Politik | Autonomie

Das Statut mit Bürgerbeteiligung ändern

Bestmögliche Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Überarbeitung des Autonomiestatuts – das ist der Ansatz der GRÜNEN für die anstehende Statutsreform.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Als erste Fraktion haben die Grünen am 16. Oktober einen Gesetzentwurf für die Überarbeitung des Autonomiestatuts vorgelegt und damit Eckpunkte für die demnächst im Landtag beginnende Diskussion zum „Südtirol-Konvent“ gesetzt.

Die Aufgaben des Konvents „bestehen in der Ausforschung und Neudefinition jener Themen des Zusammenlebens innerhalb Südtirols (oder einzelner seiner Gebiete), Trentino-Südtirols, der Europaregion Tirol, der Republik Italien und der internationalen Gemeinschaft, welche durch das Autonomiestatut nicht mehr zeitgemäß geregelt sind.“ (Art.1, Abs.2). Ein weitgespanntes Feld mit reichlich Themen, doch auch schon ein Stück Selbstbeschränkung: damit kann z.B. der Konvent keine Autonomie entwickeln, die ohne Region Trentino-Südtirol auskommt, sogar wenn sich dafür Mehrheiten finden ließen. Mit „Themen des Zusammenlebens“ werden auch gleich alle kniffligen Fragen der Rolle des Staats in Südtirol und der Kompetenzenabgrenzung außen vor gehalten. Ein Beispiel: der Konvent könnte nicht mehr verlangen, das Regierungskommissariat abzuschaffen, schon gar nicht Änderungen in den finanziellen Beziehungen zwischen Bozen und Rom verlangen. Durch die Renzi-Verfassungsreform und das italienische Finanzgesetz 2015 unter Zugzwang gesetzt, werden diese Kernfragen der Autonomie der Aushandlung durch SVP- und PD-Vertreter  in Bozen und Rom überlassen.

Expertinnen ließen bei einer aufschlussreichen EURAC-Tagung zur Verfassungsreform am 10.10.2014 vernehmen, dass in nächster Zukunft kaum Statutsänderungen zu erreichen seien. Vielmehr sollte man kleinere Sachfragen per Durchführungsbestimmung regeln, die bei Regierungswechseln Bestand hätten, aber bekanntlich nicht gerade mit einem Maximum demokratischer Legitimation verabschiedet werden. Sollte es beim heutigen autonomieskeptischen Klima in Rom bleiben, wird die ganze Tätigkeit des künftigen Konvents eher nach innen, also in die Südtiroler Gesellschaft hinein gerichtet sein als nach außen, nämlich die Autonomie gegenüber Rom zu erweitern.

Ein zahnloser Tiger?
Ist der von den GRÜNEN entworfene „Statutsüberarbeitende Konvent“, der letztendlich von der Landtagsmehrheit diesen Herbst zurecht gezimmert wird, von vornherein ein zahnloser Tiger, der über Harmonie in Südtirol diskutiert und nur nette Entwürfe der Präambel des künftigen Statuts schreiben lässt? Nein, es ist der legitime und überfällige Versuch, ein praktikables Verfahren für Bürgerbeteiligung an der Reform des Statuts zu etablieren. Viele wichtige Aspekte für mehr inklusive Partizipation, also Mitwirkungsmöglichkeiten – auch eingebracht vom Netzwerk für Partizipation – sind dabei berücksichtigt worden. Ein durch Los bestimmter „Rat der Vielen“ wird die Zivilgesellschaft vertreten, sowohl nach Sprachgruppenverhältnis als nach Geschlecht. Sogar eine Rückkopplung zwischen dem Rat der Bürger mit dem Rat der Vielen ist mindestens einmal im Monat vorgesehen (Art.6, Abs.4). An die Rückkopplung des Rats der Bürger zur Wählerschaft hat man bei den GRÜNEN aber nicht gedacht.

Sollte es beim heutigen autonomieskeptischen Klima in Rom bleiben, wird die ganze Tätigkeit des künftigen Konvents eher nach innen, also in die Südtiroler Gesellschaft hinein gerichtet sein als nach außen, nämlich die Autonomie gegenüber Rom zu erweitern.

Keine Funktion den Räten?
Der Konvent selbst ist dreifaltig: ein „Rat der Politik“, ein „Rat der Bürger“, ein „Rat der Wissenschaftler“. Politiker und Experten würden dabei vom Landtag benannt. Dass die Experten im Unterschied zum Konventsverfahren in Friaul Julisch Venetien einen eigenen Rat erhalten und nicht für den Kovent beratend tätig sind, mag überraschen. Richtig kurios ist im GRÜNEN-Vorschlag aber der Umstand, dass diese Räte überhaupt keine Funktion haben. Träger der Arbeit sind nämlich nur die Konventsversammlung und die Arbeitsgruppen.

Richtig kurios ist im GRÜNEN-Vorschlag aber der Umstand, dass diese Räte überhaupt keine Funktion haben. Träger der Arbeit sind nämlich nur die Konventsversammlung und die Arbeitsgruppen.

So gut gemeint und durchdacht der GRÜNEN-Entwurf auch sein mag, soviel Fragen aus rechtlicher und aus demokratietheoretischer Perspektive wirft er auf: Warum wird eine Versammlung für Bürgerbeteiligung geschaffen, in der Politiker und von ihnen ernannte Wissenschaftler die breite Mehrheit stellen? Warum sitzen Landtagsabgeordnete drin, die in der nachfolgenden beschließenden Phase im Landtag ohnehin alles zerklauben können? Mit welchem Verfahren sollen die Vorschläge abgesegnet werden? Wie wird dieser Verfahren konkret mit jenem des Trentino abgestimmt? Wie dem auch sei, mit diesem Verfahren würde die partizipative Demokratie in Südtirol auf jeden Fall einen wesentlichen Schritt nach vorne tun.