Gesellschaft | Rekurse

„Dann leben wir in einem kommunistischen Staat"

Was macht ein Zeitungsherausgeber, wenn er plötzlich zum Club der Altmandatare gehört? Wie Arnold Tribus auf Tageszeitung Online seinen Rekurs begründet.

Die wahre Bombe auf der am Donnerstag veröffentlichten Liste mit 16 weiteren Rekursstellern gegen die Neuregelung der Politikerrenten war zwar Regionalratspräsidentin Rosa Thaler. Für einiges Erstaunen hat aber auch ein weiterer Name auf der Liste gesorgt: Arnold Tribus. Der Tageszeitungs-Herausgeber saß bekanntlich zwischen 1985 und 1993 als Abgeordneter im Landtag sowie Regionalrat – zuerst mit Alexander Langer für die Alternative Liste für das andere Südtirol, dann ab 1988 für die Grün-Alternative Liste. Was also macht jemand mit solch einer politischen Vergangenheit, was der Herausgeber einer Zeitung, die im Rentenskandal als Aufdecker fungiert, zwischen Altmandataren à la Franz Pahl, Luis Durnwalder und nun auch Rosa Thaler? Eine Frage, die Tribus am Donnerstag in einem Video auf Tageszeitung Online beantwortet – auf Wunsch seiner Redakteure, wie er selbst sagt. „Warum machen Sie Rekurs, Herr Tribus“, spricht er in dem Video in die Kamera, „sind Sie auch einer dieser Nimmersatten, dieser garstigen Menschen, die nur auf ihre Brieftasche schauen?“

Die Antwort darauf? Zurückgezahlt habe er bereits alles, was er zurückgeben sollte. Nun wolle er jedoch von einem Gericht wissen, ob dies auch rechtens war. Und dies könne nicht kriminiell sein, unterstreicht Arnold Tribus. Denn: „Wenn man die Rechtsstaatlichkeit mit Kriminalität verwechselt und eine gewisse Moral zum Recht erhebt, dann sind wir in einem Staat, in dem ich nicht sein möchte, in einem kommunistischen Staat“, erklärt der Tageszeitungs-Herausgeber.

"Was machen die großen Herren der Moral?"

Tribus stellt sich aber auch schützend vor die unzähligen Altmandatare, die den selben Weg wie er gewählt haben. Es sei relativ unwürdig, was mit ihnen getrieben wird, findet er – und bläst zur Gegenattacke. Denn die „Jungmandatare“, die „großen Herren der Moral, die mit dem Zeigefinger auf die Alten zeigen“, würden ohne mit der Wimper zu zucken und still und leise am Ende ihrer Legislatur 210.000 Euro einstecken. „Entweder die Moral gilt für alle oder sie gilt für niemanden“, ereifert sich Tribus. Seine Anspielung gilt den Sozialbeiträgen, die insgesamt 44 Regionalratsabgeordnete nachträglich ausbezahlt bekommen haben, die 2008 zum ersten Mal in den Regionalrat gewählt wurden. Bereits in der Vergangenheit hatte es die Forderung gegeben, dass auch diese Summe zurückgezahlt und erst mit Erreichen des Rentenalters ausbezahlt werden soll. 

Doch auch sein Gegenangriff hat Arnold Tribus unter den Usern seiner Zeitung nicht viele Punkte gebracht: Im Großteil der zahlreichen Kommentare, die auf Tageszeitung Online unter dem Video gepostet wurden, wird Tribus stark kritisiert. Einige Auszüge:  

"Bin froh und fühl mich bestätigt, dass ich das Abo heuer gekündigt habe!! Bei anderen spielen die TAGESZEITUNG-Redakteure die Sauermänner, Moralapostel und Aufdecker…wenns ums EIGENE Eingemachte geht ist man sich dann aber wohl doch selber wieder am nächsten! ....Da ist mir sogar die “Dolomiten” lieber; die steht wenigstens zu ihrem System / ihrer Linie!"

"Herr Tribus für das sie dauernd sonst ihren Senf abgeben kommt das reichlich spät. Gleich nach der Offenlegung Ihres Namens. Die Gier lässt sich in viele schöne Worte packen,und mit einem kleinem Wink auf die Anderen ablenken, das zeigt ,das sich sehr viel Farbe von unseren Politikern auf ihnen abgefärbt hat. Zeit still zu sein!"

