Gesellschaft | Kommentar

Jugendsünden begeht, wer jung ist und es verpasst

Jugend(kultur) erschüttert althergebrachte Ordnungen. Auslöser sind häufig von jungen Veranstaltern organisierte Events. Ein Grund für Angst, Verunsicherung, Willkür?

Vergangenes Wochenende war viel los. Untertags, abends und nachts. Kleine Kirchtage, große Festivals, internationale Clubbings. Erste Maturabälle, spätsommerliche Dorffeste, altgediente Discos. Live-Musik oder aus dem Computer. Rockig, elektronisch, traditionell, alternativ, klassisch. In der Stadt, auf dem Dorfplatz, am Fluss, auf dem Schloss, über mehrere Orte verteilt.
Und auch an diesem anstehenden Wochenende wird wieder viel geboten. Wer sich bei dieser Vielfalt beschwert, dass “bei uns nix los” sei, der ist selbst Schuld.

Kein Grund zur Klage also, für die Unterhaltung der Jugend ist gesorgt. Es gibt genügend Platz und Möglichkeiten, Kreativität auszuleben und die Mühen der Arbeits- oder ersten Schulwoche fernab von Couch und Konsole zu vergessen.

Hinter jedem einzelnen dieser Räume und Möglichkeiten steckt ein mehr oder weniger aufwändiger Prozess. Die Bürokratie ist nur eine von vielen Hürden, die genommen werden müssen, bevor gefeiert werden kann. Und nicht selten sind Veranstalter von Jugendevents mit Willkür konfrontiert. Der Willkür etwa bei den Lizenzvergaben und den Auflagen. Damit, dass ein Bürgermeister Genehmigungen ausstellt, die von einem Beamten bearbeitet worden sind, der reichlich wenig von der Welt "da draußen" mitbekommt. Damit, dass für ein Festival, für das 1.000 Besucher erwartet werden, zehn Dixie-Klos und ein eigener Security-Dienst organisiert werden müssen, während sich im angrenzenden "In-Lokal" zu Feierabendzeiten an die 800 Menschen tummeln, sich zwei Toiletten teilen und unbeaufsichtigt vergnügen dürfen. Damit, dass tags danach die Medien eher über betrunkene und randalierende Jugendliche als über den guten Zweck, dem das Event diente, berichten. Und damit, dass jahrelanger Einsatz für und detaillierte Planung eines dringend benötigten Treffpunktes für Jugendliche mit der leidigen Aussage "Dafür haben wir kein Geld", zunichte gemacht wird. Ein Messen mit mehrerlei Maß.

"Verantwortung", "Einhaltung der Gesetze", "öffentliche Sicherheit" – mit solchen Argumenten wird viel Raum beschnitten, zahlreiche Möglichkeiten verbaut, Kreativität untergraben. Die häufig geforderten "Freiräume" ensttehen also nicht ganz so "frei" und von selbst wie es der Name vermuten ließe. Es sind vielmehr Räume, die oftmals in einem größeren, gesellschaftlichen Kontext reflektiert, ausdiskutiert und durchgesetzt werden (müssen).

In Südtirol war zuletzt gar einiges los. Ein Landeshauptmann "traut" sich auf ein Electro-Festival, feiert und scherzt mit den Jugendlichen, ist für jedes Selfie zu haben. Ein junger Jugendlandesrat steht tat-, nicht nur wortkräftig, zur Seite, wenn es Probleme bei der Austragung von Veranstaltungen gibt. Ein Vertreter der "Jugendkultur" wird zukünftig in der Landeskommission für öffentliche Veranstaltungen sitzen. Event- und Festivalplaner haben vor, sich stärker zu vernetzen, zusammenzuarbeiten, gemeinsam aufzutreten.
Es wird zudem für eine Festivalordnung für alle Gemeinden gekämpft: Diese haben seit 2013 weitreichende Zuständigkeiten für öffentliche Veranstaltungen, setzen diese jedoch  in der Praxis höchst unterschiedlich um. Dazu sind Treffen geplant, zwischen Veranstaltern, mit Landesrat Philip Achammer, mit Bürgermeistern und mit den zuständigen Gemeindereferenten. Selbst eine Aussprache zwischen Quästur und Gemeindenverband soll in die Wege geleitet werden. Um über die Sinnhaftigkeit gewisser Auflagen und den teilweise riesigen bürokratischen Aufwand vor Veranstaltungen zu befinden.

Bisher klar verteilte Positionen scheinen zu verschwimmen. Denn diejenigen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie "oben" stehen, hatten bisher das Recht, über öffentlichen Raum zu verfügen. Diskriminierte Gruppen dagegen blieben unsichtbar oder wurden vielmehr unsichtbar gemacht. Nun scheint Bewegung in die starren Hierarchien, zu kommen. Treffen, Aussprache, Dialog – jeder einzelne ein wertvoller Ansatz, um sich zu begegnen, Unsicherheiten und Unklarheiten gemeinsam aufzuarbeiten, Vorurteile zu überwinden. Und der Wunsch nach Veränderung ist da, spürbar.

Die Jugend will ernst genommen werden, Verantwortung übernehmen und auch Fehler machen dürfen. Doch solange ihr nicht begegnet wird, sie unsichtbar bleibt, wird auch das Misstrauen ihr gegenüber bleiben. "Die älteste und stärkste Angst ist die Angst vor dem Unbekanntem", vermutete bereits Howard Phillips Lovecraft. Nie war die Zeit reifer, um sich dieser Angst zu stellen.