Politik | Skandal

Erschwerter Betrug

Das Landesgericht hat Maximilian Rainer im Stein-an-Stein-Prozess zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Strafmaß liegt in der Linie der bisherigen Urteile.

Als Letzter redet der Angeklagte. Fast ein Jahr lang hat Maximilian Rainer von seinem Recht Gebrauch gemacht, vor Gericht zu schweigen. Kurz nach 10 Uhr am Mittwoch bricht der ehemalige Generaldirektor dann sein Schweigen. Bevor sich der dreiköpfige Richtersenat um Vorsitzende Carla Scheidle zur Urteilsberatung zurückzieht, wendet sich Maximilian Rainer direkt ans Gericht. Mit durchaus stockender Stimme ersucht Rainer, „die Fakten objektiv zu bewerten“. Rainer gibt zu einen Fehler gemacht zu haben und dafür auch bereits verurteilt worden zu sein. Gemeint ist damit der Schwindel um die Konzessionen für die Großkraftwerke.
Doch im Fall Stein an Stein sei der Skandal von der Staatsanwaltschaft im Gleichschritt mit einigen Medienvertretern – Rainer dreht sich im Gerichtssaal bewusst zum Autor dieser Zeilen um – erfunden worden. „Es gibt bereits ein Urteil bevor ich diesen Gerichtssaal betreten habe“, sagt Maximilian Rainer und appelliert an das Gericht sich von diesen Vorurteilen nicht leiten zu lassen.

Der Urteilsspruch

Die drei Richter Carla Scheidle, Oswald Leitner und Michele Paparella sehen das aber deutlich anders. Nach knapp einer Stunde Beratung verkündet Vorsitzende Carla Scheidle das Urteil. Maximilian Rainer wird wegen erschwerten Betruges zu zwei Jahren und sechs Monate Haft verurteilt. Der ehemalige SEL-Manager muss 500 Euro Strafe und die gesamten Prozesskosten zahlen. Ebenso wird er an seinen früheren Arbeitgeber SEL einen Schadenersatz leisten müssen. Die Höhe soll in einem eigenen Zivilverfahren festgelegt werden. Dabei geht es um viel. SEL-Anwalt Giacomo Gualtierei hatte 2,3 Millionen Euro an Schadenersatz gefordert. Davon 500.000 Euro als Sofortzahlung. Diese Forderung kommt der Richtersenat im Urteil aber nicht nach.

Die Anklage

Staatsanwalt Guido Rispoli hatte 4 Jahre und sechs Monate Haft für Maximilian Rainer gefordert. Der Ankläger warf dem SEL-Generaldirektor nicht nur erschwerten Betrug vor, sondern auch Amtsmissbrauch. Rainer habe bewusst dem Verwaltungsrat Informationen verschwiegen.
Die Richter lassen den Vorwurf des Amtsmissbrauches im Urteil aber fallen. Sie dürften damit der Argumentation der Rainer-Verteidigung gefolgt sein, in dem der Strafbestand Amtsmissbrauch durch den erschwerten Betrug aufgehoben wird. „Ich bin mit dem Urteilsspruch durchaus zufrieden“, sagt Guido Rispoli unmittelbar nach dem Urteil, „liegt er doch in Linie mit den bisherigen Richtersprüchen“.

Ein Vergleich der Strafen von Stocker und Pircher (20 Monate Haft) und Maximilian Rainer (30 Monate) wirft auch bezeichnendes Licht, wer – nach der Überzeugung der Richter – die Hauptrolle in diesem Betrug an der öffentlichen Hand gespielt hat.

