Politik | Neuwahlen

Sturm und Drang über Bozen

Vermehrt fordern junge Mitglieder von ihren Parteien, neue Wege einzuschlagen und die Jungen zum Zug kommen zu lassen. "Das sind zunächst Drohgebärden", meint Hermann Atz

Nach den Ereignissen der letzten Monate geht ein Rumoren durch Bozen. Die Jungen begehren auf. Sowohl innerhalb der etablierten Parteien als auch abseits davon ist die Ungeduld zu spüren. “Jetzt sind wir an der Reihe”, scheint sich als Motto in der Stadt herumgesprochen zu haben. Letztes Beispiel: Jakob Brugger, der von seiner SVP eine Rundumerneuerung und mehr Jugendlichkeit fordert. Ebenso Sebastian Seehauser, der mit einer Unterschriftensammlung einen “glaubwürdigen Neuanfang” fordert. Auch Alessandro Huber mahnt den PD ab: Zwar wolle er nicht soweit wie einige SVP-Mitglieder gehen und mit einer eigenen Liste zu den Wahlen antreten. Aber doch: “Die Jungen im PD dürfen nicht das Gefühl haben, instrumentalisiert oder nur deshalb geduldet zu werden, damit die Partei eine gute Figur abgibt.” Harscher gingen die vier Mitglieder der im PD angesiedelten Jugendbewegung Stedy ins Gericht, als sie Mitte Juli aus der Partei austraten. “Dieser PD hat seine Identität und viele Anhänger verloren, als politisches Projekt hat er komplett versagt”, so die Vorwürfe damals. Und auch Huber bleibt nicht unkritisch, wenn er sagt: “Die Lega war mutiger was die jungen Menschen betrifft.”

Mach die Augen auf, Bozen! Quando si mette la testa nella sabbia, il culo resta fuori...#jung_in_bozen will Klarheit! #giovani_a_bolzano vogliono chiarezza!

Posted by jung_in_bozen giovani_a_bolzano on Mercoledì 7 ottobre 2015

Auch die Gruppe Jung in Bozen war in letzter Zeit wieder vermehrt aktiv.

Aufmerksam beobachtet Hermann Atz die Dynamiken dieser Tage. Der Politologe zeigt Verständnis für die jungen Launen: “Sicher, ich kann das was sich derzeit abspielt, sehr gut nachvollziehen. Es ist die Stunde der Jungen, die sagen: ‘Ihr habt den Karren in den Graben gefahren, jetzt sind wir dran!’.” Wenn die Erfahrenen in Bedrängnis geraten, sei es nicht unüblich, dass die Jungen nach vorne drängten. “Die politische Krise, wie wir sie gerade in Bozen erleben, ist gleichzeitig eine Chance für jene, die noch nicht an den Hebeln der Macht sitzen”, erklärt Atz. Doch weit nicht allen Parteien bereiten ihre junge Mitglieder Sorgenfalten. “Wir wollen jetzt sicher keinen internen Kampf austragen”, lässt Valentino Liberto wissen. Er ist Co-Sprecher der Jungen Grünen in Bozen. Als solcher hat er an den beiden Gemeinderäten seiner Partei nichts auszusetzen. “Vielmehr als Gesichter auszutauschen wollen wir innerhalb der Partei überlegen, wie wir bei den nächsten Wahlen auftreten werden”, so Liberto. Zum Beispiel gehe es darum, neue Allianzen zu schmieden und Kräfte zu bündeln, “wenn man die Stadt nicht den Rechten überlassen will”. Bürgerlisten steht Liberto skeptisch gegenüber: “Da bekommt man irgendwie alles und nichts.”

Was man sicher bekommt, wenn Bürgerlisten wie Pilze aus dem Boden schießen, ist eine weitere Zersplitterung der Bozner Parteienlandschaften. Ein Horrorszenario für jene, die sich eine regierbare Stadt wünschen. Hermann Atz bremst: “Ob die Zersplitterung weiter fortschreitet, hängt auch davon ab, wie sich das Wahlrecht bis dahin entwickeln wird.” Mit dem aktuellen Wahlrecht hätten kleine, neue Gruppen besonders große Chancen, erklärt Atz. “Wenn diese aber durch eine eventuelle Wahlrechtsreform schwinden, wird sich zeigen, welche Formationen bis zu den Neuwahlen schließlich entstehen.” Die Wahlen sind noch etwa acht Monate entfernt. “Jetzt geht es erst einmal darum, sich in Position zu bringen”, so Atz. “Wenn junge Parteimitglieder ankündigen, austreten oder Bürgerlisten gründen zu wollen, dann sind das zunächst Drohgebärden. Auch, um sich Gehör zu verschaffen.” Viel mehr fordern die Jungen ja eigentlich auch nicht.