Politik | Landtag

Die Qualen der Wahlen

Fünf SVPler basteln an einer Wahlrechtsreform für den Landtag. Sie wollen unter anderem das Vollmandat und eine fixe Vertretung aller Bezirke. Die Opposition läuft Sturm.

Es brodelt im Landtag. Seit einiger Zeit werkelt eine Gruppe von SVP-Mandataren an der Überarbeitung des Wahlgesetzes für die Landtagswahlen. Noch ist nichts zu Papier gebracht. Doch die Neuerungen, die Sepp Noggler, Magdalena Amhof, Albert Wurzer, Maria Kuenzer und Waltraud Deeg im Hinblick auf die Wahlen 2018 einführen wollen, stoßen bereits auf heftigen Gegenwind.


Auge auf Vollmandat und Bezirke

Zum einen schwebt den fünf SVP-Landtagsabgeordneten die Einführung des Vollmandats vor. Konkret bedeutet das, dass die bei den Wahlen abgegebenen gültigen Stimmen durch die Anzahl der zu vergebenden Sitze, also 35, dividiert würden. Nur jene Parteien, die die Anzahl der Stimmen, die sich daraus ergeben, erreichen, ziehen in den Landtag ein. Ein Sitz durch Restmandate wäre damit nicht mehr möglich.

Hätte diese Regelung bereits bei den vergangenen Landtagswahlen gegolten, wären gleich vier Ein-Mann-bzw.-Frau-Parteien heute nicht im Landtag vertreten. Die Rechnung ist einfach: Im Oktober 2013 wurden 287.010 gültige Stimmen abgegeben. Teilt man diese durch 35, erhält man 8.200 Stimmen, die für ein Vollmandat nötig gewesen wären. Alto Adige nel Cuore (6.061 Stimmen), Bürgerunion (6.065 Stimmen), Movimento 5 Stelle (7.100 Stimmen) und Forza Italia-Lega Nord-Team Autonomie (7.120 Stimmen) hätten folglich den Einzug nicht geschafft. Und Alessandro Urzì, Paul Köllensperger, Andreas Pöder und Elena Artioli würden heute nicht im Landtag sitzen – ihre vier Sitze wären auf die restlichen fünf Parteien (SVP, Freiheitliche, Grüne, Süd-Tiroler Freiheit und PD) aufgeteilt worden.

Ein weitere Neuheit soll laut Noggler & Co. eine garantierte Vertretung aller Bezirke im Landtag sein. Dafür soll das Land in sieben Bezirke eingeteilt: Vinschgau, Burggrafenamt, Überetsch-Unterland, Salten-Schlern, Eisacktal, Wipptal, Pustertal, Bozen-Stadt und Ladinien. Jener Kandidat, egal welcher Partei, der im jeweiligen Bezirk die meisten Stimmen erhält, zieht fix in den Landtag ein. Eine Neuerung, die vor allem den Wipptalern zugute käme, die heute keinen Vertreter im Landtag stellen. Der Gedanke hinter dieser Reform: Die Peripherie soll aufgewertet werden und die kleinen Bezirke mehr Mitsprache im Landtag haben.


Nur aus Eigeninteresse?

Am Montag wollen die fünf SVP-Landtagsabgeordneten ihre Überlegungen zu Papier bringen. Nach der Sommerpause soll er dann in der Parteileitung präsentiert werden. Doch bereits im Vorfeld ist Unmut über den Vorstoß entbrannt. Während sich die Grünen in Zurückhaltung üben – man müsse erst einmal den schriftlichen Entwurf abwarten –, laufen andere Oppositionsparteien Sturm. Allen voran jene, die aufgrund des Vollmandats kaum mehr Chancen auf einen Wieder-Einzug in den Landtag hätten. Mit dem Vorschlag ziele man in der SVP einzig darauf ab, die eigene Partei zu retten und die Mehrheit im Landtag auszubauen (zur Erinnerung: seit 2013 hält die Volkspartei mit 17 Vertretern nicht mehr die absolute Mehrheit), kritisierten Elena Artioli und Alessandro Urzì unisono. Während erstere bereits angekündigt hat, 2018 nicht mehr antreten zu wollen, sollte das Vollmandat tatsächlich eingeführt werden, droht Urzì mit dem Gang vor den Verfassungsgerichtshof. Er fürchtet um die italienische Vertretung und beharrt auf die Beibehaltung des Verhältniswahlsystems: “E quando si dice proporzionale si intende proporzionale e non un proporzionale che diventa, di fatto, un sistema maggioritario.

Gegen die Wahlrechtsreform der SVP-Mandatare sprechen sich auch die Freiheitlichen aus. “In der Vergangenheit haben wir uns stets für das reine Verhältniswahlrecht und gegen Wahlhürden ausgesprochen. Nur dadurch wird den drei Volksgruppen der Zugang zu den Mandaten garantiert und der Minderheitenschutz objektiv gewahrt”, so die Überzeugung der Blauen im Landtag. Sie kündigen an, ihrerseits einen Gesetzentwurf für die Regelung der Landtagswahlen einreichen zu wollen. In diesem solle in erster Linie die Direktwahl des Landeshauptmannes vorgesehen sein – “und zwar ohne Mehrheitsbonus”. Ebenso wie die Freiheitlichen will auch die Süd-Tiroler Freiheit im Fall im Landtag gegen den SVP-Vorschlag stimmen.

Anders die Stimmung beim SVP-Regierungspartner PD. “Ich bin mit jedem Gesetz einverstanden, durch das die politische Zersplitterung reduziert wird”, sagt etwa Landtagspräsident Roberto Bizzo. Auch Landesrat Christian Tommasini spricht sich nicht a priori gegen die Einführung des Vollmandats aus: “Wir sind offen für Gespräche”, meint er. Noch steht eine Abstimmung im Landtag in weiter Ferne, muss der Gesetzentwurf wie erwähnt nun vorerst schwarz auf weiß festgehalten und nach dem Sommer SVP-intern diskutiert und  werden. Erst für den Herbst wird dann die Debatte mit den anderen politischen Kräften erwartet.