Politik | Kommentar

Die wirklichen und unsere Probleme

Was zeigt uns die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer, fragt Florian Kronbichler. Zum Beispiel, wie lächerlich die politischen Anliegen seiner Parlamentskollegen sind.

Kritische Betrachtungen von SEL-Parlamentarier Florian Kronbichler auf Facebook. Er hängt die nicht mehr zu verdrängende Frage nach den unterschiedlichen Maßstäben, die wir für Flüchtlinge und unsere Probleme anlegen, an seinen römischen ParteikollegInnen auf. Spitz und polemisch wie gewohnt. Doch kann man an einem Wochenende wie diesem die steuerliche Absetzbarkeit von Urlaubsspesen einfordern? Ein ergiebiger Stoff für Reflexionen - und Diskussionen. 

Pietät würde nur noch Schweigen verlangen anlässlich des Völkermordes im Mittelmeer, (ja, Völkermord! denn von einem solchen muss – rechtliche Definition hin oder oder – gesprochen werden). Schweigen im Gedenken der Opfer, so wie Monika Weissensteiner, die tapfere Flüchtlingshelferin vom Brenner, heute zu einem am Waltherplatz in Bozen aufruft. Und Schweigen auch über die lächerlichen Anliegen, die unser Politikbetrieb zum Gegenstand seiner Bemühungen und speziell Verlautbarungen macht.

Lese ich die Pressemitteilungen meiner parlamentarischen Kollegen aus Südtirol, springt mir als erste jene von Senator Hans Berger und seiner Sorge um die „Sicherheit“ im Land ins Auge. Ein Einbruch in seinem Hotel hat den Bergerhans auf die Idee gebracht, künftig nicht mehr nur das Hotel, nein, sondern gleich das ganze Tal zu videoüberwachen. Überwachungskameras an den Tal-Eingängen würde er überwachen lassen. Wer künftig ins Rein fährt, muss wissen: Er ist registriert und ein Verdächtiger, so er das Tal nicht vor dem nächsten Einbruch nachweislich verlassen hat. Den Schnüffelstaat, den uns der italienische Rechtsstaat noch nicht beschert hat, den schaffen wir jetzt landesautonom.

Auch die Renate Gebhard verfällt auf Populistisches: Sie empfindet „dringenden Handlungsbedarf zur Steigerung der Geburtenrate“ und glaubt, durch Anträge im Parlament selber einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet zu haben, immer eingedenk der Dringlichkeit, „der andauernden, niedrigen Geburtenrate ein Ende zu setzen.“ Ein Ende zu setzen wäre – auch mit einem Beitrag Südtirols! – dem Massenmorden im Mittelmeer und an seinen Rändern. Wir müssen mehr überlebende Flüchtlinge aufnehmen – herwärts und aktiv.

Den Vogel des Populismus aber schoss dieses Wochenende der SVP-Gruppensprecher in der Kammer, Daniel Alfreider ab. Er fordert nichts weniger als „die steuerliche Abschreibbarkeit der Urlaubsspesen für Familien“. Also bitte, Herr Alfreider! Urlaubsspesen steuerlich abschreiben – auch das noch! Nur „für Familien“, versteht sich. „Für Familien“ ist neuerdings jeder Unfug gut. Für Familien! Ich frage mich: Wer ist nicht Familie? Alles sind und haben wir Familie, irgendwie. Urlaubspesen von der Steuer absetzen zu können, findet der Familienförderer aus Corvara, wären ein probates Mittel gegen Steuerhinterziehung. Womit er einzig sagt, Urlaubsspesen in Corvara werden schwarz beglichen.

Wollen wir pietätvoll schweigen.