozen zahlt den Preis für viele Dienstleistungen, die man ganz Südtirol gewährt. Im Gegenzug hat sich die Stadt aber rein gar nichts eingehandelt. Deshalb muss endlich eine alternative Politik gewinnen, die der Stadt wieder das alte Selbstvertrauen zurückgibt.

Der PD wird da aber kaum zuschauen?

Der PD beschränkt seine Arbeit doch schon seit langem nur mehr auf die internen Machtkämpfe, wo sich jeder um kleine Scheiben der Macht rauft, wo es den Politikern nur um sich selbst oder den eigenen Freundeskreis geht. Der gesamte Rest der Welt wird deshalb einfach ausgeschlossen. Wir wollen diesen Rest der Südtiroler Welt sammeln und zuerst den PD in Bozen und dann auch den PD in der Landesregierung nach Hause schicken. Diese Arbeit kann aber nicht allein der traditionelle Mitte-Rechts-Block machen, sondern es braucht ein viel breiteres politisches Bündnis auch mit neuen, politischen Kräften, die aus der Basis kommen.

"Wir wollen diesen Rest der Südtiroler Welt sammeln und zuerst den PD in Bozen und dann auch den PD in der Landesregierung nach Hause schicken."

Alessandro Urzí wird langsam alt: Sie klingen ja fast schon mild?

Nein, Urzí ist kämpferischer wie je zuvor. Hart bei den Prinzipien und streng in seinen Überzeugungen. Aber die besten Lösungen kann man nur zusammen finden. Es geht um die Zukunft der Stadt. Es braucht junge Menschen, es braucht Frauen und es braucht Intelligenz und Kompetenz. Was es aber nicht mehr braucht, sind ideologische Vorbedingungen, die von vornherein Nein sagen. Es geht um die Substanz und nicht um Ideologien.

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Martin B. Di., 06.10.2015 - 21:02

Vor mir wurde schon passend kommentiert. Wir müßen nun wohl bis zu den nächsten Bozner Gemeindewahlen eine "Sympathie-Initiative" nach der anderen durch Herrn Urzi ertragen. Und wahrscheinlich ebensoviele häßliche durch seine rechts-rechten Koalitionspartner initierte und getragene Kampagnen. Franceschini: "es scheint plötzlich wieder die Zeit reif zu sein für einen Mitte-Rechts-Bürgermeister in Bozen?". Wieso wieder? Gab es schon einmal einen demokratisch Gewählten der eine Mehrheit zum Regieren hinter sich hatte?

Di., 06.10.2015 - 21:02 Permalink
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ferdinand tessadri Mi., 07.10.2015 - 00:03

Antwort auf von Martin B.

Da war doch einer in weissem Anzug und schwarzem Hemd , sehr passend und modisch für Bozen. Er hatte keine Mehrheit
? Na und ? Bei der Tv Diskussion hatte ich den Eindruck dass die Mehrheiten je nach Bedarf gewählt werden, was auch
vielleicht die überschäumende Begeisterung des Herrn Urzì für seinen Kollegen Steger erklärt.

Mi., 07.10.2015 - 00:03 Permalink