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Der Fall Krysztof Charamsa lässt auch Südtirol nicht unberührt. In der Zwischenzeit sorgt ein Geistlicher in Trient für den nächsten Eklat.

Das Outing im Vatikan schlägt auch in Südtirol Wellen. Ja, auch ich kenne in Südtirol ein paar Fälle von homosexuellen Geistlichen, die wirklich etwas durchmachen, sagt Cenataurus-Vorsitzender Andreas Unterkircher. „Priester outet euch“, zitiert ihn die Südtiroler Tageszeitung. „Solch ein Versteckspiel kann nicht ewig weitergehen“, präzisierte Unterkircher im Mittagsmagazin Spezial der RAI. Dort diskutierte er mit dem Priester und Psychologen Gottfried Ugolini und dem Moaraltheologen Martin Lintner über die Lehren, die sich aus dem viel diskutierten Outing des schwulen polnischen Vatikan-Theologen ergeben, der offen eingestand, in einer Beziehung mit einem Mann zu leben. Ein Bekenntnis, dass nicht nur bei der aktuellen Bischofssynode in Rom, sondern auch im restlichen Land jede Menge Fragen aufwirft. Kann sich die katholische Kirche noch länger hinter einer Mauer der Doppelmoral verstecken? Wie lange kann sich die Kirche noch Vertreter wie den Salzburger Bischof Andreas Laun leisten, der Homosexualität in einen Topf mit sexuellen Missbrauch wirft? Und wie zeitgemäß ist eine Sexualmoral, die schwule und lesbische Gläubige als Widerspruch zur Naturordnung sieht, in der sich Mann und Frau zum Zwecke der Fortpflanzung zusammenfinden sollen?

Es mag sein, dass die Kirche in manchen Fragen an der Realität vorbeipredigt, räumten auch die kirchlichen Vertreter der RAI-Diskussion ein. Doch die kirchliche Lehre greife auch menschliche Sehnsüchte auf, setzte dort an, was im Herzen der Menschen ist. Und was, wenn dort die Liebe eines Mannes zu einem Mann, von einer Frau zu einer Frau ist? „Hier hat bereits ein Umdenken stattgefunden“,  sagt Moraltheologe Lintner. Denn entgegen der Äußerungen einzelner Vertreter würden sich in den Äußerungen des römischen Lehramts keine sittlichen Verurteilungen der Homosexualität mehr finden. „Auch Joseph Ratzinger hat unterstrichen, dass jeder Mensch unabhängig von seiner sexuellen Orientierung anzunehmen und zu respektieren ist“, so Martin Lintner. Klar davon zu unterscheiden sei aber, dass ein Priester, der sich dem Zölibat verschrieben hat, seine sexuellen Orientierungen nicht ausleben darf – unabhängig welcher Natur sie sind.

"Pädophilie kann ich nachvollziehen"

Noch allerdings ist auch die Kirche selbst im Lernprozess und auf dem Weg, räumt auch Moraltheologe Lintner ein. Der unmittelbare Beleg dafür kam am Dienstag auf Trient. Dort sorgt Don Gino Flaim, pastoraler Mitarbeiter der Chiesa di San Pio X, in einem TV-Interview für den nächsten Aufreger. „Die Pädophilie kann ich noch nachvollziehen, bei der Homosexualität weiß ich nicht so recht“, erklärte er im La7-ProgrammL’Aria che tira“. Denn leider gäbe es Kinder, die bei Priestern die Zuneigung suchen würden, die sie zu Hause nicht finden. „Und mancher Priester mag da eben schwach werden“, erklärt er. „Siamo umani e le malattie vengono“.

 

 

 

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Sepp.Bacher Di., 06.10.2015 - 17:34

Ich habe die Diskussion auf Rai-Südtirol auch gehört. Die Aussage " Klar davon zu unterscheiden sei aber, dass ein Priester, der sich dem Zölibat verschrieben hat, seine sexuellen Orientierungen nicht ausleben darf – unabhängig welcher Natur sie sind" habe ich so nicht gehört.
Ich habe es so verstanden: Ein Priester verpflichtet sich zur Ehelosigkeit. Wenn er aber sagt, er habe einen Partner, habe er seine Verpflichtung gebrochen. Das träfe ebenfalls zu, wenn er mit einer Frau eine Partnerschaft einginge. Einerseits klärt diese Haltung etwas, setzt aber unzulässiger weise ein Partnerschaft mit einer Ehe gleich. Da hat sich der Theologe ganz schön schwichtigend um das Thema herum gemogelt. Ein schwuler Priester kann die Verpflichtung zur Ehelosigkeit gar nicht brechen, da die Kirche die gleichgeschlechtliche Ehe ablehnt - also könnte er gar nicht heiraten.
Außerdem hat Martin Lintner gesagt, dass man von einem Priester erwartet, dass er keinen Sex auslebt - so wie man es von Christen allgemein außerhalb der Ehe erwartet. Was nicht gesagt wurde, Priester verpflichten sich zur Ehelosigkeit, sie leisten aber kein Keuschheitsgelübde wie Ordensleute. Also beichten sie wie alle Sünder ihre Sünden und bitten um Absolution. So wird es gehandhabt und so - mehr oder minder - toleriert, solange kein Skandal entsteht oder der Betreffende sich nicht outet. Anders verhält es sich mit der Homosexualität. Priesteramtskandidaten müssen bei Seminareintritt erklären, dass sie nicht schwul sind. Ich weiß von Leuten, die ihre Homosexualität bewusst verleugnet haben, obwohl sie sie vorher schon gelebt haben, und von nun an ein Doppelleben führen - niemand darf es erfahren! Diese Diskriminierung wurde heute auch verschwiegen.
Das Thema der Sendung - glaube ich - war die Frage, ob schwule Priester sich outen sollten? Leider verlief die Diskussion in einer allgemeinen Diskussion zum Thema, und die eigentliche Frage, das Für und Wieder, wurde gar nicht diskutiert, erst bei der Schlussrunde erinnerte man sich daran. Schade!
Ich denke, Priester müssen sich nicht medial und spektakulär outen - wie im aktuellen Fall. Sie sollten sich und ihre homosexuelle Seite nicht unterdrücken und verstecken müssen und ein scheinheiligen leben führen.

Di., 06.10.2015 - 17:34 Permalink