Wirtschaft | Arbeitsmarkt

Wer verteidigt hier das Prekariat?

Wer setzt sich für Arbeitskräfte ohne vertragliche Absicherung ein? Nahkampf zwischen Matteo Renzi und Susanna Camusso, offene Fragen auch in Südtirol.

Wer verteidigt das wachsende Heer an Arbeitskräften ohne vertragliche Absicherung? Eine Frage, die nicht nur in Rom für heftige Polemiken sorgt. „Keine Vorbildfunktion“, so der Vorwurf, den die ASGB-Jugend der Landesregierung in Sachen Generationenvertrag macht. Fast ein Jahr ist es her, dass in Südtirol in großen Lettern neue Chancen für junge Menschen auf eine feste Anstellung oder einen Lehrvertrag beim Land angekündigt worden waren. Dank Teilzeitverträgen für Beschäftigte kurz vor der Pensionierung, denen die öffentliche Hand dennoch volle Rentenbeiträge garantiert. „Doch passiert ist seither nichts“, kritisieren die Jungendvertreter des ASGB.  Vielmehr habe man sich im Gegensatz zum Trentino oder der Lombardei auch noch Gelder aus Rom für die Umsetzung der Arbeitsmarktmaßnahmen entgehen lassen: 500.000 Euro seien über die Aktion „Welfare to work“ in unsere Nachbarprovinz geflossen, gar drei Millionen Euro in die Lombardei.

Mit noch weit härteren Bandagen wird in Rom zwischen Regierungschef Matteo Renzi und CGIL-Chefin Susanna Camusso über die anstehende Arbeitsmarktreform gekämpft. Am 23. oder 24. September soll Renzis „Jobs act“ in der Aula des Senats behandelt werden – und die CGIL rüstet auf. Die Drohung des Generalstreiks steht im Raum, und auch sonst lässt es Gewerkschaftschefin Susanna Camusso nicht an klaren Worten fehlen. „Wir brauchen keinen Arbeitsmarkt der Serie B“, sagt sie und wirft Renzi vor, sich zu sehr an neoliberalen Ansätzen à la Margaret Thatcher zu orientieren.

"Noi non pensiamo a Margaret Thatcher, ma a quelli a cui non ha pensato nessuno in questi anni. Ai condannati ad un precariato cui il sindacato ha contribuito preoccupandosi solo dei diritti di alcuni e non dei diritti di tutti."

Die Replik des Regierungschefs: Er denke beim Jobs Act nicht an Margaret Thatcher, sondern an all jene, die zu prekären Arbeitsverhältnissen verurteilt sind. „Auch weil die Gewerkschaften sich immer nur um die Rechte einiger statt aller kümmern – und mehr an ideologische Schlachten statt an den Probleme der Menschen interessiert sind.“

Renzi will mit seiner Arbeitsmarktreform unter anderem Unternehmen entlasten, die Neueinstellungen mit unbefristeten Arbeitsverträgen vornehmen. Der  „contratto a tempo indeterminato a tutele crescenti“ sieht allerdings eine teilweise Aufweichung des Kündigungsschutz vor. So sollen die Garantien des Artikels 18 bei ungerechtfertigten Entlassungen erst drei Jahre nach Einstellung in Kraft treten.

Ein ideologischer Zankapfel, der bis in die Südtiroler Volkspartei hinein für Diskussionen sorgt. Beim Kündigungsschutz ist Schluss mit der neuen Harmonie zwischen Arbeitnehmern und der SVP-Wirtschaft. Bei diesem Thema seien der neue Wirtschaftsvorsitzende Josef Tschöll und er „genau entgegengesetzter  Meinung“, sagt Arbeitnehmerchef Helmuth Renzler.  Zumindest was die Aufweichung des Kündigungsschutzes für Über-50-Jährige betrifft. „Denn dort wissen wir jetzt schon, dass sie an dem Tag, an dem die drei Jahre enden, entlassen werden.“