Kultur | Goiapui

Die letzten Tage der Menschheit

Der Schauspieler Sebastian Baur spricht und spielt Szenen aus Karl Kraus‘ berühmtem Antikriegsdrama.

Mit seinem Programm „Goiapui“ war der Schauspieler und Autor Sebastian Baur in Südtirol unterwegs, auch mit seinen Tiergeschichten aus dem Hörbuch „Di Oschpilemugge unt ondra Fiicho wi du unt i.“ Geschichten aus den Tagen seiner Kindheit, in der Sprache seiner Kindheit, dem Hochpustertaler Dialekt, genauer gesagt, dem Toblacher Dialekt, wo Sebastian Baur die ersten 13 Jahre seines Lebens verbrachte: „Goiapui ist der Name des kleinen Jungen, der ich war, als ich im Dorf aufwuchs. Dort wurde man nach dem Haus benannt, in dem man geboren war. Das Haus trug den Namen seines Erbauers. Das war mein Großvater, der Bäckermeister Engelbert Goier. Ich war also der „Goierbub“, in der Mundart meines Dorfes der Goiapui.
Den Pui lässt er immer wieder aufblitzen, im Gespräch, auch wenn er jetzt zwischen Berlin und München pendelt, „einen richtigen Lebensmittelpunkt habe ich nicht“, sagt der Schauspieler.

»... Nur mit der Wortkunst halt' ichs drum, / die ist für mich und jeden, / sie hilft, um mit dem Publikum / doch einmal deutsch zu reden.«

Südtirol sei immer noch die Heimat, sei die schönste Landschaft und der Ort des Aufwachsens. Nun ist Sebastian Baur wieder hier in dieser schönen Landschaft und bringt einen Text mit, der zwar auch schön, doch bitterböse und scharf von den Zuständen spricht: Karl Kraus und die letzten Tage der Menschheit, das Antikriegsdrama schlechthin. Der Erste Weltkrieg jährt sich zum 100sten Mal, der Text bietet sich also zum Vortragen an. „In meinen Bühnenlesungen spielt die Sprache selbst die Hauptrolle, in meinen anderen Lesungen wie jetzt, wo ich die Kraus-Anekdoten auf der Bühne spiele und spreche.“ Bei Karl Kraus, dem großen Kultur- und Autoritätskritiker kommen sie alle vor, die Kriegsgewinnler und –verlierer, die Generäle und Stallburschen, die Huren und Dichter, Stimmen aus dem  Lazarett, wie aus der Zeitungsredaktion, aus dem Bureau, wie aus der Wohnung einer Schauspielerin.Was mich bei Kraus so fasziniert, ist die messerscharfe Analyse einer verkehrten Weltordnung, er deckt mit wenigen klaren Sätzen die Absurditäten und unlogischen Haltungen der Jahrhundertwende-Gesellschaft auf.

»Die bloße Mahnung an die Richter, nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen, genügt nicht. Es müssten auch Vorschriften erlassen werden, wie klein das Wissen und wie groß das Gewissen sein darf.«

Karl Kraus selbst war ein berühmter Vortragskünstler, 700 öffentliche Lesungen absolvierte er neben seinem zweiten Wirkungskreis, der Zeitschrift „die Fackel“. Aus 200 Szenen hat Sebastian Baur 30 ausgewählt, die effektvollsten bzw. jene die den Zuhörer schon einmal aufs Glatteis führen mit einem schnellen Witz, dessen Pointe jedoch umso grausamer daherkommt. „Ich muss meine Figuren nicht vorführen, das macht der Text ganz von alleine, es ist ein Ort an den ich das Publikum durch meinen Vortrag, mein Spielen und Sprechen hinführe.“
Ob er sich selbst als Vortragskünstler sieht? „Das Wort ist etwas schwülstig, aber es könnte passen, es ist ein Talent, das ich wohl habe, und dem ich immer mehr auf die Spur komme, einfach, gut mit Sprache und ihrer Interpretation umgehen zu können.

Sebastian Baur ist an folgenden Abenden zu sehen:
Bruneck, Dienstag, 21. Oktober, 20:30 Uhr, Jugend- und Kulturzentrum UFO
Schlanders, Mittwoch, 22. Oktober, 20 Uhr, Kino im Kulturhaus Karl Schönherr
Kaltern, Donnerstag, 23. Oktober,  20 Uhr, Filmtreff Kaltern, Kino im Bahnhof
Sterzing, Freitag, 24. Oktober, 20 Uhr, Stadttheater, Kinosaal 1
Bozen, Mittwoch, 29. Oktober, 20 Uhr, Filmclub Bozen, Capitol Kino