Gesellschaft | Spracherwerb in Südtirol

"Die Diskussion entideologisieren"

LR Achammer zieht nach 2 Jahren CLIL-Unterricht an Südtirols Oberschulen Bilanz: "Ein gutes Projekt im Interesse unserer Jugend".

Eine Aussage zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Pressekonferenz: Die Einführung der CLIL-Methode an Südtirols Oberschulen mit deutscher Unterrichtssprache sei „kein flächendeckendes Vorhaben“, sondern ein Pilotprojekt, betonten sowohl Landesrat Philipp Achammer als auch die Fachwelt, die mit ihm vor die Presse trat, um den ersten Erfahrungsbericht zu zwei Jahren Sachunterricht in der Zweit- und Fremdsprache vorzustellen. Noch bevor er auf die durchaus positiven Ergebnisse der Evaluierung zu sprechen kam, erklärte der SVP-Landesrat in Richtung deutsche Opposition, CLIL (Content and Language Integrated Learning) werde den Schulen nicht aufgezwungen, sondern sei ein Pilotprojekt, an dem sich einzelne Schulklassen beteiligen. CLIL stehe auch nicht im Widerspruch zu Artikel 19 des Autonomiestatuts, der den muttersprachlichen Unterricht für die deutsche Minderheit in Südtirol gewähleistet. Und CLIL sei schließlich nicht nur eine Methode, mit der man sich in Österreich seit Jahrzehnten befasse, sondern auch von der sogenannten Gelmini-Schulreform aus dem Jahr 2010 ausdrücklich vorgesehen.

„Ich halte wenig von Diskussionen, in denen die Angst den Ton angibt“, erklärte Achammer an die Adresse von Schützenbund, Freiheitlichen und Süd-Tiroler Freiheit. Zuletzt war bei den Open-Space-Veranstaltungen zum Südtirol-Konvent die Aufweichung des Grundsatzes des muttersprachlichen Unterrichts wiederholt als problematisch dargestellt und diskutiert worden. „Wir sollten die Diskussion rund um CLIL entideologisieren“, meinte dazu der Landesrat. „Es ist uns nie darum gegangen, diese Methode flächendeckend einzusetzen. Im Sprachunterricht haben wir einen Paradigmenwechsel vollzogen: Es geht um Kommunikationskompetenzen, Literaturgeschichte hat vor allem dann eine Berechtigung, wenn sie dem Spracherwerb dient.“

Die CLIL-Methode wurde an Südtirols deutschen Oberschulen erstmals im Schuljahr 2013-2014 versuchsweise angeboten. Acht Schulklassen haben sich seither am Pilotprojekt beteiligt, wobei der Sachunterricht in einigen in italienischer Sprache, in anderen in englischer Sprache erfolgte und noch erfolgt. Die CLIL-Phase zieht sich nicht durchs ganze Schuljahr, sondern bleibt auf jeweils ein Semester beschränkt. Die Evaluierung der ersten zwei CLIL-Schuljahre hat gezeigt, dass zwei Drittel der Schüler und Schülereltern das Pilotprojekt als Erfolg betrachten. Anfängliche Zweifel auf der Seite von Lehrern, Schülern und Eltern hätten sich als grundlos erwiesen, berichtete Prof. Stefania Cavagnoli von der Universität Roma Tor Vergata, die den Bericht erstellt hat, auf der Pressekonferenz. Weder habe die Vermittlung von Inhalten gelitten noch habe es größere Probleme bei der Bereitstellung des Unterrichtsmaterials gegeben. Auch die Angst der Lehrer, die Schüler seien womöglich mit dem Fachunterricht in der Zweit- oder Fremdsprache sprachlich überfordert, sei mittlerweile aus dem Weg geräumt.

Dass sich das deutschsprachige Südtirol dieses Experiment durchaus leisten könne, zeigten auch die internationalen Studien zu den muttersprachlichen Kompetenzen der Schüler im deutschen Sprachraum, sagte Landesrat Achammer. Die Lesekompetenz der Südtiroler Schüler im Fach Deutsch sei laut PISA-Studie besser als die der Schüler in Deutschland, im Schreiben und in der Rechtschreibung schneide man gleich bzw. besser ab als Tirol und Thüringen. In Sachen Mehrsprachigkeit nehme Südtirol mittlerweile eine Vorreiterrolle im deutschen Sprachraum ein. „CLIL ist ein gutes Projekt im Interesse unserer Jugend“, resümierte Achammer. Ab dem nächsten Schuljahr wird das CLIL-Pilotprojekt nicht mehr nur in der 4. und 5. Oberschulklasse, sondern bereits ab der 2. angeboten.

Bild
Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. So., 28.02.2016 - 20:32

Antwort auf von Harald Knoflach

Danke. Sehr interessant. Nach der Lektüre fühle ich mich auch an der Nase herumgeführt: es scheint wieder einmal so ein "tolles Projekt mit Super-Ergebnissen" zu sein (in der Präsentation), wie es so viele in allen möglichen Bereichen gibt, denn in der heutigen Zeit scheint es ja unmöglich etwas reduzierter, kleinlauter und realistischer durchzuführen. Bei der Evaluation scheint hier zwischen hoffentlich noch halbwegs realistischem Bericht und funkelnder PK eine große Diskrepanz vorzuliegen; wer wie involviert war und inwieweit die Präsentation von Geltungsbedürftigkeit oder auch politischen Interessen dominiert war/ist, wäre interessant herauszufinden.

So., 28.02.2016 - 20:32 Permalink