Politik | Renzi in Nöten

Kürzungen für 20 Milliarden Euro

Matteo Renzi muss in den sauren Apfel beißen und den Rotstift zücken - eine Entscheidung, die er bis zuletzt zu vermeiden versuchte.

Der Motor des Turboreformers Matteo Renzi gerät ins Stottern. Während im Parlament eine Flut von Gesetzen und Dekreten zur Diskussion anstehen, muß der Premier ein Sparpaket von rund 20 Milliarden Euro auflegen. Seine gewohnte Entscheidungsfreundigkeit hält sich dabei in Grenzen. Jeder Minister soll im eigenen Ressort Kürzungen von drei Prozent vorschlagen. Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin warnt bereits vor "dramatischen Folgen".

Die von Sparkommissar Carlo Cottarelli erstellte Liste unnützer Ausgaben ignoriert Renzi vorerst und vermeidet etwa Einschnitte bei den über 8000 kommunalen und regionalen Beteiligungsgesellschaften, die vorwiegend der Klientelpolitik und Postenbeschaffung dienen. In Cottarellis roter Liste liegt übrigens eine Südtiroler Gesellschaft an der Spitze: die Wpp Uno, die zu gleichen Teilen den Etschwerken und der Firma Leitner gehört. Das Unternehmen für Windenergie hat in seiner letzten Bilanz einen Verlust von 170.248 Euro ausgewiesen.

Doch Renzi gerät auch an anderen Fronten in Bedrängnis. Die Staatsanwaltschaft in Bologna ermittelt gegen die beiden Spitzenkandidaten für die PD-internen Vorwahlen in Emilien, wo demnächst ein neuer Regionalrat gewählt wird. Eine Niederlage in der traditionell roten Region wäre ein fatales Signal. Als mögliche neue Kandidaten gelten Arbeitsminister Poletti und Staatssekretär Delrio. Renzi wird sich freilich in den kommenden Wochen auf weitere Unannehmlichkeiten einrichten müssen.

Im Parlament, das seit Tagen in ergebnislosen Sitzungen versucht, zwei neue Mitglieder des Verfassungsgerichts zu wählen, staut sich ein Berg von Dekreten und Reformgesetzen, deren Abbau bis zum Jahresende problematisch sein dürfte. Schon werden hinter vorgehaltener Hand die Gesetze genannt, bei denen die Regierung die Vertrauensfrage stellen wird, um eine rasche Genehmigung sicherzustellen. Die Zeit ist extrem kurz, denn am 15.Oktober beginnt die Haushaltsdebatte, die sich bis Weihnachten hinziehen dürfte.

Besonders kontroverse Themen sind die Verfassungsreform, das neue Wahlrecht, die Justizreform, das Dekret Sblocca Italia, die Reform des Arbeitsmarkts, die Militäreinsätze im Ausland und eine Reform der Geschäftsordnung, mit der Renzi die beliebten Endlosdiskussionen im Parlament beenden will. Dagegen laufen die Oppositionsparteien Sturm. Die Richter dagegen steigen gegen die Justizreform auf die Barrikaden - nicht zuletzt gegen die Kürzung ihrer Ferien : 45 Tage plus 6 abgeschaffte Feiertage. Daß Italiens Kasten ihre Privilegien verteidigen, hat freilich eine lange (und meist erfolgreiche) Tradition. Das wird Renzi in den bevorstehenden 1000 Tagen noch ausgiebig zu spüren bekommen.

 

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Willy Pöder Do., 11.09.2014 - 18:29

"...dass Italiens Kasten ihre Privilegien verteidigen, hat freilich eine lange (und meist erfolgreiche Tradition", sagt G. Mumelter in obigem Artikel. Er bezieht sich dabei auf die ehrenwerte Richterschaft. Richtig! Dasselbe gilt jedoch auch für die Kaste der Journalisten. Ein Beispiel genehm? Die Kandidatur von Florian Kronbichler fürs Parlament. Sieht man von den "Dolomiten" ab, gaben dem Kollegen alle anderen Medien, einschließlich Hörfunk und Fernsehen, sehr viel (unbezahlten) Raum! So funktionieren eben Kasten, die was im Kasten haben. Oder auch nicht...

Do., 11.09.2014 - 18:29 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 12.09.2014 - 10:25

Die einzige Kaste die weiterhin wie die Made im Speck leben darf scheint die Großbautenlobby zu sein. BBT, Susa Tal, Unmengen an "Varianti" bei den Autobahnen, das Moseprojekt, Expo '15 und weiß der Geier was sonst alles noch. Da sind Hunderte von Milliarden kein Problem, Italien war und bleibt eine korrupte Bananenrepublik, der Unabhängigkeitsabstimmungen der einzelnen Regionen nur zu wünschen ist damit das Dilemma endlich ein Ende findet.

Fr., 12.09.2014 - 10:25 Permalink