Politik | Napolitano geht

Das große Verwirrspiel

In wenigen Wochen tritt Staatschef Napolitano zurück. Das große Verwirrspiel um die Kandidaturen hat bereits begonnen.

Daß die Staatsverschuldung auf den Rekordwert von 2157 Milliarden Euro geklettert ist, kann den Parlamentariern die gute Laune nicht verderben. Mit breitem Grinsen rollt Lega-Senator Roberto Calderoli in Begleitung zweier Kollegen acht schwere Schachteln in den Palazzo Madama. Der Inhalt: 10.500 Abänderungsanträge zum neuen Wahlrecht. Da wollen  die übrigen Oppositionsparteien nicht zurückstehen: 17.282 Abänderungsanträge sind im Senat bisher zum neuen Wahlrecht hinterlegt worden, das Premier Renzi noch vor Weihnachten verabschieden wollte. Daß Italiens Parlament einem Tollhaus ähnlicher sieht als einer Volksvertretung, ist freilich nichts Neues. Kein Tag ohne Konfrontationen und hysterische Auftritte. Während in anderen Ländern in Zeiten schwerer Krise die Parteien ihre Konflikte zurückstellen und sich auf die Interessen des Landes konzentrieren, geschieht in Italien das Gegenteil. 

Und die kommenden Monate versprechen nichts Gutes. In wenigen Wochen tritt Staatschef Napolitano zurück - über Jahre  Italiens einzige Integrationsfigur  und nach Umfragen klar der beliebteste Politiker des Landes.  Dann wird das Parlament, in dem sich die Reformen stauen, für rund zwei Monate keinen einzigen Beschluß mehr fassen. 15 Tage wird es dauern, bis die Wahlmänner der Regionen gewählt und die Termine für die ersten Wahlgänge angesetzt werden. Das große Verwirrspiel um die Kandidaten hat bereits am Montag begonnen. Mit einem zweistündigen Treffen zwischen Matteo Renzi und Romano Prodi. Daß die beiden keine große Sympathie füreinender empfinden, ist bekannt. Und daß Prodi nach der sattsam bekannten Pleite der 101 Heckenschützen aus den Reihen des PD ein weiteres Mal für das höchste Staatsamt kandidieren wird, ist auszuschließen. Die Namen der eigentlichen Kandidaten werden bis zuletzt zurückgehalten, um sie nicht zu verheizen. Das Treffen mit Prodi hat seinen Zweck erfüllt und bei dessen Intimfeind Berlusconi Nervosität ausgelöst -schließllich war Prodi der einzige, der dem Cavaliere zwei Wahlniederlagen zugefügt hat.

In den Reihen des Partito Democratico werden vorerst zwei weitere mögliche Kandidaten genannt: der ehemalige Parteichef Pier Luigi Bersani und Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan, der als parteiloser Ökonom auch im Mitterechts-Lager Stimmen sammeln könnte. Die politische Logik würde gebieten, endlich eine Frau in das seit Gründung der Republik stets von Männern bekleidete höchste Staatsamt zu wählen. Doch in der verqueren italienischen Politik spielt Logik keine Rolle. Wie sonst hätte Premier Renzi am Montag die Olympiakandidatur Roms ankündigen können - jener Stadt, die seit Wochen wegen eines ausufernden Mafia-Skandals für Schlagzeilen sorgt ?