Die Ausgangslage

Die Ausgangslage für diesen Prozess war eine besondere. Angeklagt waren in diesem Verfahren ursprünglich Maximilian Rainer, Klaus Stocker und Franz Pircher. Stocker und Pircher entschieden sich aber für ein verkürztes Verfahren.
In verkürzten Verfahren fällt der Voruntersuchungsrichter aufgrund der Ermittlungsakten das Urteil. Der Vorteil für die Angeklagten: In diesem Verfahrensweg wird die Strafe bis zu einem Drittel gesenkt und die Fakten müssen nicht öffentlich im Gerichtssaal ausgebreitet werden. Voruntersuchungsrichter Carlo Busato verurteilte im Oktober 2013 Klaus Stocker und Franz Pircher wegen Betrugs zu je einem Jahr und acht Monaten bedingter Haft. Klaus Stocker und Franz Pircher haben gegen dieses Urteil berufen. Doch am 27. September 2014 bestätigt das Bozner Oberlandesgericht das Urteil erster Instanz. Die Strafe wurde für beide Angeklagte um zwei Monate gesenkt. Damit sind der ehemalige SEL-Präsident und der ehemalige SEL-Aufsichtsratspräsident in zweiter Instanz wegen Betruges zu einem Jahr und sechs Monaten bedingter Haft verurteilt.
Maximilian Rainer ging hingegen ins Hauptverfahren. Damit war von vorneherein klar, dass die Verurteilung seiner beiden Mitangeklagten entscheidend auf diesen Prozess einwirken wird. Das Urteil gegen Maximilian Rainer reiht sich jetzt perfekt in den bisherigen zwei Richtersprüchen um diesen Skandal ein.
Ein Vergleich der Strafen von Stocker und Pircher (20 Monate Haft) und Maximilian Rainer (30 Monate) wirft auch bezeichnendes Licht, wer – nach der Überzeugung der Richter – die Hauptrolle in diesem Betrug an der öffentlichen Hand gespielt hat.

Die Verteidigung

Rainers Verteidigung hatte es bei dieser Ausgangslage natürlich besonders schwer. Aber Carlo Bertacchi hat auch in diesem eigentlich aussichtslosen Verfahren gezeigt, warum viele den adretten und perfekt zweisprachigen Juristen für den besten Strafverteidiger Südtirols halten. Der Rainer-Verteidiger wusste, dass es nur mehr um Schadenbegrenzung geht. Und er schaffte es mit Stil und messerscharfer Logik das Gebäude der Anklage erzittern zu lassen.
Die Tatsache, dass der Strafbestand des Amtsmissbrauchs gefallen ist, kann Carlo Bertacchi durchaus als eigenen Sieg verbuchen. Der Rainer-Anwalt kündigt unmittelbar nach dem Urteilsspruch Berufung an. Es ist vor allem ein strategischer Schritt.

Die Verjährung

Maximilian Rainer wurde bereits im Verfahren zum Konzessionsschwindel zu zwei Jahren und acht Monaten Haft rechtskräftig verurteilt. Mit diesem Urteil käme der Ex-SEL-Direktor auf fünf Jahre und zwei Monate und damit auf ein Strafmaß, das weder Sozialdienst noch Bewährung vorsieht, sondern Haft.
Dazu wird es aber nicht kommen. Das Urteil zum Stein-an-Stein-Betrug ist noch nicht rechtskräftig und wird es auch kaum werden. Denn Anfang September 2015 verjährt die Straftat. Bis dahin aber dürfte vielleicht die Berufungsverhandlung, aber sicher nicht das sich bereits abzeichnende Kassationsverfahren abgeschlossen sein.
Damit dürfte die Straftat Rainers verjähren, bevor das Urteil rechtskräftig wird. Das erspart den smarten Wipptaler Manager den Gang hinter Gittern.
Doch seit Mittwoch ist eines geklärt: Maximilian Rainer, Klaus Stocker und Franz Pircher haben gemeinsam die SEL und damit den Steuerzahler betrogen, in dem man ein Geschäft für die eigene Brieftasche eingefädelt hat.

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Mensch Ärgerdi… Mi., 12.11.2014 - 16:18

Die italienische Gesetzgebung zur Verjährung ist einfach nur lächerlich... Mich wunderst nicht, dass die SVP bei Italien bleiben will. In jeden anderen Land würden Politiker hinter Gitter Landen wenn sie solche Schweinereien anstellen!

Mi., 12.11.2014 - 16:18 Permalink
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Willy Pöder Fr., 14.11.2014 - 07:48

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Mensch ärgere dich nicht, sonst könntest du in den nächsten Jahren noch verrückt werden, denn die Verjährungen werden wie die Pest über uns hereinbrechen, so hier nicht eine gesetzliche Korrektur erfolgt. Verschiedenerseits wird die Aussetzung der Verjährung während des Gerichtsverfahrens in allen Instanzen verlangt. Es deutet einiges darauf hin, dass es dazu auch kommen könnte. Allerdings braucht in Italien alles seine Zeit. Es könnte daher auch dieser im Übrigen begrüßenswerte Vorsatz verjähren.

Fr., 14.11.2014 - 07:48 Permalink
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Martin Daniel Mi., 12.11.2014 - 17:35

Diese skandalösen Verjährungen, deren Erreichen Herausforderung für die gewiftesten Anwälte zahlungskräftiger Angeklagter ist, lassen doch den einen oder anderen Gedanken an einen Staatenwechsel aufkommen

Mi., 12.11.2014 - 17:35 Permalink