Gesellschaft | Flüchtlinge

Was können wir tun?

Zu einem Solidaritätstreffen mit Schweigeminute ist es heute Mittag auf dem Bozner Waltherplatz gekommen angesichts der erneuten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer.

Wieviele werden es noch werden, fragen heute wieder Medien und Menschen, nachdem in der Nacht von Samstag auf Sonntag vermutlich bis zu 700 Flüchtlinge (ein Überlebender sprach von 950 Personen)  73 Seemeilen vor der libyschen Küste ertrunken sind, eingeschlossen im Laderaum eines gerade mal 30 Meter langen Bootes. Bisher konnten 28 Personen in Sicherheit gebracht werden, Taucher sind nun an Ort und Stelle und suchen nach den Leichen, von denen 24 geborgen wurden. Betroffenheit und Trauer löste diese erneute Katastrophe aus, am Montag Nachmittag trafen sich die EU-Minister zu einem Krisenrat, in Talkshows. Zeitungen und Online-Foren wird diskutiert, wer schuld an der nicht enden wollenden Flüchtlingsmisere ist, und was Europa machen solle.

Wir können doch nicht diese Leute sterben lassen, wenn wir es schaffen, Waren sicher durch die Welt zu schippern, das geht doch nicht!

Was kann die Politik, nicht nur der EU und ihrer Mitgliedstaaten, sondern auch die lokale angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen aus Afrika und dem Nahen Osten machen? Was kann aber auch der einzelne Bürger tun, und sei es, um seine Betroffenheit zu zeigen. Drei Studenten haben heute zu einem Treffen und einer Schweigeminute am Bozner Waltherplatz aufgerufen, ein Zeichen, wie eine von ihnen, die Zelig-Studentin Dorothea Braun, sagt:

"Ich hatte die spontane Idee, etwas tun zu wollen, nachdem ich die schreckliche Nachricht von den ertrunkenen Flüchtlingen gehört habe. Gemeinsam mit meinen beiden Freunden Nuno Eskudeiro und Daria Akrimento haben wir über facebook zu dieser Solidaritätskation aufgerufen, haben auch einige Flyer verteilt. Wir sind von keiner Organisation, aber wir wollten einfach ein Zeichen setzen und auch unsere Hilflosigkeit zeigen und unsere Trauer. Als Europäer sollten wir wirklich mehr zusammenhalten und nicht die Verantwortung an einzelne Länder abgeben. Wir können doch nicht diese Leute sterben lassen, wenn wir es schaffen, Waren sicher durch die Welt zu schippern, das geht doch nicht! Ich appelliere als Bürgerin an die Politik, wir müssen etwas ändern und ich will den Glauben daran nicht verlieren, dass das möglich ist."  

Etwa 100 Personen sind dem Aufruf gefolgt, unterm Waltherdenkmal versammelte man sich zur Schweigeminute in einem Kreis. Mit dabei auch Bischof Ivo Muser. Was sagt die Kirche zur Flüchtlingstragödie, bzw. was tut sie konkret in der Sache?

"Es ist wichtig, Stellung zu beziehen, weil es darum geht, eine Veränderung in der Gesellschaft herbeizuführen. Wir sollen uns untereinander noch solidarischer fühlen und die Lösungen nicht dem Staat oder den Institutionen überlassen, die Flüchtlingsthematik wird uns noch lange beschäftigen. Wir als Kirche dürfen hier nicht parteipolitisch oder tagespolitisch argumentieren, wir haben das Evangelium, denn dieses ist eine politische Botschaft, damit ergreift die Kirche Partei für die ganz Armen und Schwachen."

Wir könnten jeden Tag am Waltherplatz stehen angesichts der Toten im Mittelmeer.

Monika Weissensteiner, Flüchtlingsexpertin der Alexander Langer Stiftung, wäre froh, wenn es eine konkretere Unterstützung gäbe, besonders am Bozner Bahnhof, wo sie beinahe jeden Tag Flüchtlinge mit Informationen und mehr versorgt und betreut, die dort von den trilateralen Polizeikontrollen aus dem Zug geholt werden. Sie sagt:

"Es ist eine Katastrophe, wie die Grenzschutzbehörde Frontex ihre Arbeit vor den europäischen Küsten wahrnimmt. Und wir könnten jeden Tag am Waltherplatz stehen, aus Trauer um die Toten im Mittelmeer seit vielen Jahren. Doch das ist der politische Wille der EU, mit Aufgabe der "Mare Nostrum" Mission im letzten Jahr wollte man zeigen, Europa will den Flüchtlingen nicht Tür und Tor öffnen. Aber  was geschieht mit jenen Personen, die eben nicht im Mittelmeer ertrinken, sondern die es weiter nach Norden schaffen, bzw. die über die staatliche Quotenregeleung und jene der Provinz Bozen auf die Aufnahmelager hier verteilt werden? Ich bin seit einigen Monaten täglich am Bozner Bahnhof und beobachte die Situation, wie Flüchtlinge hier trotz Schengen-Gesetzgebung von der extra gegründeten österreichisch-bundesdeutschen-italienischen Polizeieinheit systematisch kontrolliert und des Zuges verwiesen werden. Wer hat das angeordnet und wie entspricht das der EU-Gesetzeslage? Ich appelliere an die Südtiroler Politiker, hier in Rom und in Brüssel nachzufragen, wie eine derart intransparente Mission zustandekam."

Schweigeminute am Waltherplatz

Zur Frage, was der einzelne Bürger tun könne, ist die Antwort Monika Weissensteiners ebenso einfach wie klar: Wer möchte, kann Essen oder Bekleidung, auch Decken zum Bozner Bahnhof bringen; für die Flüchtlinge dort, manchmal 50 oder 60 auf einmal, gibt es keine Unterkunft oder Aufenthaltsmöglichkeit. Das würde schon helfen.