Wirtschaft | Karrieren

Suzanas Höhenflug

Eine junge Mitarbeiterin hat aus dem Nichts bei Schweitzer Project in Naturns ein Geschäftsfeld mit 30 Millionen Umsatz aufgebaut.

Den Südtiroler Dialekt beherrscht Suzana Jotovic noch nicht. Das könnte sich demnächst bessern, schmunzelt die 32-jährige: "Meine Mitarbeiter haben mir ein Wörterbuch Deutsch-Südtirolerisch geschenkt". Zum Dialekt hat die 1982 in Zürich geborene Tochter einer serbischen Familie ein positives Verhältnis. Wenn sie spricht, klingt das Schwyzerdütsch durch. Suzana vermittelt einen ruhigen und bedächtigen Eindruck: kurzer Zopf, dunkle Hornbrille, unaufdringliche Schminke. Eine Erfolgsfrau, die ihre bemerkenswerte Karriere hinter Bescheidenheit verbirgt.
Die Kawasaki ZX, auf der sie sich in ihrer eher kargen Freizeit vergnügt, würde man ihr nicht unbedingt zutrauen. Doch Suzana ist keine Frau, die abhebt. Keine, der Erfolg den Kopf verdrehen kann. Sie vermittelt Bodenhaftung und ausgeprägten Sinn für die Realität, die sie umgibt. Beharrungsvermögen gehört zweifelsohne zu ihren Eigenschaften. 

"Ich habe nie studiert," gesteht Suzana. "Nach einer Lehre habe ich mit 18 Jahren als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft begonnen". Schon bald fand sie einen neuen Arbeitsplatz, der ihrem Wunsch nach mehr Herausforderung entsprach. Dort wechselte sie aus der Rezeption in die Buchhaltung , stieg zur Assistentin der Geschäftsleitung auf, kümmerte sich um Kundenbetreuung und um die Einrichtung von Showrooms. Nach weiteren Berufserfahrungen, u. a. bei Vitra Shop, einem Mitbewerber der Firma Schweitzer, landete Suzana schließlich in einer Niederlassung des Naturnser Unternehmens  in Zürich.

Von da an führte Suzanas Weg steil aufwärts. Ihre Philosophie hört sich dagegen vergleichsweise simpel an: "Ich bin mit den Anforderungen gewachsen  und habe nie Nein gesagt".  Suzana ist immer unterwegs. In Südafrika, China, Rußland. Daß sie das Kyrillische lesen kann, erleichtert ihr in Moskau die Arbeit. In Zürich, wo zwei Brüder mit ihren Familien leben, verfügt sie noch über eine Wohnung. In Naturns zieht sie das Gasthaus vor. "Mein Zuhause ist mein Auto" lächelt sie fast entschuldigend. Zu ihren Hobbys gehört das Kochen: " Es macht  mir Spaß, neue Gerichte zu erfinden."        

Die Herausforderung

Weil sie nie Nein sagt und stets mit Passion an neue Projekte herangeht, stellte sich Suzana vor drei Jahren einer gewaltigen Herausforderung. Aus dem Nichts sollte sie mit dem aus Lana stammenden Produktionsingenieur Walter Volani ein  eigenes Geschäftsfeld aufbauen, das für Laien reichlich unverständlich klingt: "MPR - Multiplicative product rollout". "Was das heißt? Letztes Jahr haben wir z.B. in fünf Tagen 38 LKW mit 950 Paletten in 485 C&A-Filialen in Deutschland versandt". Es war nur einer von vielen Aufträgen, die über Ungarn abgewickelt werden. Für den ersten Großauftrag von 10 Millionen musste in Windeseile in Sopron ein Zentrum für Logistik und Produktion errichtet werden. Solche Herausforderungen, die anderen schlaflose Nächte bereiten, empfindet Suzana auch als Anreiz, um in der Männerwelt ihre Frau zu stellen: "Ohne taffes Auftreten riskiert man,  dort unterzugehen". Das Ergebnis ihres Einsatzes kann sich sehen lassen.

In drei Jahren hat die 32-Jährige mit dem 35 jährigen Walter Volani die Zahl ihrer Mitabeiter von sieben auf 90 gesteigert. Der Umsatz ist auf 30 Millionen Euro geklettert - Tendenz steigend. Das Durchschnittsalter in Suzanas Abteilung liegt bei 26 Jahren: "Ich gebe gerne jungen Menschen eine Chance, die nicht studiert haben - so wie ich. Auch Frauen sind besonders willkommen. "Meine Energie gebe ich gerne an andere weiter," versichert Suzana. An Aufstiegsmöglichkeiten fehlt es im Betrieb nicht. Sie deutet auf einen 21-jähriger Schnalser, der nach Abschluss der Matura direkt als Einkäufer eingestellt wurde - mit einem Volumen von fünf  Millionen Euro.
Grenzen will  sich die Aufsteigerin nicht setzen:  "Wo das Ganze endet, weiß ich nicht", gesteht sie. Lebensplanung gehört nicht zu ihren vorrangigen Zielen. Die Gründung einer Familie hat sie bisher nicht in Betracht gezogen. "Aber ich bin sicher, daß Schweitzer das berücksichtigen würde, falls ich mich dafür entscheide."                

Jung, international, dynamisch

Das Motto  des erfolgreichen Ladenbauunternehmens scheint Suzana Jotovic auf den Leib geschneidert : jung, international, dynamisch. "Wir nehmen gerne Quereinsteiger ohne spezifische Ausbildung", versichert Firmenchef Bernhard Schweitzer. "Die müssen sich freilich bald von zuhause verabschieden. Dann schicken wir sie nach kurzer Ausbildung für ein paar Jahre in die USA oder nach Rußland. 
Schweitzer beschäftigt weltweit 700 Personen in 24 Gesellschaften und verfügt über Niederlassungen  in Hongkong,  Paris, London, San Francisco und zahlreichen anderen Städten.  1977 richtete das Unternehmen das erste Kaufhaus für La Rinascente, 1985 baute es das erste Kaufhaus in Saudi-Arabien. Zu den Kunden gehören weltbekannte Unternehmen wie H&M, Benetton Armani, Nespresso, Intersport, Carrefour und Ralph Lauren. Der Vorjahresumsatz von 118 Millionen ist um über 32 Prozent gestiegen.

"Viele Unternehmen betrachten uns nicht als Lieferanten, sondern als Partner für  gemeinsame Zukunftsplanung," erklärt Schweitzer, dessen Großvater die Firma 1927 gegründet hat.  Vor wenigen Wochen feierte das Naturnser Unternehmen die Eröffnung einer Abteilung in einem der bedeutendsten Luxuskaufhäusern Europas: dem Pariser Galeries Lafayette.  Fast gleichzeitig feierten weitere Stores von Schweitzer Eröffnung: so der Globus an der Bahnhofstrasse in Zürich, Alfa Beta - ein Supermarkt in Athen, Carrefour in Mailand und ein Shop für Zegna in Wien.

Nächstes Ziel der unaufhaltsamen Expansion: die Ostküste in den USA und Südamerika.  "Wir sind stets auf der Suche nach jungen, motivierten Mitarbeitern aus Südtirol", so Bernhard Schweitzer. "Nach Menschen, die neue Herausforderungen suchen, internationale Erfahrungen machen möchten, häufiges Reisen und hohen Leistungsdruck nicht scheuen und die bereit sind, anspruchsvolle Projekte weltweit zu übernehmen." Mit anderen Worten: nach Menschen wie Suzana Jotovic.