Umwelt | Gewässerschutz

Aufstand der Stromwirtschaft

Wollen wir intakte Gewässer oder möglichst viele Strommillionen? Mit den neuen Gewässerschutzplan flammt ein verdrängter Konflikt neu auf.

Gewartet hat man wahrlich lange genug auf ihn. Seit 2003 gibt es die Forderung nach einem Gewässerschutzplan. Spätestens seit Erstellung des Wassernutzungsplans im Jahr 2010 ist die Landesregierung damit säumig. Nun scheinen die Chancen gut zu stehen, dass der vor allem von den Grünen regelmäßig eingeforderte Fachplan zum Schutz der heimischen Flüsse bis Ende Juni steht. Doch wie sich am Freitag bei einer Fachtagung der Landesumweltagentur an der Bozner Eurac gezeigt hat, flammt damit der Urkonflikt in der Nutzung der Wasserkraft wieder so richtig auf: Intakte Fließgewässer oder möglichst hohe Gewinne, heißt der Trade-off, der in der Diskussion um regenerative Energien immer wieder gerne vergessen wird.

Nach dem Goldrausch des vergangenen Jahrzehnts, der mit über 1040 Kraftwerken zur „intensivsten Gewässernutzung im ganzen Alpenbogen“ geführt hat, wie der Leiter der Umweltagentur Flavio Ruffini einräumt,  sieht es nun ganz danach aus, als würde auf den vorübergehenden Gesuchstopp für Konzessionen nun ein viel weitreichenderer folgen: 386 Gewässer sollen laut dem Entwurf des Gewässerschutzplanes künftig von der Stromerzeugung verschont werden, weil sie als besonders sensibel bewertet werden. „Eine Bombe“, urteilte am Freitag nicht nur die Tageszeitung Dolomiten, die vorrechnet, dass damit nur mehr 34 Wasserläufe für den Bau neuer E-Werke nutzbar sein werden. Auch die heimischen Kraftwerksbetreiber reagierten alles andere als amused:  Umweltverträglichkeit schön und gut, aber darauf hin wird ohnehin jedes Kraftwerksprojekt im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung auf Herz und Nieren geprüft, erklärte Karl Pichler von der Eisackwerk GmbH am Rande der Tagung. „Bestimmte Wasserläufe von vornherein auszuschließen, finde ich nicht richtig“, sagt er, „aus wirtschaftlicher Sicht ist dieses Vorhaben eine Fehlplanung“. 

"Nicht abgesprochen"

Verwundert über das nun öffentlich gemachte Papier zeigt sich auch der Südtiroler Energieverband in Person seines Geschäftsführer Rudi Rienzner. Laut dem zu Jahresbeginn verabschiedeten Gesetz über die Vergabe von Konzessionen für kleine und mittlere Wasserableitungen würde die Landesregierung die besonders sensiblen Gewässerabschnitte nach Anhörung des Rates der Gemeinden, der Expertenrunde Energie und der repräsentativen Umweltschutzverbände Südtirols festlegen, erinnert Rienzner.  Der Expertenrunde Energie sei zwar bereits im März ein Kriterienkatalog als Diskussionsgrundlage vorgelegt worden. Nun allerdings bekomme man in der Zeitung ein detailliertes Papier serviert, das weit darüber hinausgehe – und offenbar politisch noch nicht einmal abgesprochen sei, empörte sich Rienzner per Pressemitteilung.

Eine Vermutung, die sowohl von Energielandesrat Richard Theiner wie von seinem Ressortdirektor bestätigt wurde. „Die Diskussion hat gerade erst begonnen und es war vorhersehbar, dass sie heftig wird“,  erklärte Florian Zerzer in der EURAC zwischen Vertretern der Energiewirtschaft und des Umweltschutzes. Noch handle es sich um einen technischen Vorschlag, der von den zuständigen Ämtern unter Zeitdruck ausgearbeitet wurde und politisch noch nicht bewertet wurde, stellte er klar. Auch der Landesrat selbst beruhigt am Samstag über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Noch gibt es genug Zeit, an diesem technischen Vorschlag zu arbeiten“, erklärte Richard Theiner auf RAI Südtirol. Mit den Vertretern der heimischen Energiewirtschaft soll das Thema bereits beim nächsten Energietisch in zwei Wochen vertieft werden, nun wird es an den Rat der Gemeinden weitergeleitet.

"Gezielte Verhinderung"

Zumindest laut ersten Aussagen des Pettauer Bürgermeisters Robert Alexander Steger dürfte aber auch von dort Widerstand kommen. Die Umweltauflagen beim Bau von Kraftwerken seien bereits groß genug, erklärt Steger. Mit dem nun öffentlich gewordenen Papier werde der Bau weiterer Kraftwerke gezielt verhindert. Eine Strategie, die eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes gefährde, warnt auch Rudi Rienzner vor weiteren Einschränkungen. Die Erwiderungen darauf von Seiten der Umweltschützer werden sicherlich nicht lange ausbleiben. Für Diskussionsstoff bis Ende Juni ist in jedem Fall gesorgt. 

Bild
Salto User
Manfred Gasser Sa., 06.06.2015 - 16:11

Was bitte nützen denn die "grossen Umweltauflagen", wenn nichts, aber schon gar nichts kontrolliert wird!!! Oder weiss hier jemand von einer Strafe, z.B. wegen fehlender Restwassermengen?
Ich habe im Jahr 2009 zwei Anfragen gestellt, da unser Bach für knapp eine Woche so gut wie trocken war. Es gab keine Antwort, und ob es eine Kontrolle gab, davor oder danach, wage ich zu bezweifeln.

Sa., 06.06.2015 - 16:11 Permalink