Politik | Lega im Aufwind

Matteo Salvinis Husarenritt

Lega-Chef Salvini will eine neue Rechtspartei nach dem Vorbild Le Pens gründen - mit derbem Populismus gegen
Ausländer, Roma und Euro. Umfragen bestärken ihn.

Sein Rezept ist einfach:  zurück zur Lira, raus aus der EU, Abschiebung von Roma und illegalen Ausländern, drastische Steuersenkung. Die Mixtur aus populistischen Sprüchen mag simpel sein, aber sie wirkt. Lega-Chef Matteo Salvini hat Beppe Grillo und Silvio Berlusconi in der Beliebtheitsskala der italienischen Politiker klar überholt und liegt mit 22 Prozent hinter Matteo Renzi. Seine Partei, die er nach der Wahlniederlage mit drei Prozent übernommen hatte, hat erstmals die Zehn-Prozent-Marke übersprungen. Tendenz: steigend.

Keine Talkshow, in der der hemmungslose Populist seine ätzenden Spüche und rassistischen Parolen nicht publikumswirksam loswerden kann.  Nordkorea sei "so sauber wie die Schweiz", schwärmte Salvini nach einem Besuch in der asiatischen Diktatur. Nach einer Begegnung mit Wladimir Putin fiel ihm  auf, "dass man am Roten Platz keine illegalen Immigranten sieht, die Windschutzscheiben der Autos putzen." Dass Salvinis  Ausländerhetzte auf fruchtbaren Boden fällt, zeigte die jüngste Großkundgebung vor dem Mailänder Dom. Seine rassistischen Äußerungen auf facebook werden meistens mit über 10.000 like honoriert, in den Kommentaren toben sich die Anhänger aus: "Hitler non ha finito il suo lavoro."

Nun nutzt der 41-jährige Europarlamentarier den Rückenwind, um ein ehrgeiziges Ziel anzupeilen: die Bildung einer neuen Rechtspartei nach dem Vorbild Le Pens, deren Grundpfeiler Fremdenfeindlichkeit und antieuropäische Gesinnung sind. Der im Fernsehen allgegenwärtige Hardliner wendet sich an die enttäuschten Wähler von Alleanza Nazionale, Forza Italia, Fratelli d'Italia und M5S. Politisch gleicht sein Plan freilich einem Hasardspiel, denn die Lega müsste dabei auf ihren Charakter einer territorialen Partei des Nordens und auf den Föderalismus verzichten, der den Rechten ein Dorn im Auge ist. Sie müsste sich zu einer nationalen Partei wandeln und auch im Süden auf Stimmenfang gehen, wo das Misstrauen gegen die leghisti tief sitzt - nicht ohne Grund: es war Salvini selbst, der vor einigen Jahren in Pontida Chöre gegen die Neapolitaner angestimmt hatte.

Die Koalition mit Forza Italia interessiert ihn nicht mehr. Er sucht ein Bündnis "mit  zehn Millionen enttäuschten Rechtswählern". Und mit "jenen Millionen, die bei Wahlen zuhause bleiben." In der Wahl seiner Mittel zeigt sich der Lega-Chef nicht zimperlich. "Als er vor wenigen Tagen einen provozierenden Besuch in einem Roma-Lager in Bologna angekündigt hatte, beschädigten Demonstranten aus der autonomen Szene sein Auto. Die Polizei wies seine Behauptung zurück, er sei ein "Opfer linken Terrors". Salvini habe seine Eskorte nicht pflichtgemäß verständigt und seinen Wagen einen Kilometer vor dem Lager angehalten, wo 40 Polizisten bereitstanden. Doch sein Ziel hatte der Lega-Chef bereits erreicht, wie seine Twitter-Botschaft zeigt:  Volevamo visitare campo Rom cui Comune di Bologna paga da anni luce e gas, ma siamo stati aggrediti da violenti. . Die Aktion war ausschließlich für den Wahlkampf konzipiert. In der Emilia-Romagna wird in zwei Wochen ein neuer Regionalrat gewählt. Dabei wird der Lega-Kandidat Alan Fabbri auch von Forza Italia unterstützt. Es könnte das letzte Mal sein. 

Berlusconi befindet sich in einer misslichen Lage. Seine zerstrittene Partei ist auf 14 Prozent gesunken und könnte ohne Bündnispartner in die politische Bedeutungslosigkeit abdriften. Salvinis ehrgeizigem Projekt einer neuen Rechtspartei, das auch von seinen Parteikollegen Maroni und Tosi argwöhnisch beäugt wird, stellen sich viele Hindernisse in den Weg - vor allem die Mutation der Lega in eine nationale Partei. Und nicht zuletzt die fehlenden Geldmittel. Die Lega hat vor wenigen Tagen 76 Bedienstete entlassen. Die Parteizeitung Padania wird eingestellt, deren 20 Mitarbeiter in die Lohnausgleichskasse überstellt. Die einst glorreiche Partei des Nordens steht ohne Geldmittel da. Für einen derben Rattenfänger wie Matteo Salvini eine echte Herausforderung.

   
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Martin B. Di., 11.11.2014 - 18:52

"Rattenfänger" finde ich beleidigend gegenüber den (demokratischen) Wählern. Es ist zuallererst Schuld der bestehenden und zurückliegenden Regierungen, wenn populistischer Nationalismus und Ausländerhass derart zunimmt. Die Lega war in der Wahl der Worte und auch Taten immer schon unausstehlich, die Abkehr von politischen Ziel der Sezession (immer nur in Worten, nie in Taten, besonders nicht mit FI zusammen) in Richtung einer rechtsnationalen Bewegung scheint noch nicht vollzogen und könnte die Partei wohl ähnlich wie die FI zersplittern. Ich glaube nämlich nicht, dass die alten Leghisti im Norden auf einmal gemeinsame Sache mit Süditalienern machen wollen, nur weil die Führung dadurch politisch an Bedeutung gewinnen könnte.

Di., 11.11.2014 - 18:52 Permalink
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Thomas Brancaglion Mi., 12.11.2014 - 12:53

Antwort auf von Martin B.

"Rattenfänger" finde ich hingegen sehr zutreffende Definition für einen Politiker der durch das vehemente blasen in der sub-populistischen Flöte auf Konsenssuche geht. Bleibt nur zu hoffen, dass es wie in der Sage "Rattenfänger von Hameln" ausgeht: "der ganze Haufen(Ratten) folgte ihm nach, stürzte ins Wasser und ertrank".
Bravo, super Berichterstattung, danke

Mi., 12.11.2014 - 12:53 Permalink