Politik | POLITiS-Dossier

Ein neues Wahlrecht für den Südtiroler Landtag?

Ein faireres und gerechteres Wahlrecht für die Wahl des Landtags ist möglich. Drei vorliegende Vorschläge dazu vergleicht ein neues Dossier der Genossenschaft POLITiS.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Üblicherweise wird das Landtagswahlrecht immer erst im Wahljahr selbst nach Gutdünken der Mehrheitspartei etwas angepasst. So war es 2003, 2008 und zuletzt 2013 mit dem Landesgesetz Nr.5 vom 8.5.2013. Seit der Übertragung der Zuständigkeit zur Regelung dieser Materie ans Land im Jahr 2001 hat der Landtag allerdings noch nie ein Gesetz „aus einem Guss“ wie das Trentino geschaffen. Dabei hätte Südtirol einen ganz beträchtlichen Spielraum, im Rahmen des geltenden Statuts das Landtagswahlrecht autonomer und ganz innovativ zu gestalten. Ein neues Wahlrecht sollte möglichst noch vor dem Wahljahr eingeführt werden, weshalb die Opposition eine Behandlung der Vorschläge spätestens im Frühjahr 2016 anstrebt.

Die Freiheitlichen und die BürgerUnion haben schon 2014 Gesetzentwürfe eingebracht, wobei vor allem jener von Andreas Pöder mit einer Reihe gewichtiger Innovationen aufwartet. Pöder hat sogar zwei Entwürfe vorgelegt: eine Variante mit Direktwahl des Landeshauptmanns, eine Variante mit der Wahl des LH durch den Landtag wie bisher. Die Initiative für mehr Demokratie wollte schon vor zwei Jahren einen Gesamtvorschlag als Volksbegehren an den Landtag einbringen. Nachdem aber bei der heutigen, restriktiven Regelung des Autonomiestatuts  kaum Chancen, über sog. Regierungsformgesetze wie das Wahlgesetz eine landesweite Volksabstimmung abhalten zu können, beschränkte sich die Initiative auf einen informellen Vorschlag für ein „Besseres Wahlgesetz“. Alle drei Vorschläge vergleicht das neue Dossier Nr.8-2015 von POLITiS „Aspekte eines freien und fairen Wahlrechts im Vergleich“.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang „frei und fair“? Die Expertise geht von verschiedenen Umständen aus, die zurzeit die Wahlfreiheit der Wählerschaft beeinträchtigen. Politisch nicht organisierte Bürger haben kaum Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten, die Vorzugsstimmenabgabe ist immer noch sehr beschränkt, die Vorlage von neuen Listen (Wahlvorschlägen) zu umständlich. Die Freiheit der Wahl wird weiters durch eine unzureichende Information und durch die völlig ungleiche Verteilung von Finanzmitteln und Medienmacht eingeengt. Das heutige Wahlrecht ist zu stark parteien-, zu wenig personenzentriert.

In den Wahlsystemen anderer mit Südtirol vergleichbarer Regionen (oder Kantone und Bundesländer) finden sich verschiedenste Regelungen, die das Wählen aus Sicht der Bürger freier und fairer gestalten. So z.B. durch die listenübergreifende Vorzugsstimmenabgabe (Panaschieren), durch ein vereinfachtes Verfahren der Vorlage von Wahlvorschlägen (neue Listen bzw. Parteien), durch einen erleichterten Wahlvorgang (Briefwahl), durch die strengere Deckelung der Wahlkampfausgaben, durch eine amtliche und objektive Information der Wählerschaft, durch Geschlechterparität bei den Kandidaten und die Begrenzung der Höchstzahl von Amtsperioden der Gewählten. Kritisch geht die Expertise dabei auf die von der Initiative vorgeschlagene freie Nominierung von Kandidaten für den Landtag ein, die sog. Volksnominierung. Auch beim Panaschieren sind zahlreiche Erfahrungen auszuwerten, aber auch Einwände je nach dem jeweiligen Anwendungsmodell. Insgesamt stellt sich die Frage, wie weit ein personenzentriertes Wahlrecht gehen kann, ohne die Rolle der Parteien und Listen in der Demokratie übermäßig zu schwächen. Dies wird sicher einer der wichtigsten Streitfragen bei der Debatte über neue Wahlrechtsgesetzentwürfe im Landtag ab 2016 sein.