Gesellschaft | Gewalt

Neonazis im Aufwind?

Eine Schlägerei in St. Leonhard bestätigt, wovor Beobachter bereits seit längerem warnen: die rechtsextreme Szene wird wieder aktiver.

Sieben Jahre sind vergangen, seit in Südtirol im Zuge der Operation „Odessa“ 16 junge Neonazis festgenommen wurden. Idyllische Täler wie das Passeiertal fanden sich plötzlich als Nazi-Hochburgen in den Schlagzeilen wieder, deren Dorfjungend Schlagstöcke und nationalsozialistische Reliquien in den Kinderzimmern hortet und Andersdenkende mit Gewaltdrohungen und Schlägereien terrorisiert. Seitdem wurde es wieder still um die rechte Szene im Land. Zumindest in den Schlagzeilen dominieren letzthin vielmehr Gewalttäter mit Migrationshintergrund. „In Südtirol wird viel vertuscht“, erklärte dagegen bereits im Vorjahr ein junger Mann auf salto.bz. „Im Überetsch ist es besonders schlimm. Im Pub One in Untermais und im Exclusiv in Lana gehen die Rechtsextremen Nazis ein und aus, wie es ihnen passt.“ Auch der österreichische "Standard" brachte vergangenes Jahr eine beeindruckende Reportage der Südtiroler Journalistin Barbara Bachmann über eine Südtiroler Mutter und ihren Kampf,  ihre drei Söhne aus der heimischen Neonazi-Szene herauszuholen.  

Nach einer Schlägerei im Passeiertal vom vergangenen Wochenende wird die Szene jedoch nun wieder neu beleuchtet. Denn in der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde in St. Leonhard ein 23-jähriger Passeirer von einer Gruppe Rechtsradikaler brutal zusammengeschlagen und verletzt. Laut Aussagen der Carabinieri sei zwar noch nicht restlos geklärt, ob die Aggressoren aus einem neonazistischen Umfeld kommen. Augenzeugen ließen daran jedoch keinen Zweifel: Die rund achtköpfige Gruppe, von der nur zwei Mitglieder aus dem Tal stammen sollen, habe sich sowohl von ihrer Kleidung her als auch von ihren Parolen und Liedern eindeutig als rechtsextrem zu erkennen gegeben. 

Interessant in dem Zusammenhang: Weder in der Tageszeitung Dolomiten noch im Alto Adige, die sich im vergangenen Jahr beide zu peniblen Chronisten jeder Gewalt- und Straftat im Land entwickelt haben fand sich bislang ein Wort zu dem Vorfall vom Wochenende. Aktiv geworden sind dagegen bereits die Grünen und Heimatbund-Obmann Roland Lang. „In Südtirol mehren sich beunruhigende Anzeichen dafür, dass eine rechtsradikale Szene mit Neonazi- und Neofaschismuspräsenz wieder im Aufwind ist“, schreiben die beiden Landtagsabgeordneten Hans Heiss und Riccardo dello Sbarba in einer Landtagsanfrage, in der sie eine Bewertung des Trends durch die  Landesregierung fordern. Dabei beziehen sich die beiden Grünen nicht nur auf den Vorfall in St. Leonhard, sondern auch „auf den Eindruck aus anderen Landesteilen, dass sich junge Rechte vermehrt wieder sicherer fühlen.“ Nährboden dafür ist laut ihrer Einschätzung der anhaltende öffentliche Gewaltdiskurs, die zunehmende Rassismus-Akzeptanz, die Ablehnung von Migranten und die Verbreitung im Netz. All dies fördere wieder ein Klima der Akzeptanz rechter Ideen und Aktionen. „Die gilt auch für den Neofaschismus des 3. Jahrtausends, der in Gestalt von „Casa Pound“ nun auch im Gemeinderat von Bozen figuriert“, so die Grünen Landtagsabgeordneten. 

Mit Bestürzung reagiert auch Heimatbund-Obmann Roland Lang auf die Schlägerei in St. Leonhard. So wie bei der Schlägerei in Bozen am 17. März, als faschistische Schläger einige junge Linksaktivisten verprügelten, muss auch dieser Vorfall in St. Leonhard vor dem Restaurant Brückenwirt restlos aufgeklärt werden, fordert er. „Gewalt bleibt Gewalt und hat in Südtirol nichts zu suchen. Unabhängig, ob er von Menschen mit Migrationshintergrund, Rechts- und Linksradikalen oder gewaltbereiten Anarchisten ausgeht.“