"Macht die Tageszeitungs-Redaktion jetzt das gleiche mit Tribus, wie man es auch mit anderen Politikern und Ex-Politikern gemacht hat? Oder nicht? Wenn nein, warum nicht? Wo beginnt und wo endet die Selbstzensur? Wo werden die Interessen des Mediums über jene der objektiven Berichterstattung gestellt? Und wie schaut es mit der Glaubwürdigkeit aus (wenn man sich an die Politikerprivilegien-Kampagnen der Tageszeitung zurück erinnert)? Wird es personelle Konsequenzen in der Redaktion geben? Oder hofft man, dass das alles vom Leser schnell vergessen wird? Ein spannender Fall, der sehr viele Fragen beantwortet."

"da darf man sich nicht wundern wenn die menschen politikverdrossen werden! liebe rekurssteller, das gesetzt ist vielleicht auf eurer seite, aber ihr richtet einen ungeheuren schaden in unserer gesellschaft an und dabei meine ich nicht vordergründlich das geld.. hier geht es um vertrauen!"

Klar ist: Ab heute ist der Politikerrenten-Skandal nicht nur SVP-intern, sondern auch aus medialer Sicht um einen Aspekt reicher. 

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gorgias Do., 20.11.2014 - 17:05

>hofft man, dass das alles vom Leser schnell vergessen wird? <

die Tageszeitung wird davon einen nachhaltigen Schaden erhalten. die frage ist nur wie groß.

Do., 20.11.2014 - 17:05 Permalink
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Willy Pöder Fr., 21.11.2014 - 18:16

Antwort auf von gorgias

Der Auffassung "Georgias" bin ich auch, zumal nunmehr eines glasklar ist: Die Tageszeitung bzw. deren Direktor war von den Vorauszahlungen als direkt Betroffener schon Wochen vor den Landtagswahlen 2013 informiert. Anstatt gemäß journalistischer Informationspflicht darüber zu berichten, hielt man die Nachricht zurück. Warum? Weil man in derselben Kiste saß? Oder warum sonst? Fragen, die aufgeworfen worden waren, jedoch nie beantwortet wurden. Sicher, auch die anderen Medien haben vor den Wahlen darüber nicht berichtet. Und es fällt schwer zu glauben, dass sie in völliger Unkenntnis des sich anbahnenden Skandals waren. Die Tageszeitung hat nun ein Problem der Glaubwürdigkeit. Nur die Tageszeitung? Ich denke nicht. Das betrifft die meisten anderen Medien nicht minder, egal welcher Gattung.

Fr., 21.11.2014 - 18:16 Permalink
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Roland Kofler Do., 20.11.2014 - 21:48

Aber die andern haben ja auch.
ich mach mich ja nicht strafbar.
moral ist nicht recht, das ist ja kommunistisch.
ich bin ja nicht gierig, aber taeten wuerd ich schon wollen duerfen.
na wenn man's nicht argumentieren kann, soll mans doch besser auch lassen.
wir sind ja nicht im kindergarten.

Do., 20.11.2014 - 21:48 Permalink
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Waltraud Astner Do., 20.11.2014 - 22:56

Arnold Tribus hat vollkommen recht. Es muss das Recht eines jeden Bürgers bleiben, gegen etwas das man als nicht rechtmäßig erachtet zu rekurrieren. Da er zurückgezahlt hat, ist er moralisch auf der richtigen Seite. Wie sich die SVP ihren eigenen Mitgliedern gegenüber verhält ist an Schamlosigkeit nicht zu überbieten. Zuerst weigert man sich jahrzehntelang eine wirkliche Reform in dieser Sache zu machen. Dann kommt man auf die Idee mit den unseligen Vorauszahlungen, wozu die Altmandatare erst überredet werden mussten. Als die sog. "Wutbürger" aufgehetzt von einer Zeitung in Aktion traten, ließ man Rosa Thaler fallen, widersprach nur halbherzig als die Altmandatare als Diebe bezeichnet wurden, man bestärkte vielmehr diesen Eindruck noch indem man sie mit einem erneuten Gesetz zu Kürzungen ihrer Bezüge verdonnerte. Als sie sich wehrten zeigte man sich enttäuscht, verwies im Vergleich auf Mindestrentner und will jetzt zusammen mit den Trentinern sogar noch Einspruch dagegen erheben wenn sie (die eigenen Leute) Rechtssicherheit wollen. Das ist die Moral der SVP die sie den eigenen Mitgliedern gegenüber an den Tag legt, sie werden geopfert um den Wutbürgern nach dem Mund zu reden. Aber dieser Schuss wird nach hinten losgehen.

Do., 20.11.2014 - 22:56 Permalink
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Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. Fr., 21.11.2014 - 00:20

Spätestens mit dem Abgang von CF hat die TZ für mich wenig Lesereiz mehr. Und die Fassade der "sauberen Aufdecker" bröckelt weiter.

Fr., 21.11.2014 - 00:20 Permalink