Politik | Spending Review

Die reichsten Bürgermeister

Die reichsten Bürgermeister Italiens sitzen in Südtirol, lässt sich aus einem Bericht zur Spending Review Italiens ablesen. Gerechtfertigt oder privilegierterweise?

„Dorfkaiser? Von wegen“, meinen viele Südtiroler BürgermeisterInnen, wenn es um ihr Gehalt geht. Vor allem in Sachen Renten- und Krankenversicherung zahlt sich die Verantwortung in der Gemeindepolitik weit weniger aus als auf Landesebene oder in Rom. Ganz anderer Meinung ist da Carlo Cottarelli, seine Zeichens Sonderkommissar für Italiens Spending Review. 19 Dossiers umfasst der Bericht, den sein Team der italienischen Regierung vor seiner Rückkehr zum Internationalen Währungsfonds mit Vorschlägen zu Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung zurückgelassen hat. Zum Beispiel bei den Salären von Bürgermeistern und Gemeindeverwaltern, die der Kommissar je nach Größe der Gemeinde um 10 bzw. 15 % Prozent kürzen würde. Bei der Anzahl von Gemeinderäten und Assessoren sieht der Bericht gar eine Reduzierung um 20 Prozent vor.

Was man davon in den heimischen Gemeindestuben hält, wo schon die Kürzungen der Vergangenheit für Zähneknirschen und wachsendes Desinteresse an der Gemeindepolitik gesorgt haben, ist nicht schwer abzusehen. Doch das Datenmaterial Cottarellis hat auch das Zeug, einen weiteren sensiblen Punkt für sichere Polemiken zu treffen: den Neid der Regionen mit Normalstatut auf die Sonderrechte im Norden. Stoff dafür findet sich gleich in mehreren Absätzen des 106 Seiten starken Dossiers zu den Kosten der Politik. So zum Beispiel in einem direkten Vergleich der Bürgermeistergehälter in der autonomen Region mit jenen im restlichen Italien: „Die Entlohnungen der Lokalverwalter sind in der Region Trentino-Südtirol vielfach bedeutend höher als in Regionen mit Normalstatut, in manchen Fällen bei gleicher Bevölkerungszahl sogar doppelt so hoch.“

Aus den konkreten Beispielen, die der Sonderkommissar anführt, sticht insbesondere die Gemeinde Meran hervor: Mit einem Bruttogehalt von knapp 9900 Euro verdient der scheidende Meraner Bürgermeister Günther Januth das Dreifache des italienischen Durchschnitts von rund 3100 Euro. Doch auch im Vergleich zum Trentino schneiden Südtirols Bürgermeister besser ab. In der größenmäßig mit Meran vergleichbaren Gemeinde Rovereto scheinen auf dem Gehaltszettel des Bürgermeisters nur etwas über 8200 Euro auf. Noch deutlicher zeigt sich der Unterschied bei den Löhnen von Luigi Spagnolli und des Bürgermeisters von Trient (114.000 Einwohner) – mit so unterschiedlichen Beträgen wie 12.380 Euro gegenüber 8.770 Euro.

In Südtirol sieht man auch angesichts dieser Daten wenig Grund von einer privilegierten Situation zu sprechen. Wenn man schon vergleicht, dann müssen auch die Kompetenzen verglichen werden, erklärt der zuständige Regionalassessor Sepp Noggler dazu am Dienstag im Corriere dell’Alto Adige. Und die seien hierzulande weit umfangreicher als in einer durchschnittlichen italienischen Gemeinde, unterstreicht er. So hätten die Bürgermeister beispielsweise mit dem Ausstellen von Baukonzessionen Aufgaben, die in Regionen mit Normalstatut von Funktionären erledigt würden. In der Folge sei das Bürgermeisteramt in vielen Fällen ein Vollzeitjob. „Dafür ist ein durchschnittlicher Nettolohn von 3700 Euro in einer Gemeinde mit 5000 Einwohnern wohl angemessen“, meint Noggler. Noch dazu, nachdem die Entlohnungen vor zwei Jahren bereits um 7 Prozent  gekürzt worden waren. Doch selbst Günther Januth sieht keinen Grund, sich nach zehn Jahren im Amt für sein überdurchschnittliches Gehalt zu entschuldigen: „Wir Bürgermeister haben eine große Verantwortung, die ohne Zweifel höher als jene der Landtags- und Regionalratsabgeordneten ist“, sagt er. Und so ist bereits am Tag der Listenabgabe abzusehen, dass die Diskussion nach den Gemeinderatswahlen in eine Richtung gehen wird, die Carlo Cottarelli wohl nicht gefallen wird.

