Gesellschaft | Fußball WM 2014

Endlich mal richtig viele Tore!

Die Schlagzeilen überbieten sich mit hymnischen Ausrufen zum Ausgang des Halbfinalspiels Deutschland Brasilien mit 7:1. Wir sagen, endlich mal ein richtiger Torregen, und: Es ist ja nur ein Spiel, oder?

Die Feuerwerke und Feiern begannen schon lange vor dem Spiel. Brasiliens Fußballfans schminkten sich in ihren Nationalfarben Gelb-Grün, belegten Plätze und Parks, die berühmte Copacabana in Rio, das Fußballstadion in Belo Horizonte und freuten sich auf den Torzauber, den ihre Selecao entfesselt ins Finale führen sollte. Doch dann kam alles ganz anders. "Eine kollektive Implosion" nannte ZDF-Kommentator und Ex-Torhüter Oliver Kahn das Phänomen, das die brasilianische Elf nach dem ersten Tor von Thomas Müller in der 11. Minute in die Schockstarre brachte. "Nach dem Eins zu Null waren die Brasilianer bereits völlig in sich zusammengefallen und hatten von da an keine Mittel mehr, das Spiel zu ihren Gunsten umzudrehen."

Sogar das Empire State Building leuchtet in den deutschen Farben

Und das war erst der Anfang. Bereits in der 23. Minute fiel das 2:0 durch Miroslaw Klose, Toni Kroos schoss dann rasch hintereinander die beiden weiteren Tore zum 4:0 (3 Tore in 4 Minuten) und noch vor Ablauf der ersten halben Stunde verwandelte Sami Khedira Özils Zuspiel in ein Fünf zu Null. Unglaublich, so lauteteten auch die Kommentare in den social networks: "Brasilien im Koma!" "Eine Sensation!" "Mi viene da piangere..." und dergleichen mehr. Auch die Medien stürzten sich sofort auf die Ausnahmesituation und so postete der österreichische "Der Standard" flugs die schnellsten Memes zu Brasilien vs. Deutschland.

Der höchste WM-Halbfinalsieg aller Zeiten!

Die beiden Tore zum 7:0 schoss André Schürrle in der 69. und 70. Spielminute, erst in der 90. Minute gelang den Brasilianern ein Ehrentreffer (Oscar). Wie ein Meteorregen gingen die deutschen Tore auf die brasilianische Elf nieder - erklären konnte das wiederum Olli Kahn: "Die Brasilianer haben taktisch alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte, der deutschen Elf blieb dann nur noch übrig, diese Situation auszunutzen." So richtig zum Feiern war den Deutschen am Ende gar nicht zu Mute, zu disaströs war das Ergebnis. Kommentar von Stürmer Thomas Müller: "Genauso wie man uns nach dem Algerien-Spiel kaputtgeredet hatte, hebt man uns jetzt in den Himmel."

Die brasilianischen Fußballer wussten um ihre Niederlage, Torhüter Julio Cesar versuchte erst gar nicht, seine schwache Leistung zu bemänteln: "Nach dem ersten Tor sind wir zusammengebrochen, die Deutschen haben sehr gut gespielt und das müssen wir anerkennen. Jetzt gehe ich nach Hause, umarme meine Familie und danke Gott dafür, dass ich die Gelegenheit hatte, eine WM in Brasilien zu spielen." Und der blondlockige David Luis gestand unter Tränen: "Ich wollte nur meinem Volk Freude bereiten, leider haben wir das nicht geschafft, und ich möchte mich bei allen Brasilianern entschuldigen."

Die Brasilianer wollten es unbedingt schaffen, zu groß war das Ansehen einer WM im eigenen Land und zuviel hatte man in die Stadien, die Vermarktung und den Traum von König Fußball gelegt, der einer Bevölkerung ohne Chancen auf Entwicklung das Bild des national-kollektiven Erfolgs vorgaukeln sollte. "Ich weiß nicht, was da alles auf den Schulten der brasilianischen Fußballer mitgetragen wurde, aber die Probleme des Landes müssen auf andere Weise gelöst werden," sagte Oliver Kahn als vorläufiges Resümee nach dem Spiel.