Wirtschaft | Interview

"Aber man kann die Leute nicht zwingen"

Martin Ausserdorfer setzt als Direktor der BBT-Beobachtungsstelle und STA-Präsident auf Information, Partizipation und Diskussion, wenn es um Mobilitäts-Projekte geht.

An welchem Punkt ist man in Sachen BBT-Zulaufstrecke inzwischen angelangt? Und wie geht es weiter? Erst vor einigen Tagen meldete sich der Direktor der BBT-Beobachtungsstelle, Martin Ausserdorfer, mit einer kurzen Zusammenfassung zu Wort:

Das ganze Projekt der Zulaufstrecke wurde seit Monaten in den Gemeinden diskutiert. Innerhalb des Jahres wird das Ministerium das definitive Projekt genehmigen. Dann erfolgt die Ausschreibung. Der Staat hat heuer RFI insgesamt 8,2 Mrd. für Infrastrukturen zur Verfügung gestellt. 686 Mio. € gehen davon in das letzte Baulos des BBT in Nordtirol und 1,5 Mrd. stehen für die Ausschreibung der Strecke Franzensfeste – Waidbruck zur Verfügung. Das primäre Ziel ist nicht der Personen-, sondern die Verlägerung des Güterverkehrs, damit man das Lärmproblem der Bestandsstrecke löst und gleichzeitig neue Kapazitäten hat, um Verkehr von der A22 mit gezielten Maßnahmen auf die Schiene zu verlängern.

Als Informationskanal verwendete Ausserdorfer – seines Zeichens auch Präsident der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) – nicht etwa den offiziellen Weg über eine Presseaussendung. Sondern gab im Rahmen einer angeregten Diskussion unter einem auf salto.bz veröffentlichten Artikel bereitwillig Auskunft. Dankbar wurden Ausserdorfer und seine Auskünfte von der Community aufgenommen. Was die Frage aufwirft: Gelangen zu wenige Informationen über das Jahrhundert-Projekt an die Öffentlichkeit?

Herr Ausserdorfer, angesichts der jüngsten Debatte auf salto.bz scheint es, als bestehe noch einiges an Informationsbedarf in Bezug auf den BBT und die Zulaufstrecken?
Wer will, kriegt jegliche Information. Es gibt zwei Internetseiten, wo alle Informationen drauf sind, es gibt die Möglichkeit, über Kontaktformulare spezifische Anfragen zu stellen, es gibt die Möglichkeit einer Baustellenbesichtigung und sich alle Fragen beantworten zu lassen. Das auf der einen Seite. Auf der anderen Seite muss sich jemand auch dafür interessieren. Denn man kann die Leute nicht zwingen, sich zu informieren.

Es gab und gibt also genug Möglichkeit dazu? Kein Mangel an Transparenz vonseiten des BBT-Managements, zu dem Sie auch gehören?
Ich wiederhole: Wer Information begehrt, der bekommt sie auch. Ich glaube, wir haben schon einiges abgearbeitet. Soweit ich mich erinnere hat es bisher weit über tausend Informationsveranstaltungen zum BBT gegeben. Wir haben das ganze Projekt der Zulaufstrecke offen vorgestellt, haben über die Medien informiert. Dabei haben wir versucht, alles so transparent wie möglich zu gestalten. Doch ich kann nicht zu jedem einzeln hingehen. Aber jeder, der das Interesse hatte, sich einzubringen, der hat, glaube ich, schon die Möglichkeit dazu gehabt. Und viele Bürger haben uns auch Rückmeldungen gegeben. Diese werden nun eingearbeitet.

Jeder Bürgermeister bestätigt mir, dass er entsprechend eingebunden wurde. Jede Gemeinde hat einen Beschluss verabschiedet. Und ich glaube, viel weiter hinunter kann ich nicht gehen.

Auch die Gemeinden entlang der Zulaufstrecken hatten bis vor kurzem Zeit, eine Stellungnahme zum BBT-Projekt abzugeben. Was passiert nun mit diesen?
Die werden jetzt alle eingearbeitet und als solche auch überprüft und bewertet.

Von wem? Und wie viel Mitspracherecht haben die Gemeinden nun wirklich?
Das ist ein gesetzlich vorgeschriebener Ablauf: Für die Überprüfung und Einarbeitung ist eine Dienststellenkonferenz im Ministerium für Verkehr und Infrastrukturen in Rom zuständig. An diese wird in diesem Zusammenhang der Umweltbeirat einen Vorschlag  zuschicken, mit der Forderung, die Stellungnahmen und die Diskussion zu berücksichtigen. Das ganze Prozedere dauert zirka vier bis fünf Monate, weil es doch eine komplexe Sache ist. Es gibt einige Sachen, die relativ schnell abgewickelt werden können, manche sind aber komplexerer Natur. Anschließend findet noch einmal eine Diskussion in den Gemeinden statt. Ein sehr praktischer, partizipativer Prozess also. In dem stets das Allgemeininteresse im Vordergrund steht. Weil es ist doch so, dass immer mehrere Interessen mitspielen.

Die BBT-Bahntrasse. Grafik: bbtinfo.eu

Und doch soll niemand außen vor bleiben?
Jeder Bürgermeister bestätigt mir, dass er und seine Gemeinde entsprechend eingebunden wurde. Wie gesagt, es hat ja jede Gemeinde einen Beschluss verabschiedet. Und ich glaube, viel weiter hinunter kann ich nicht gehen. Jeder hat wirklich die Möglichkeit gehabt, sich einzubringen. Übrigens auch Privateigentümer. Die wurden alle angeschrieben und informiert.

Jeder, der das Interesse hatte, sich einzubringen, der hat, glaube ich, schon die Möglichkeit dazu gehabt

Das Thema Mobilität mitsamt den ganzen großen und kleineren Projekten ist in Südtirol sehr gefühlt und diskutiert – manche Projekte mehr, andere weniger. Eine für Sie positive Dynamik? Oder können solche Diskussionen auch hinderlich sein? Im Sinne, dass zwar viel geredet wird, aber lange nichts weiter geht?
Nein, für mich ist die Diskussion absolut wichtig und gehört dazu. Wenn man allerdings ein Thema diskutiert, sollte es gesamtheitlich bewertet werden. Denn die Mobilität ist ein großes Ganzes und kann nicht auf einzelne Schnittstellen reduziert werden. Ebenso wichtig ist, aufgrund von Fakten zu diskutieren, denn man kann ja nicht ins Blaue hineindiskutieren. Es gibt zwei konkrete Mobilitätsprojekte, an denen wir als STA aktuell arbeiten: die Elektrifizierung der Vinschgerbahn und der Virgltunnel in Bozen. Für die Riggertalschleife liegt eine Machbarkeitsstudie vor. Was ich sagen will, ist dass Fakten geschaffen werden müssen, es also eine Datenbasis braucht, anhand derer die Diskussion stattfinden kann. Ohne solche Grundlagen tut man sich schwer, eine konstruktive Diskussion zu entwickeln.

Die Ihnen ja besonders am Herzen zu liegen scheint?
Absolut. Es sind nicht mehr Zeiten, in denen von oben herab bestimmt wird. Und Kritik ist wichtig, um besser zu werden. Doch ich glaube, wenn Projekte gut sind, dann schafft man es auch, eine breite Masse zu überzeugen. Denn darum geht es – um eine breite Mehrheit. Alle wird man nie glücklich machen können. Es wird immer jene geben, die nicht mit dem Zug fahren, weil sie leidenschaftliche Autofahrer sind.