Politik | Bozen 2016

"Es geht um die Regierbarkeit"

Mit Mitte-Links im Boot und Mitte-Rechts fest im Visier: Die Bozner SVP versucht ihre Position vor der Stichwahl am Sonntag noch einmal an den Mann zu bringen.

Es war eine Art Kamingespräch, zu dem die Bozner SVP drei Tage vor der Stichwahl lud. Ein warmes gemütliches Zimmer im Restaurant Kaiserkrone an diesem kalt-nassen Donnerstag, der Stadtobmann und wahrscheinliche künftige Vize-Bürgermeister in lockerem Plausch mit einer überschaulichen Runde an Journalisten. Ziel des Zusammentreffens? Die eigene Öffnung gegenüber Mitte-Rechts, gegenüber der Großen Koalition, die man nicht so nennen darf, noch einmal zu erklären, zu rechtfertigen, auch den italienischen KollegInnen bis ins Detail klar zu machen. Und klarerweise dazu aufzurufen, am Sonntag wählen zu gehen. Denn die Sorge, dass bei der Stichwahl noch weit weniger Boznerinnen und Bozner Gebrauch von ihrem Wahlrecht machen, ist groß, unterstrichen Dieter Steger und Christoph Baur. Dazu beitragen können auch die SVP selbst. Schließlich macht ihr Sowohl-als auch-Kurs keine Einschwörung gegen den gemeinsamen Feind mehr notwendig. Das Böse, das es noch 2005  in der Stichwahl zwischen Giovanni Benussi und Giovanni Salghetti Drioli zu verhindern galt, ist schließlich von der Volkspartei selbst entdämonisiert. „Wir sehen auch im Mitte-Rechts-Lager ausreichend liberale und moderate Kräfte, die von ihrer Grundausrichtung her ähnliche Überlegungen in Bezug auf die Stadt haben wie  einige Mitglieder unserer Partei“, unterstrich der unterlegen Bürgermeister-Kandidat Baur in aller Deutlichkeit.

In der Stichwahl als einziger Bündnispartner Caramaschi unterstützen und trotzdem Botschafter für eine Öffnung gegenüber Mitte-Rechts zu sein: Eine solche Entscheidung nennt sich Realpolitik, räumte das Bozner SVP-Führungsduo selbst in der Bozner Kaiserkrone ein. Denn rein inhaltlich würden die Bozner SVP bei beiden Kontrahenten Schnittmengen finden, hob Stadtobmann Steger hervor. Doch  Renzo Caramschi habe einfach die besseren Karten, eine regierungsfähige Mehrheit zusammenzubringen. „Und diesmal heißt die große Herausforderung eben nicht den großen Feind zu besiegen, sondern für Bozen eine stabile Regierung zusammenzubekommen“, so Dieter Steger.

Regierbarkeit gegen Unregierbarkeit

Regierbarkeit gegen Unregierbarkeit – das ist das Motto, unter das Steger und Baur die Stichwahl am Sonntag stellen. Nicht ausgelassen wurde dabei, was eine Unregierbarkeit gerade für  die deutschsprachige Bevölkerung  bedeutet. „Wenn ich daran denke, dass wir ein weiteres Jahr kommissarisch verwaltet werden, kommt mir das Frösteln“, sagte Baur. „Gerade Minderheiten kommen in solch einer monokratischen Regierungsform unter die Räder“, meinte Steger. Caramaschi und der PD sind  das Vehikel, um dies zu vermeiden. Allerdings nicht in der vom Wahlergebnis aufgelegten Mitte-Links-Formation mit Grünen, Io sto con Bolzano, PD und SVP,  unterstrichen die beiden SVP-Vertreter in allen erdenklichen Formen. Während der Begriff Casapound in einer ganzen Stunde nie auftauchte, schien es ganz so als ob die Grünen in dieser politisch heiklen Phase die Rolle des Bösen übernehmen müssen. Nicht so sehr wegen programmatischer Differenzen, wie Baur unterstrich. „Doch „die Art, wie sie Politik machen, immer auf das Trennende statt auf Vereinende zu setzen“ stehe einem politischen Neuanfang in Bozen entgegen.“  Von den Positionen zum Verbrennungsofen bis zu angeblich unfairen Angriffen auf Baur in Sachen Flugplatz während des Wahlkampfs oder der rigiden Haltung in Sachen Steuersenkungen bei den letzten Koalitionsverhandlungen – auch Dieter Steger wurde nicht müde Beispiele hervorzukramen, um das harte Njet gegenüber einem möglichen grünen Koalitionspartner zu rechtfertigen.

Doch ist es tatsächlich besser, Regierungspartner unter Verbündeten der Lega oder ehemaligen Weggefährten von Casapound zu suchen? Auch ein Christoph Baur lässt solche Einwände gelten. Doch es sei nicht gesagt, dass sich nach der Stichwahl nicht neue Formationen ergeben, die durchaus interessante Lösungen zulassen, entgegnete er.  Und wenn nicht? Kehrt man dann wieder reuig zu den Verhandlungen an den Tisch mit jenen zurück, die man eben noch öffentlich abgewatscht hat? Oder kann sich die SVP tatsächlich vorstellen in die Opposition  zu gehen, wie Steger auch nicht ausschloss, bevor alles weitergeht wie bisher? „Stellen Sie solche Fragen nach dem nächsten Montag“, antwortete Christoph Baur.  An diesem Donnerstag unterstrich der potentielle künftige Vize-Bürgermeister vielmehr, dass die Dinge auch im Gemeinderat anders werden sollen. Nicht nur durch weniger Diskussion und mehr Produktivität, sondern auch durch eine Aufwertung der Kommissionen, die auch jenen politische Kräften mehr Mitsprache und Mitgestaltung erlauben sollen, die es letztendlich nicht in die politische Mehrheit schaffen.

Trotz aller Komplikationen, die die Bozner SVP ihrem Bündnispartner mit ihrem neuen Kurs macht, scheint Renzo Caramaschi in Christoph Baur aber auch einen verständnisvollen Partner gefunden zu haben. Fast schon tiefenpsychologisch warb er am Donnerstag um Verständnis für einige Positionen des  möglichen künftigen Bürgermeisters, entschuldigte so manch politische Floskeln Caramaschis mit dessen Bemühen, Deutsch zu sprechen. „Ich glaube nach all den bisherigen Gesprächen und Zusammenkünften mit Caramaschi sagen zu können: Das ist ein Mann, mit dem ich zusammenarbeiten kann“, sagt Christoph Baur. Der Rest wird sich nach dem kommenden Sonntag zeigen.

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alfred frei Do., 19.05.2016 - 17:23

In Österreich könnte ein Grüner Staatspräsident werden, in Baden-Württenberg regieren die Grünen mit den Schwarzen , in Rheinland-Pfalz gibt es eine Landesregierung SPD-FDP-Grüne, in Südtirol ist die SVP dabei die die Symtome der Traumatisierungen (nach S. Freud) zu analisieren.

Do., 19.05.2016 - 17:23 Permalink