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Die Gewerkschafts-Bombe

Das Bozner Verwaltungsgericht hat ein Urteil gefällt, das den ASGB und den Südtiroler Landtag in ernsthafte Schwierigkeiten bringt. Der Hintergrund.

Alda Dellantonio ist die Lebensgefährtin von Karl Zeller. Seit Februar 2015 ist die Meraner Juristin Richterin am Bozner Verwaltungsgericht. Ihre Ernennung durch den Ministerrat war durchaus umstritten und als direkter politischer Übergriff kritisiert worden.
Spätestens jetzt hat die neue Verwaltungsrichterin eindrucksvoll aber genau das Gegenteil bewiesen. Denn Alda Dellantonio ist Verfasserin eines Urteils, das nicht nur einen seit sieben Jahren schwelenden Südtiroler Gewerkschaftsstreit auf eine neue Ebene hebt, sondern vor allem den SVP-nahen ASGB und den Südtiroler Landtag arg in Bedrängnis führt.
Es ist ein Urteil, das in der Südtiroler Gewerkschaftswelt die Wirkung einer Bombe hat.

Der ASGB

Der Autonome Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) wurde 1964 in Meran gegründet. Er ist die Gewerkschaft der deutschsprachigen und ladinischsprachigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Südtirol. Als eigenständige und unabhängige Gewerkschaftsorganisation vertritt der ASGB – laut Eigendefinition - die Interessen und Rechte dieser beiden Volksgruppen in wirtschaftlicher, sozialpolitischer und kultureller Hinsicht.

Auf der ASGB-Homepage heißt es:

„Der ASGB ist durch Abspaltung vom gesamtstaatlichen italienischen Gewerkschaftsbund CISL (Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori) aus der Notwendigkeit heraus entstanden, der deutsch- und ladinischsprachigen Arbeiterschaft in Südtirol eine angemessene Vertretung zu sichern, da deren Interessen innerhalb der italienischen Gewerkschaftsbünde kaum Berücksichtigung fanden. Daher wird der ASGB auch zu den so genannten ethnischen Gewerkschaften oder Minderheitengewerkschaften gezählt.“

Seit seiner Gründung kämpfte der ASGB um die rechtliche Gleichstellung mit den gesamtstaatlichen Gewerkschaftsbünden auf lokaler Ebene. Im Jänner 1978 wird der ASGB dann per Durchführungsbestimmung den konföderierten Gewerkschaften gleichgestellt. Er sitzt damit nicht nur an allen Verhandlungstischen, sondern kann auch Patronatstätigkeit entfalten und alle rechtlichen Vorzüge der nationalen Gewerkschaftsbünde genießen.

Der Streit

Diese Gleichstellung ist den nationalen Gewerkschaftsbünden ein Dorn im Auge.
Der ASGB schreibt dazu:

„Bis heute allerdings dauern die Angriffe auf institutioneller Ebene seitens des SGBCISL (dem provinzialen Verband des nationalen Gewerkschaftsbundes CISL) gegenüber dem ASGB an, mit dem Ziel, diesem die Gleichstellung zu entziehen.“

Dabei verschwiegt man, dass der ASGB seit 1978 eine Art Sonderstellung einnimmt. Während die „Repräsentativität“ der nationalen Gewerkschaftsbünde periodisch überprüft wird, bewegt sich der ASGB als eine Minderheiten-Gewerkschaft in einer Art rechtsfreiem Raum.
In der Durchführungsbestimmung von 1978 steht:

„La maggiore rappresentativita' della confederazione di cui al primo comma e' accertata dal consiglio provinciale. Il relativo provvedimento e' impugnabile dinanzi alla sezione autonoma di Bolzano del tribunale amministrativo regionale.“

Demnach müsste der Landtag periodisch überprüfen, ob der ASGB die Kriterien der „repräsentativsten Gewerkschaftsorganisation“ erfüllt. Genau das tut er aber nicht.
Denn am 20. Mai 2008 stellt der Südtiroler SGB/Cisl eine Anfrage an den damaligen Landtagspräsidenten genau in diesem Sinne. Gleichzeitig reichen zwei Landtagsabgeordnete einen Beschlussantrag mit demselben Inhalt ein. Das Kollegium der Fraktionssprecher beschließt, nur den Beschlussantrag zu behandeln. Am 11. Juni 2008 wird in der Aula des Landtags der Beschlussantrag mehrheitlich abgelehnt. Konkret: Es brauche diese Überprüfung nicht.