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Sepp.Bacher Di., 07.04.2015 - 13:14

Antwort auf von Christian Mair

In Südtirol sind schon zur Faschistenzeit viele Gemeinden zusammengelegt worden, deshalb hat Südtirol - obwohl ähnliche Einwohnerzahl - ca. nur halb so viele Gemeinden als das Trentino oder dem Bundesland Tirol. Das nördliche Wipptal besteht - fast nicht zu glauben - aus 12 Gemeinden (ohne Stubaital), das südliche nur aus sechs. Früher waren es 15 oder mehr. Sicher könnte man immer noch einzeln kleine Gemeinde einer anderen angliedern.

Di., 07.04.2015 - 13:14 Permalink
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Oskar Egger Di., 07.04.2015 - 14:17

Na ja, wenn die BM in Meran so eine große Verantwortung haben, dann werden sie ja in Zukunft auch den Dialog mit den Bürgern nicht scheuen, wie es bisher der Fall war. Bisher wurde der große allgemeine Schmaus unterstützt. Vielleicht ändert sich das ja mit Verantwortung und Meran geht zurück an seine Bürger?

Di., 07.04.2015 - 14:17 Permalink
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Rudi Rieder Di., 07.04.2015 - 14:25

Auch wenn Kompetenzen honoriert werden sollen, muss dies in einem Rahmen geschehen, der den Personen eine gewisse Freiheit gewährt. Ich finde die überhöhten Gehälter der Politiker, aber auch der leitenden Beamten in der öffentlichen Verwaltung, eine Art legale Korruption. Diese sind so unverschämt hoch, daß den Betroffenen schon von vornherein die Hände gebunden sind, da sie ihren Sessel und das damit verbundene Geld nicht mehr verlieren möchten. Dadurch werden sie Sklaven des Systems, dem sie treu dienen und dabei das öffentliche Interesse vergessen, das sie eigentlich vertreten sollten. Die 5 Sterne Bewegung ist daher für eine drastische Reduktion der Gehälter auf allen politischen Ebenen. Ich persönlich habe bereits angekündigt, daß ich als Bürgermeister von Bozen, meinen Gehalt halbieren würde. Die Antwort von Spagnolli auf diese Aussage war:" er wird es sich als Blumenhändler schon leisten können, oder aus guter Familie stammen!" Das trifft beides nicht zu, ich hielte es schlichtweg für unmoralisch, mehr zu behalten. Wie weit Spagnolli (aber auch alle anderen Politiker und hohen Beamten) von den Problemen eines normalen Bürgers entfernt ist, zeigt die Tatsache, daß er sich gar nicht vorstellen kann, wie jemand mit einem halben Bürgermeistergehalt überhaupt auskommen könnte. Noch schlimmer ist die Tatsache, daß über 2500 der italienischen Politiker die solche Summen verdienen, auch noch verurteilt oder zur Zeit in Ermittlungen verwickelt sind, unser Bürgermeister nicht ausgenommen. Das sollte jenen zu denken geben, die immer behaupten, daß Politiker gut bezahlt werden müssen, damit sie weniger bestechlich sind.

Di., 07.04.2015 - 14:25 Permalink
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Willy Pöder Mi., 08.04.2015 - 12:22

Zum Bericht von su-ellen eine Frage: Was hat die Landesregierung eigentlich mit der Angleichung der Gehälter ans Monti-Dekret hinsichtlich der Mitglieder des Landesausschusses und dessen Präsidenten gemacht? Ist mir das schlicht und einfach entgangen, oder wurde diesbezüglich nichts gemacht? Bezieht der Präsident der Provinz-Präsident nach wie vor um die 20.000 € monatlich? Und die Landesminister um die 17.000? Wissende bleibt am Ball und sprecht!

