Politik | Bozen 2016

Hammer und Sichel Reloaded

Ex-Minister und Parteisekretär Paolo Ferrero zu Gast beim Wahlkampf-Abschluss von Rifondazione Comunista: "La Bolzano di oggi con il Brennero e il muro non può esistere."

Am 5. Mai 1818 wurde in Trier Karl Marx geboren. Exakt 198 Jahre später treffen am Abend Exponenten von Rifondazione Comunista in der Bozner Wangergasse zusammen, um das Ende des Wahlkampfs in der Landeshauptstadt zu begehen. “Auch 2016 haben wir es geschafft, mit Hammer und Sichel anzutreten”, zeigt man sich stolz. Man ist überzeugt: “Es braucht nach wie vor eine radikale Alternative.” Am Podium sitzen der Sekretär des Südtiroler Ablegers von Rifondazione, Gabriele Benatti, Listenführer Lorenzo Vianini, der als Unabhängiger antritt, David Augscheller, der bis 2015 für Rifondazione im Meraner Gemeinderat saß und seit vergangenem Jahr für die Ökosoziale Linke, Marialaura Lorenzini für die Grünen, mit denen Rifondazione zu den Gemeinderatswahlen am 8. Mai antritt sowie Lidia Menapace, Partisanin und Ikone der Linken. Als Ehrengast hat Paolo Ferrero neben Menapace Platz genommen. Seit 2008 steht Ferrero Rifondazione Comunista als nationaler Parteisekretär vor, von 2006 bis 2008 war er Minister für soziale Solidarität unter Romano Prodi.

In seiner Gastrede spricht Ferrero umgehend die Brenner-Frage an: La Bolzano di oggi con il Brennero e il muro non può esistere. Es gelte, eine Botschaft von “civiltà” zu verbreiten, mahnt er die anwesenden Unterstützer – etwa 50 an der Zahl – an. Die “bösen Ideen” (“idee cattive”), die heute in ganz Europa grassierten und in der Verschiedenheit der Menschen keine Bereicherung sähen, sondern den Boden für Rassismus bereiteten, gelte es, mit einer “anderen Idee von Gesellschaft und Zukunft” gegenüberzutreten. “In den Menschen muss die Lust und die Freude geweckt werden, sich zu treffen und sich kennenzulernen”, ist eine der Visionen von Lidia Menapace. Bozen sei stets eine Stadt der Begegnung und des Austauschs gewesen, schon allein aufgrund seiner Geschichte als Handelsknoten, erinnert die rüstige 92-Jährige. “Wer diese Begegnung verhindert, tut der Stadt Gewalt an”, warnt sie: Chi viene qui e fa discorsi sulla chiusura dei confini offende Bolzano.

Lidia Menapace und Gabriele Benatti. Foto: salto.bz

Zwei, die sich in Bozen gefunden haben – zumindest für diese Wahl – sind Rifondazione Comunista und die Grünen. “Wir waren bis zum Schluss nicht sicher, ob wir überhaupt antreten und haben uns lange umgesehen”, gesteht Gabriele Benatti. Schließlich habe man in den Grünen den einzigen möglichen Partner gefunden. “In den großen Themen wie Benko, Müllverbrennungsofen und Flughafen vertreten wir dieselben Standpunkte”, zeigt sich der Landessekretär erfreut. Auch im Bürgermeisterkandidat Norbert Lantschner habe man viele der eigenen Themen wiedergefunden. “Als Lantschner bei seiner offiziellen Präsentation das Wort ‘Kapital’ in den Mund genommen hat, bin ich zusammengezuckt”, erinnert sich Benatti.

“Spesso hanno parlato di degrado. E il degrado l’ho toccato oggi passando per piazza Matteotti, piena di fascisti. Bisogna combattere anche questo degrado.” (Gabriele Benatti in Anspielung auf die Abschlusskundgebung von CasaPound am gestrigen Donnerstag)

Freude auch bei Marialaura Lorenzini: “Rifondazione und wir haben dieselbe Vision von der Welt und unserer Stadt”, meint die Grüne Listenführerin. Und fügt nicht ganz ohne Stolz hinzu: “I Verdi sono a sinistra.” Ebenfalls links, aber nicht in die Partei eingeschrieben ist der Listenführer von Rifondazione, der 23-jährige Lorenzo Vianini. Er berichtet, wie zwei Begriffe die gemeinsamen Arbeiten am Wahlprogramm dominiert hätten: “concretezza” und “competenza”. “È facile parlare per slogan e ideali, ma quando questi si scontrano con la realtà spesso si manifesta la loro irrealizzabilità”, so Vianini, aber gerade aus diesem Grund sei man gezwungen, sich zusammenzusetzen und zu reflektieren. Und mit diesem Rezept tritt Rifondazione am 8. Mai an: “Wir wollen nicht einfach auf destruktive Art und Weise Opposition betreiben, sondern eine propositive Oppositionsarbeit leisten.” Wie das in der Praxis aussehen kann, erläutert David Augscheller. Im Meraner Gemeinderat werden gar einige Vorschläge der Opposition angenommen. Wie das geht? Drei Dinge sind laut Augscheller ausschlaggebend: “Das Gespräch suchen, Dialoge führen und Geduld haben.” Diesen Rat gibt er den 15 Rifondazione-Kandidaten mit auf ihren Weg. Mit dem Wunsch, mindestens einen Sitz im Gemeinderat zu erlangen. Ob es ein Wunsch bleiben wird, wird spätestens am kommenden Montag feststehen. Doch unabhängig vom Ausgang der Wahlen – gegen Ende des Abends legt Paolo Ferrero den Anwesenden ans Herz: “Il senso di impotenza che spesso sentiamo dentro è sbagliato. Siamo molto più forti di quello che ci fanno credere.