Das Problem

Der Hintergrund der Polemik ist einfach. Laut Gesetz ist der ASGB eine Minderheitengewerkschaft der Deutschen und Ladiner. Demnach hat die Gewerkschaft nur deshalb einen Sonderstatuts. Doch der ASGB hat seit vielen Jahre auch italienische Mitglieder oder Ausländer, die in den Bund eingeschrieben sind. Damit aber – so die einhellige Meinung aller Gewerkschafts-Experten – muss die Südtiroler Gewerkschaft den Status der „repräsentativsten Gewerkschaftsorganisation“ verlieren. Weil er nicht mehr jene Kriterien erfüllt, die ihm diesen Statuts zuerkannt haben.

Bozen-Rom und retour

Der SGB/Cisl zieht nach der Ablehnung seines Antrags durch den Landtag vor das Bozner Verwaltungsgericht. Dieses weist den Rekurs als unverfolgbar ab. Die Begründung: Bei der Ablehnung durch den Landtag handle es sich um eine politische Entscheidung.
Zwei Jahre später hakt der SGB/Cisl erneut nach. Am 18. Juni 2010 fordert er den Landtag auf, dem ASGB den Statuts der „repräsentativsten Gewerkschaftsorganisation“ zu entziehen. Wieder tut der Landtag nichts und wiederum zieht die Gewerkschaft vor das Verwaltungsgericht.
Auch diesmal weist man in der Bozner Gerstburg den Rekurs zurück. Im Urteil spricht man dem SGB/Cisl als nicht direkt Betroffen überhaupt das Klagerecht in dieser Sache ab. Doch der Kläger geht in Berufung. Der ASGB – vertreten von SVP-Parlamentarier und Anwalt Manfred Schullian - lässt sich in dieses Verfahren ebenfalls ein, indem er die Zuständigkeit des Staatsrates in Frage stellt.
Der Staatsrat mit Berichterstatter Bernhard Lageder nimmt mit Urteil 5701/2011, hinterlegt am 25. Oktober 2011, aber den SGB/Cisl-Rekurs an und annulliert das Urteil des Bozner Verwaltungsgerichts. Die Causa wird nach Bozen zurückgeschickt und der Staatsrat verfügt, dass sie per Schiedsspruch durch das Verwaltungsgericht entschieden werden muss.
Der ASGB reicht gegen dieses Urteil des Staatsrates Beschwerde beim Kassationsgericht ein. Aber auch dieser Rekurs wird abgewiesen.

Der Schiedsspruch

Der Schiedsspruch am Verwaltungsgericht ist ein Sonderverfahren. Hier gilt keine Mehrheitsentscheidung im Richtersenat, sondern alle vier Richter müssen einer Meinung sein. Das ist jetzt passiert.
Die Richter Terenzio Del Gaudio als Präsident, Peter Michaeler, Edith Engl und Alda Dellantonio haben den Rekurs des SGB/Cisl angenommen. In dem von Dellantonio verfassten Schiedsspruch, wird die Abweisung des SGB/Cisl-Antrages durch den Landtag als unrechtmäßig erklärt. Der ASGB und der Landtag werden nicht nur zu den Verfahrenskosten verurteilt, sondern der Landtag muss laut Verwaltungsgericht die geforderte Überprüfung des ASGB innerhalb einer bestimmten Zeit durchführen.


Der Schiedsspruch: Probleme bei der Umsetzbarkeit.

Die Umsetzbarkeit

Genau hier aber beginnt ein größeres Problem. Obwohl es unbestritten ist, dass der ASGB unzählige Mitglieder hat, die nicht Deutsche oder Ladiner sind, wird die Umsetzbarkeit des Schiedsspruches mehr als schwierig.
Denn wie soll man die ethnische Zugehörigkeit der Mitglieder erheben? Der ASGB kann von seinen Mitgliedern nicht die Sprachgruppenzugehörigkeit verlangen. Vor allem aber gehört diese Angabe zu den sensiblen Daten einer Person. Sie darf damit auch dem Landtag nicht ausgehändigt werden.
Die Umsetzung ist fast unmöglich“, sagen selbst die größten Kritiker des ASGB. Klar ist: Der Landtag wird in den nächsten Monaten eine politische Entscheidung fällen müssen, wie man den Schiedsspruch umsetzt.
Vor allem aber könnte es für den SVP-nahen ASGB jetzt ernst werden. Verliert die Gewerkschaft nämlich den Status der „repräsentativsten Gewerkschaftsorganisation“, dann wird es finanziell und gewerkschaftspolitisch eng für Tony Tschenett & Co.

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Alberto Stenico Sa., 23.05.2015 - 07:39

Non sarebbe finalmente il momento di regolare i rapporti tra i Sindacati (e tra Sindacati e Pubbliche Amministrazioni) fuori dai Tribunali? Una convenzione tra i sindacati locali per le "pari opportunità" tra tutti, sostenuta dalla libera Scelta dei lavoratori?

Sa., 23.05.2015 - 07:39 Permalink