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Wehrlos gegen Witze - und Modetipps

Schwarzer Humor und Spott ist für viele Menschen in der arabischen Welt die einzige Waffe im Kampf gegen die IS-Miliz. Und das Netz der einizige Verbreitungskanal.

"Acht Gründe, warum Oberlippenbärte out sind", titelt die Jihadi Vogue. Und weiter: "Modetipps für das Kalifat". Dazu drei Dschihadisten mit Vollbart, die Ratschläge für's "richtige Haarband" geben und erklären, "warum Khaki wieder in" ist. Was auf den ersten Blick wie ein geschmackloser Scherz erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine Form des Protests. Die Jihadi Vogue gibt es nicht wirklich. Aber, Witze über die Terrormiliz IS (Islamischer Staat) zu machen, ist im arabischsprachigen Raum zu einem kleinen Trend geworden. Eine Art des Widerstandes, nach der anfängliche Ohnmächtigkeit, mit der die Weltöffentlichkeit auf den plötzlichen Aufstieg der Dschihadisten reagiert hat.

Bild: Twitter

Neben den Einsätzen der politischen Anti-IS-Koalition werden die Terrormilizen vor allem in den sozialen Netzwerken bekämpft, auf gewaltfreie jedoch wirksame Art und Weise. So kursiert etwa ein Foto des IS-Anführers Abu Bakr al-Bagdadi bei seinem ersten – und bisher einzigen – öffentlichen Auftritt Anfang Juli. Das Foto zeigt ihn als Werbeträger einer Markenuhr, die der selbst ernannte "Kalif" von Syrien und Irak am Handgelenk trug – bei seiner Hasspredigt gegen den Westen und dessen Werte.

Spott ernten die Dschihadisten auch auf Twitter, unter dem Hashtag #AskIslamicState. Dort werden Fragen gesammelt und markige Sprüche gegen die IS-Miliz veröffentlicht. "So will ein Nutzer wissen, welcher Rotwein besser zu Schweinebraten passt. Ein anderer fragt religionsbezogener, was den Terroristen Gott tatsächlich bedeutet, wenn sie sich doch den Koran selbst zurechtbiegen", berichtet die Tiroler Tageszeitung in ihrer Onlineausgabe.

Samstag Vormittag forderte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz im Ö1-Radioprogramm Im Journal zu Gast eine einheitliche Übersetzung des Korans, um hetzerische Auslegungen, die derzeit kursieren, zu vermeiden. In Deutschland demonstrierten nach dem Freitagsgebet Muslime in 2.000 Moscheen gegen Hass und Gewalt. Und distanzieren sich von den Gräueltaten der IS-Milizen: "Im Nahen Osten gibt es Menschen, die den Namen Allahs missbrauchen, Grausamkeiten begehen, andere Menschen quälen und ermorden. Sie geben vor, im Namen Allahs zu handeln, ihre Taten zeigen aber, dass sie nichts vom Glauben verstanden haben."

Währenddessen im Netz: Waren die Späße im Juli und August noch ein feiner Zeitvertreib junger netzaffiner Nutzer, beteiligt sich mittlerweile auch eine größere arabische Öffentlichkeit an den Veralberungen. Diese erreichen die IS-Miliz auf den gleichen Kanälen, auf denen sie selbst versucht, ihre Propagandavideos zu verbreiten. Und während die Terrorvideos auf Twitter und Facebook oft binnen Minuten wieder gelöscht werden, bleiben die Witze bestehen.