Politik | EU - Demokratie

Direkte Demokratie in der EU bisher enttäuschend

Das weltweit erste transnationale Verfahren direkter Bürgerbeteiligung, die „Europäische Bürgerinitiative“ (EBI) funktioniert nicht. Nur ein mutiger Ausbau kann es retten
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Seit genau drei Jahren ist die EBI von der EU anwendbar eingerichtet worden, doch das bisherige Ergebnis ist ernüchternd. EU-Bürger haben 51 EBI vorgelegt, doch 20 davon sind von der EU-Kommission für nicht zulässig erklärt worden, während 28 es nicht geschafft haben, die nötige Mindestzahl von 1 Million Unterschriften zu sammeln. Nur drei EBI haben die Bedingungen erfüllt, doch keine ist von der EU-Kommission in einen Rechtsakt umgewandelt worden. Zuletzt hat am 3. März 2015 die EBI „Stoppt Tierversuche“ der EU 1.173.130 geprüfte Unterschriften vorgelegt. Von den 51 gestarteten EBI haben es somit nur drei geschafft, von der EU-Kommission beantwortet zu werden: „Wasser ist ein Menschenrecht“ gegen die Privatisierung des Wassers, „One of Us“ zum Schutz menschlicher Embryos und nun „Stoppt Tierversuche“. Dabei wird die EU-Kommission gar nicht verpflichtet, das Anliegen der jeweiligen EBI aufzunehmen, sondern kann es mit Begründung einfach ablehnen. Die Dachorganisation für direkte Demokratie democracy international befürchtet, dass die EBI zur Farce wird.

In diesen drei Jahren hat es sich erwiesen, dass die EBI-Verfahren zu viele technische und rechtliche Hindernisse für Promotoren und freie Organisationen aufwerfen. Viel zu wenig EU-Bürger wissen überhaupt von der Existenz der EBI, viel zu wenig politisch Interessierte besuchen das amtliche EU-Register mit den laufenden EBI, um eventuell selbst zu unterschreiben. Dafür genügen die Personalangaben. Die EU selbst hat unnötige inhaltliche Zulassungsbeschränkungen eingeführt, wenn man bedenkt, dass es bei der EBI nur um eine kollektive Petition geht, der keine Volksabstimmung folgt. So ist z.B. 2014 mit einem skandalösen Entscheid die EBI „Stopp der TTIP-Verhandlungen“ trotz der erfolgten Sammlung von 1 Million Unterschriften nicht zugelassen worden. Damit hat sich nicht nur gezeigt, dass eine reine Petition zu wenig Druck auf die EU ausüben kann, sondern auch zu wenig Bürger motiviert, überhaupt mitzumachen. Manche Mängel hat die EU-Kommission in einem ersten Bericht zur EBI selbst eingeräumt.

Nun liegt es an der EU, dieses Verfahren der Bürgerbeteiligung funktionstüchtiger zu gestalten. Die im April 2015 anstehende Bestandsaufnahme bietet dafür die Gelegenheit. EU-Abgeordnete, EBI-Promotoren, politische Organisationen haben appelliert, das erste elektronische und transnationale Beteiligungsverfahren zu retten. Dabei geht es nicht nur um die Einrichtung einer interaktiven Internetplattform und die stärkere Bewerbung. Es geht um die Rechtswirkung und den politischen Effekt eines solchen Beteiligungsverfahrens. Democracy international schlägt vor, dass sich nicht nur die EU-Kommission mit den erfolgreichen EBI vertieft auseinandersetzen muss, sondern auch das EU-Parlament jede EBI in der Vollversammlung behandeln und darüber abstimmen muss, andernfalls werden die Erwartungen von Millionen EU-Bürgerinnen nach mehr Demokratie in der EU frustriert.

Wie ich einer Publikation (Più democrazia per l’Europa, ARCA edizioni 2012) näher ausgeführt habe, sind stärkere Instrumente direkter Demokratie in der EU unumgänglich. Die EBI muss ergänzt werden mit der EVI, der Europäischen Volksinitiative. Wenn ein europäisches Volksbegehren von den EU-Organen nicht angenommen wird, muss es der gesamten EU-Wählerschaft zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Eigentlich wäre erst dieser Schritt ein echter Einstieg in die direkte Demokratie auf EU-Ebene.