Wirtschaft | SVP

Wir sind die Neuen

Ein Arbeitnehmerchef, der Schulden machen will, ein Wirtschafts-Vorsitzender, der sich um den Mittelstand sorgt: Was bedeuten die neuen Töne aus den alten SVP-Flügeln?

Es war der Alt-Landeshauptmann, der dem SVP-Arbeitnehmerchef am vergangenen Samstag auf dem ASGB-Kongress einen neuen Namen verpasste: „Ah, der Schuldenmacher“, begrüßte Luis Durnwalder Helmuth Renzler in alter schelmischer Manier. Der Hintergrund? Renzlers Vorschlag, mit einem weiteren Durnwalderschen Tabu zu brechen – und Schulden zu machen. „Wenn wir heute 200 Millionen Euro für den Ausbau des Breitbandnetzes ausleihen, zahlen wir bei den aktuellen Konditionen 20 Jahre lang 12 Millionen im Jahr zurück“, rechnet er vor. Kein Betrag bei einem Landeshaushalt von fünf Milliarden Euro, findet der Arbeitnehmerchef. „Noch dazu, wenn wir dank des Breitbandnetzes Arbeitsplätze schaffen, die Wirtschaft konkurrenzfähiger machen, und das höhere Steueraufkomme in den Landeshaushalt zurückfließt.“ Kurzum: Um solche Investitionen sofort zu machen, rechne sich das Schuldenmachen in jedem Fall.

Und was sagt indes der Mann, der nach einem kurzen Intermezzo des Unternehmers Christian Gartner die SVP-Wirtschaft nach der fast 20-jährigen Ära Brandstätter übernimmt? Er wird vor allem für die Mittelschicht eintreten, kündigte der Sterzinger Josef Tschöll nach seiner Wahl zum neuen Vorsitzenden Ende vergangener Woche an. Die definiert der Arbeitsrecht- und Steuerberater zwar mit „jenen 12 Prozent der Steuerpflichtigen, die etwas mehr als 50 Prozent des Steueraufkommens zahlen“ etwas enger als Helmuth Renzler in seinem Wahlkampf. Dennoch stellt sich die Frage, ob mit Gerhard Brandstätters Wechsel zum Sparkasse-Präsidenten auch die Rollen der traditionellen Antagonisten innerhalb der Südtiroler Volkspartei gewechselt haben.

"Die Zeiten, in denen wir uns in soziale Eck abdrängen haben lassen, sind vorbei. Wer Arbeitsplätze sichern oder halten will, muss auch in der  wirtschaftspolitischen Diskussion vorne dabei zu sein."

So weit würde Helmuth Renzler zwar nicht gehen. Dennoch sieht der Landtagsabgeordnete und Arbeitnehmerchef eine neue Ära der Sozialpartnerschaft anbrechen, die ausgerechnet in seiner Partei Wurzeln treiben könnte. Dort also, wo  der Nährboden bislang keineswegs geeignet schien, bestätigt auch Renzler. „Man hat nicht miteinander gesprochen und viel polemisiert“, sagt er. Geschürt worden sei das traditionelle Ringen zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmern aber vor allem bei der Verteilung der Gelder. „Die Wirtschaft ist in Zeiten des Gießkannenprinzips im Vergleich zu den Lohnabhängigen viel stärker gefördert werden“, sagt der Arbeitnehmerchef, „auch weil der Durnwalder es immer so hingestellt hat, also ob die Sanität und die Pflegesicherung eine Leistung für die Lohnabhängigen  wären.“

Nun aber, da die Gießkanne verräumt ist und das Geld für alle knapp, scheint der alte Klassenkampf anachronistisch. „Sture Haltungen wie in der Vergangenheit kann man sich nicht mehr leisten, wir sind aufeinander aufgewiesen“, drückt es Helmuth Renzler aus. Umso besser trifft es sich, dass sein Gegenüber im Wirtschaftsflügel ein alter Bekannter ist. Immerhin kennen sich der Rentenexperte und Arbeitsmarktexperte Tschöll seit bald 20 Jahren, haben sich oft wöchentlich zum Meinungsaustausch getroffen und gar einmal ein Buch miteinander geschrieben.

Färbt da die eine oder andere Position vielleicht auch so weit ab, dass sich nun auch die Arbeitnehmer aktiv in Sachen Wirtschaftspolitik einbringen? „Das nicht, doch die Zeiten sind vorbei, dass wir uns in soziale Eck abdrängen lassen“, sagt der Landtagsabgeordnete. Um Anliegen wie die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen weiterzubringen, gelte es auch in der wirtschaftspolitischen Diskussion vorne dabei zu sein. Ein Neuland, in dem man sich nicht nur Freunde macht und auf so manche Empfindlichkeit stößt, räumt Helmuth Renzler ein. Abhalten lässt er sich davon trotzdem nicht, wie sein jüngster Vorstoß in Sachen Schulden zeigt.  Was sagt dazu übrigens der neue Landeshauptmann?  „Bisher noch nichts“, antwortet er, „doch er hat mir am Samstag auf die Schulter geklopft – und das lässt wohl darauf schließen, dass er nichts dagegen hat.“