Gesellschaft | Linguistik

Sprache in Bewegung 2

Universum Sprache - Wir können nicht nicht kommunizieren
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Si tacuisses, philosophus mansisses. Also wähle ich Gold und schweige. Für immer! Na schön, für ein paar Zeilen zumindest.

 

 

 

Wobei ich zugeben muss, dass ich Silber ohnehin viel lieber mag. Denn der Schweigende scheint ja bekanntlich zuzustimmen. Warum fällt mir gerade jetzt Paul Watzlawick ein? „Wir können nicht nicht kommunizieren“. Alles ist Sprache. Alles hat Konsequenz. Ein Schweigen kann ohrenbetäubend laut sein, ein Daumen nach unten den Tod bedeuten. Im Karl Valentinschen Sinne „gar net erst ignorieren“ als Höchststrafe. Flüstert uns jemand in Kenia „ni na kupenda“ ins Ohr, ahnen wir, dass er oder sie uns nichts Böses will. Und sblest wnen die Btoafscht auf den estren Bilck ürbeuas vreiwrrned enschreit, knneön wir sie zliemich lcheit und schenll etnffziren.

50G4R W3NN 35 N0CH 5CHW13R1G3R W1RD, 8L3183N W1R 5T3T5 4M 84LL. Ergo: Wir können nicht nicht kommunizieren, weil wir uns nicht nicht verhalten können. Ob wir uns dabei auch verstehen, ist freilich eine ganz andere Geschichte bzw. steht auf einem anderen Blatt. Auf was für einem Blatt eigentlich? Einem Feigenblatt? Sehen Sie, wir meinen nur selten das, was wir eigentlich sagen. Wer schon einmal versucht hat, das Ei des Kolumbus zu essen, weiß, wovon ich spreche. Wenn sich jemand eine Runde auf's Ohr haut, hat das nur in den seltensten Fällen etwas mit Masochismus zu tun. Meist ist das Gegenteil der Fall. Und ein weibliches „Ach, nichts“ wiederum meint in Wahrheit: „Du hast einen groben Fehler gemacht. Mach das ja nicht wieder, denn das hat mich zutiefst gekränkt“, während ein männliches „Es geht schon“, nachdem man(n) sich gerade beim Nageleinschlagen mit voller Wucht den Hammer auf den Finger gehauen hat, so viel bedeutet wie: „Verdammt, tut das weh. Ich könnte heulen vor Schmerzen. Ich glaub, ich muss sterben“. Ob die Dyslexie der Geschlechter auch zur babylonischen Sprachverwirrung gehört?

Apropos gehört: Sinn ist nicht das, was wir glauben von uns zu geben, sondern das, was in des Mitmenschen Ohr ankommt. Und neben den Schallwellen kann das manchmal ein ziemlicher Topfen sein. In Deutschland würde man wahrscheinlich Quark dazu sagen. Jaja, wir Brüder und Brüderinnen deutscher Zunge. Das Einzige, was uns seit jeher trennt, ist bekanntlich unsere gemeinsame Sprache; obwohl ich auf Getränkekarten immer öfter von Apfelschorlen lesen muss. Das hätt's zu Großmutters Zeiten nicht gegeben. Wenngleich wir die „Führer war alles besser“-Tage Gott sei's gedankt hinter uns haben und sie nie wieder kehren mögen. Diese alten Besen. Von wegen gut. Dafür nehme ich gerne in Kauf und von mir aus auch in Zahlung, dass heutzutage niemand weiß, was ein schuldrechtlich verlängerter Versorgungsausgleich ist, und dass bei Renten oder Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung jener Betrag zu Grunde zu legen ist, der sich am Ende der Ehezeit aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors als Vollrente wegen Alters ergäbe.

Wobei vielleicht helfen würde, wenn wir Regelwerke mehr be- als vorschreibend verstünden. Denn Sprache ist ihrer Zeit immer voraus. Die Statik ist ihre Sache nicht. Die überlasst mal den Architekten! Sprachdynamik vermag zu bewirken, dass Kinder Filme auf einmal geil finden können, ohne dass der Jugendschutz ob der Verbreitung von Obszönitäten auf den Plan gerufen werden müsste. Andererseits wären uns bei einer weniger dynamischen Entwicklung sprachliche Segnungen wie „Geiz ist geil“ vielleicht erspart geblieben. Wobei das Wort „geil“ in seiner ursprünglichen, althochdeutschen Bedeutung so viel wie „kraftvoll“, „üppig“, „lustig“ hieß. Gewissermaßen schließt sich also der Kreis. Nvrmnd. Wir sind ja mittlerweile sogar schon so abgebrüht, dass uns die inflationäre Verwendung des Wörtchens „cool“ gänzlich kalt lässt. Wozu überhaupt auf Regen – folgt Sonnenschein?

Augenscheinlich ist jedenfalls, dass es die Veränderer der Sprache und nicht deren Bewahrer sind, denen wir die Denkmäler setzen. Shakespeare, Schiller, Schlingensief. Vom Sockel stürzen möchten wir in Zeiten wie diesen ohnehin andere und viele fragen sich: „Können wir etwas gegen die Groß-unternehmen, die uns unsere Hauptein-nahmen?“ Die Aussichten diesbezüglich sind schlecht. Man haust fast lichtlos, da Opalglas im Raum das Licht stark abhält. Mobiliar und Luxus sagt mir nichts, darum ist das Haus schlicht und schmucklos. Kalkwand, Tisch, Stuhl und Sofa, und dazu stinkts furchtbar nach Knoblauch. Damit hat sichs. Für Bad und so was hab ich nichts übrig, halt ich für nutzlos, das ist für mich Klimbim und Hokuspokus.

Spätestens jetzt fragen Sie sich: „Wer oder was hat den denn geritten?“ Die Antwort ist 42 und die Lösung hat nicht etwa der Babelfisch, sondern steht in Georges Peres' Roman „Anton Voyls Fortgang“. Bleibt nur noch die Frage: Wer reitet so spät durch Wind und Nacht und hat uns was Schönes mitgebracht? Es ist der Harald, der wirre Kopf, in seinen Armen kein totes Kind, sondern dieser Spracheintopf. Tritt ein durch das Tor zur Welt! Bënunì et welcome nell'universo der Sprache.

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no name Fr., 17.05.2013 - 08:56

Manchmal ist es so beruhigend, dass es sie gibt, die Intelligenz, an deren Sieg ich immer noch glaube. Non tecete, please.

Fr., 17.05.2013 - 08:56 Permalink