Mi., 08.04.2015 - 12:22 Permalink
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Martin Daniel Do., 09.04.2015 - 11:35

Antwort auf von Willy Pöder

nach meinem Kenntnisstand wurde das Gehalt von LH und LR gegenüber jenem ihrer Vorgänger zwar herabgesetzt, die Anpassung an das Monti-Dekret aber nicht vorgenommen. Es scheint eine Art Stillhalteabkommen in der politischen Führungsriege zu geben: Kompatscher sagt, er hätte nichts gegen eine Reduzierung, wolle aber selbst nicht den Antrag stellen. Zuständig ist das Landtagspräsidium unter Th. Widmann und der rührt sich nicht. Man will die Sache wohl aussitzen. Und in zwei Jahren dann sogar die BM-Renten einführen, wenn der Rentenskandal vergessen sein wird. Aber diese beiden Themen, die ausschließlich Privilegien der Exekutive=SVP betreffen, scheinen die öffentliche Meinung nicht zu berühren. Um in zehn Jahren in Form von Wutbürgertum dann wieder zu explodieren und nach wenigen Monaten erneut einzuschlafen. Macht braucht aber stete, akribische, vorbeugende und daher möglichst emotionslose Kontrolle. Bleiben Sie dran!

Do., 09.04.2015 - 11:35 Permalink
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Willy Pöder Mi., 08.04.2015 - 12:25

Zum Bericht von su-ellen eine Frage: Was hat die Landesregierung eigentlich mit der Angleichung der Gehälter ans Monti-Dekret hinsichtlich der Mitglieder des Landesausschusses und dessen Präsidenten gemacht? Ist mir das schlicht und einfach entgangen, oder wurde diesbezüglich nichts gemacht? Bezieht der Provinz-Präsident nach wie vor um die 20.000 € monatlich? Und die Landesminister um die 17.000? Wissende bleibt am Ball und sprecht!

Mi., 08.04.2015 - 12:25 Permalink
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Willy Pöder Mi., 08.04.2015 - 12:41

Selbstverständlich tragen Bürgermeister eine größere Verantwortung als ein Provinz- und Regionalrat. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, erscheint die Forderung nach mehr Geld durch die Bürgermeister durchaus gerechtfertigt. Doch ist es bei Gott nicht so, wie man uns vielfach glauben machen möchte, das Bürgermeisteramt sei ein Vollzeitjob. Ich kenne keinen Bürgermeister der deswegen seinen Beruf vollends an den Nagel gehängt hätte. Ich keine weiters keinen Bürgermeister, der nach seiner Amtszeit schlechter als bei seinem Amtsantritt da gestanden wäre. Bei Gott nein! Und das Bestreben, in Hinkunft auch für die Bürgermeister eine Rente nach dem Beispiel der Provinzräte anzuschaffen, käme dem Ausbau des Privilegienstadels gleich. Heute hat jeder die Möglichkeit, selbst vorzusorgen. Das sollte uneingeschränkt auch für die Provinzräte gelten.

Mi., 08.04.2015 - 12:41 Permalink
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kurt duschek Do., 09.04.2015 - 10:12

Offener Brief (..oder Frage?) an den noch amtierenden Bürgermeister von Meran Günther Januth:

Lieber noch amtierender Bürgermeister

es war mir nicht bekannt, dass Sie so ein hohes Gehalt hatten (..immerhin über 9.000.-€) !! Ihre einzige Sorge, jetzt nach abgelaufener Legislatur, scheint zu sein, dass der zukünftige Gemeinderat ein neues Statut mit weniger Redezeit bekommt. Diese Forderung wird auch von uns GRÜNEN unterstützt, nur schade, dass diese Ihre Forderung nun nach abgelaufener Zeit erfolgen. Hätten Sie sich in Ihrer "aktiven" Zeit auch für ein niederes (bürgerfreundliches !!)Gehalt eingesetzt, wir hätten auch dem zugestimmt.
Wie gesagt und notiert: Aktiv wird man immer dann, wenn es zu spät ist! Der Bürger wird es schon nicht bemerken.

...und nun noch eine Frage: ..finden Sie es richtig, dass ein scheidender Bürgermeister noch Anweisungen/ Empfehlungen erteilt, was der zukünftige Gemeinderat auf seine erste Sitzung als Tagesordnung setzen sollte??
Lieber scheidender Bürgermeister, sollten Sie es noch nicht bemerkt haben, Ihre Zeit ist abgelaufen! Kurt Duschek

Do., 09.04.2015 - 10:12 Permalink