Chronik | Finanzabkommen

"Alternative wäre der Schützengraben gewesen"

Verschenkte Milliarden oder endlich mehr Finanzsicherheit? Reaktionen und Rechtfertigungen zum Finanzabkommen mit Rom.

Seit Mittwoch Abend steht es zumindest als Abkommen, als Änderung im Autonomiestatut wird es erst nach der Verabschiedung mit dem römischen Stabilitätsgesetz gültig: Die Landesregierung hat eine neue Finanzvereinbarung mit der römischen Regierung getroffen. Ein „Sicherheitspakt“, wie es Landeshauptmann Arno Kompatscher nennt. Denn zumindest auf dem Papier gibt es Südtirol nun bis 2022 die Sicherheit, wie viel die Provinz alljährlich an Rom überweisen muss: rund 500 Mio. Euro, oder wie es Arno Kompatscher am Mittwoch Abend noch auf dem Bozner Flughafen präzisierte 476 Millionen Euro.  Unberührt davon bzw. weiterhin aufrecht sind die bisher eingegangenen Verpflichtungen des Landes aus dem Mailänder Abkommen, also vor allem die Finanzierung an RAI, Universität, Gefängnis oder auch die Gelder für Grenzgemeinden. Und: Im Gegenzug für die römische Zusicherung zieht Bozen all seine Rekurse vor dem Verfassungsgericht zurück – wo insgesamt strittige Fragen im Gesamtwert von drei Milliarden Euro anhängig waren. Darüber hinaus heißt es zumindest bis 2018 noch die bisher einbehaltenen 800 Millionen Euro zu zahlen. Da Rom diese bereits in seinen Haushaltsvoranschlägen gegenüber Brüssel verbucht hat, wird die Differenz zu den 500 Millionen Euro ab 2018 von Rom zurückerstattet.

Ein Deal, bei dem, wie auch schon vorab in Aussicht gestellt wurde, Federn gelassen werden mussten. Vor allem die Absicherung durch Wien, die bereits kommende Woche in einem Schreiben von Premier Matteo Renzi an den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann dingfest gemacht werden soll, und die Aussicht, von künftigen unvorhersehbaren Forderungen Roms verschont zu bleiben, wird vom Landeshauptmann und seiner Partei jedoch als Erfolg verkauft. „Schon mit diesem Haushaltsgesetz werden die anderen Regionen und Gemeinden erneut mit sechs Milliarden Euro zur Kasse gebeten, was für uns 200 Millionen Euro bedeutet hätte“, sagt Kompatscher.

"Autonomiepolitischer Selbstmord"

Ganz anderer Meinung ist da die Opposition. Allen voran die Südtiroler Freiheit, die von einem autonomiepolitischen Selbstmord spricht. „Mit diesem Kuhhandel hat die SVP das Prinzip der Rechtsgültigkeit von Verträgen über Bord geworfen und Südtirol noch enger an Rom gebunden“, kritisiert Sven Knoll. Keine Einbindung des Landtags, Verzicht auf gültige Finanzverträge und eine äußerst fragliche internationale Absicherung sind die wichtigsten Kritikpunkte, die durch die Bank geteilt wird. „Österreich ist bestenfalls ein illustrer Zeuge, hat aber keine Eingriffsmöglichkeiten und will es sich mit Rom nicht verscherzen“, meint auch der Freiheitliche Obmann Walter Blaas.

„Da glaubt man eben die Heimatfront ein bissl ruhig zu stellen“, relativiert auch Kammerabgeordneter Florian Kronbichler die österreichische Seite des Abkommen. Für ihn stellt schon das Wort Sicherheitspakt einen Euphemismus dar. „Ein Abkommen ist per se sicher, und sonst ist es kein Abkommen“, sagt er. Zumindest die Erfahrungen der Vergangenheit würden diesbezüglich jedoch schwere Zweifel aufkommen lasswn – wie auch das noch von Luis Durnwalder als felsenfest verkaufte Mailänder Abkommen.

Wie kommt Südtiorol zu seinen 90 Prozent? 

Wie sehr die Sicherheit nun durch die Umkehr des bisherigen Prinzips der Steuerverteilung gesteigert werden kann, wird sich zeigen. Immerhin wird laut offizieller Mitteilung nun nicht mehr Rom neun Zehntel des Steueraufkommens an Südtirol überweisen, sondern Südtirol die römischen zehn Prozent. Praktisch bleibt das Geld allerdings in Rom, wie SVP-Senator Karl Zeller erklärt. Da Südtirol keine Steuern einhebe, sondern alles elektronisch laufe, würden alle Steuereinnahmen beim Staat landen. „Der überweist dann unsere 90 Prozent auf ein Konto, über das wir verfügen können“, erklärt Zeller, „und über das wir dann auch dem Staat seine 500 Millionen Euro zahlen.“ Bislang habe Rom dagegen die zuletzt einbehaltenen 800 Millionen Euro gar nicht mehr überwiesen.

Wer aber garantiert uns, dass dies nicht auf künftig geschieht? „Auch wir sind keine Hellseher“, antwortet der SVP-Senator, „der einzige Weg, den wir hatten, war unsere Position maßgeblich zu stärken, und das haben wir nun getan." Denn das Abkommen würde einerseits sowohl Südtirols Position vor dem Verfassungsgericht stärken, anderseits habe man nun Österreich als zusätzlichen Garanten. Und auch wenn ein Schreiben kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag sei: Für Karl Zeller bleibt es die erste explizite Anerkennung der Bilateralität des Autonomiepakets und seiner Durchführung. „Roland Riz hatte es bei der Streitbeilegungserklärung von 1992 implizit erreicht“, sagt er, „doch nun teilt Premier Renzi der österreichischen Regierung offiziell mit, dass die damals vereinbarte Finanzregelung abgeändert wird und Rom sie auch bei künftigen Änderungen der Haushaltssituation respektieren wird.“

"Auch wir sind keine Hellseher. Der einzige Weg, den wir hatten, war unsere Position maßgeblich zu stärken, und das haben wir nun getan."

Was will man mehr – vor allem von diesem Staat und unter diesen Bedingungen, fragt Karl Zeller. Die einzige Alternative wäre die „Variante Knoll“, wie er meint - also das Bestehen auf das Mailänder Abkommen und die Anfechtung vor dem Verfassungsgericht gewesen. „Brust raus, Gürtel eng, Stahlhelm auf und rein in den Schützengraben“, stellt er diesen Weg ironisch dar. „Denn je schlimmer es den Südtirolern geht, desto besser für die Südtiroler Freiheiit, weil dann die Bereitschaft für die Selbstbestimmung steigt.“

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Rainer Liesing Mi., 22.10.2014 - 12:22

Herrn (Noch-)Senator DDr. Karl Zeller ist zu empfehlen, sich von Sachkundigen über "Ironie" aufklären zu lassen. Denn eine Aussage wie jene zur "Variante Knoll" ist nicht "ironisch", sondern erbärmlich dümmlich!

Mi., 22.10.2014 - 12:22 Permalink