Umwelt | Vinschgau

Die Baum-Lobby

Den Palabirn-Bäumen der Fraktion Lichtenberg in Prad am Stilfserjoch droht die Fällung. Nachdrücklich fordern Umweltschützer den Erhalt und eine "sinnvolle Alternative".

“Bäume haben keine Lobby und schon gar nicht in einer Gemeinde wie Prad am Stilfserjoch.” Es war Ende Oktober, als die Umweltschutzgruppe Vinschgau mit wenigen Zeilen auf das Schicksal, das den Palabirn-Bäumen in der Prader Fraktion Lichtenberg droht, hinwies: Eine Gruppe von elf etwa 200 Jahre alten Bäumen soll dort einer neuen Feuerwehrhalle sowie einer Wohnbauzone weichen. Unverständnis in der Fraktion und in der Gemeinde. Denn im Dorf gibt es bereits eine Feuerwehrhalle. Zudem stehen zahlreiche Gebäude in Lichtenberg leer, Wohnbaukubatur gäbe es demnach genug. Der Widerstand gegen das Vorhaben ist in den vergangenen Wochen angewachsen: “Immer mehr Menschen wird bewusst, dass es sich hier um ein besonderes und erhaltenswertes Ensemble mit hohem ökologischen und landschaftlichen Wert handelt, das nicht zerstört werden sollte”, ist man bei der Umweltschutzgruppe Vinschgau überzeugt. “Zudem”, so die Mitglieder der Grupep weiter, “bietet dieses Ensemble einen wichtigen Bannstreifen zwischen den immer näher heranrückenden intensiven Obstkulturen und den bereits bestehenden Wohnhäusern entlang der Zufahrtsstraße von Lichtenberg”.

Das Palabirn-Ensemble in Lichtenberg, Gemeinde Prad am Stilfserjoch. Foto: Umweltschutzgruppe Vinschgau

Genügend Gründe also, die Palabirn-Bäume nicht zu schlägern. Das sieht man auch im “Organisationskomitee Palabir” so. Bereits vor einigen Tagen wandte sich das Komitee mit einem offenen Brief an die Gemeindeverwaltung von Prad. Ein weiterer folgt am heutigen Freitag, 20. November. Diesen hat die Umweltschutzgruppe Vinschgau verfasst, denn man ist überzeugt, “dass es sicherlich möglich ist, Alternativen für die Bauvorhaben zu finden”. Dem Prader Bürgermeister Karl Bernhart scheinen allerdings die Hände gebunden. Der neue Bürgerlisten-Regent (Gemeinsam für Prad) betonte bereits mehrmals, dass es die Vorgänger-Regierung gewesen sei, die alles in die Wege geleitet habe, “wir können nichts mehr machen”. Doch damit wollen sich die Umweltschützer und ihre Unterstützer in Lichtenberg nicht abfinden. Sie hoffen auf die Gemeinderatssitzung am kommenden Dienstag und appellieren an die Gemeinderäte:

Schützt das einmalige Lichtenberger Palabirn-Ensemble!

In der Gemeinde Prad am Stilfserjoch ist das einmalige Ensemble der Palabirn-Wiese durch die Ausweisung einer neuen Wohnbauzone und dem Bau einer neuen Feuerwehrhalle in Lichtenberg gefährdet.

Im Folgenden soll die herausragende Bedeutung dieser Streuobstwiese verdeutlicht werden: Die Gruppe von 11 Palabirnbäumen ist in dieser Konzentration und Güte absolut selten und stellt Südtirolweit eine Besonderheit dar.Durch die sich durchsetzende Niederstammwirtschaft werden Streuobstwiesen immer seltener. Es handelt sich hier um eine der letzten starken Birnbaum-Streuobstwiesen in ganz Südtirol

Die ökologische Bedeutung dieser Fläche ist daran zu erkennen, dass jeder einzelne dieser alten, starken Obstbäume mit tiefgehenden Rindenstrukturen, Astlöchern, vielfältiger Kronenausformung extrem viele Insekten, Kleinsäuger und diverse Vogelarten beherbergt. Es hat sich ein eigenes Mikroklima entwickelt, was durch Fällung beeinträchtigt würde. Die zusammenhängende Fläche kann als Trittsteinbiotop in der sich allmählich durchsetzenden flächendeckenden Niederstammwirtschaft betrachtet werden.

Die komplette Birnenbaumwiese hat für das Dorfbild von Lichtenberg eine prägende Funktion. Sie ist von einer seltenen Schönheit und bildet mit dem angrenzenden historischen Dorfkern und dem weiter oben liegenden Schloss Lichtenberg einen harmonischen Sichtkorridor, der auf keinen Fall durch Neubauten unterbrochen und beeinträchtigt werden sollte. Dieser Sichtkorridor ist auch von der Landesstraße aus wahrnehmbar. Die Palabirnenwiese betont und belebt diesen Dorfteil und bildet eine gewachsene Einheit mit den älteren für Lichtenberg typischen Gebäuden. Die hoch wachsenden Palabirnbäume schmücken zu jeder Jahreszeit das Dorf.

Die auf gut 200 Jahre geschätzten Bäume weisen keine Hinweise auf Fäulnisprozesse in der Stammbasis auf. Da die Lebenserwartung mit nochmals 300 Jahren hoch ist und die Entwicklungsfähigkeit aller Bäume sehr gut ist, werden alle Bäume als unbedingt schützenswert eingestuft. Bauliche Eingriffe jeglicher Art, auch im Baumumfeld, wie bereits durch das Ablagern von Auffüllmaterial geschehen, beeinträchtigen den Baumstandort. Im Umfeld einiger Bäume wurde bereits Auffüllmaterial abgelagert.

Die Fläche besitzt ein hohes Entwicklungspotential z. B. : Die Gestaltung der kompletten Fläche als Naturerlebniswiese oder als Erholungswiese. Die Einfriedung mit landschaftypischen Zäunen und die Haltung von Kleinvieh. Die naturnahe Gestaltung des nahegelegenen Kleingewässers mit standortgerechten begleitenden Gehölzen. Der Wiederaufbau des alten für die Gäste sehr interessanten Waales oder Teile davon. Nachdem die Bevölkerung eine Anbindung an den Vinschgauer Radweg wünscht, braucht Lichtenberg entsprechende Angebote und Attraktionen, damit die Radfahrer diese Anbindung auch nutzen.

Eine Palabirn-Erlebniswiese ist ohne Frage eine Besonderheit.Wie in Glurns zu beobachten ist, erfährt die für den Vinschgau einst so wichtige Birnensorte eine kleine Renaissance. Die Palabirne lässt sich sehr vielfältig verwenden: Tafelobst, Trockenobst, Fruchtsäfte, Schnäpse, Palabirnenbrot, Scheiterhaufen, zahlreiche kulinarische Besonderheiten.

Die politischen Mandatare von Prad am Stilfserjoch werden ersucht, diese Argumente in ihre Entscheidung mit einfließen zu lassen und dieses Kleinod auch zum Wohle des gesamten Dorfes zu bewahren. Für die angestrebten Bauvorhaben wird sich sicher eine sinnvolle Alternative finden lassen.

Mit freundlichen Grüßen
die Vorsitzende der Umweltschutzgruppe Vinschgau: Mag. Eva Prantl