Chronik | Verfass.reform

Renzis Pseudoreform der Referendumsrechte

Die Verfassungsreform der Regierung Renzi biegt schon in die Zielgerade. Neben Senatsumbau und gestutzten Kompetenzen der Regionen geht es darin am Rande
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auch um Änderungen der Referendumsrechte. Hat Renzi vor, die Kontrollrechte der Bürger zu stärken, was zum Ausgleich des neuen Wahlrechts durchaus notwendig wäre?

Eine echte Reform der Rechte auf direkte Beteiligung ist in Italien überfällig. Initiative und Referendum, Verfahrensweisen, Quorum – fast alles wäre neu zu fassen, um eine bürgerfreundliche und wirksame Beteiligung an der Politik von unten zu ermöglichen. Zwar sind seit 40 Jahren immer wieder Referenden lanciert worden, aber nur abrogative, eine eher zweitrangige Form der Volksabstimmung. Zwischen 1997 und 20009 sind alle Referenden am Quorum gescheitert, Millionen Italiener haben ihr Vertrauen in dieses Instrument verloren. Ein umfassendes Volksbegehren (www.quorumzeropiudemocrazia.it) liegt seit Sommer 2012 dem Parlament vor, das diese Rechte auf den Stand einer modernen Demokratie bringen würde.

Allein, an Renzi und seinem PD scheinen solche Vorstöße spurlos vorüber zu gehen. Die Unterschriftenhürde für ein abrogatives Referendum wird von 500.000 auf 800.000 geschraubt. Im Gegenzug  könnte man sich den überfälligen Verzicht auf das Quorum erwarten. Schwer getäuscht: es wird nur leicht heruntergeschraubt, nämlich von 50% der Wählerschaft insgesamt auf 50% jener Wähler, die sich an den letzten Parlamentswahlen beteiligt haben. Ein schwacher Trost. Nach 400.000 gesammelten Unterschriften prüft künftig das Verfassungsgericht die Zulässigkeit eines Referendumsantrags. Sehr großzügig von Renzi, der anscheinend noch nie versucht hat, 400.000 beglaubigte Unterschriften auf der Straße zu sammeln.

Auch beim Volksbegehren bzw. der Volksinitiative nur Pseudoreform. Künftig sollen statt bisher 50.000 nun 250.000 Wahlberechtigte eine solche Vorlage unterzeichnen müssen, um sie dem Parlament vorlegen zu dürfen. Im Gegenzug gibt es eine „Verpflichtung“ des Parlament, diese zu behandeln. Da aber bei Untätigkeit der Gewählten keine Sanktionen vorgesehen sind geschweige denn irgendeine Öffnung hin zu einer echten Volksinitiative mit Volksabstimmung erfolgt, bleibt alles beim Alten, aber eben 200.000 Unterschriften mehr. Dabei sind heute schon 87% dieser Volksbegehren sang- und klanglos im Parlamentsschubladen verstaubt, wie eben „quorumzero“.

Die Abkehr vom perfekten Zweikammersystem mag für Italien der richtige Weg sein und auch eine regierungsfähige Mehrheiten, die stabile Regierungen wählt, braucht das Land. Doch gerade zum Ausgleich eines auch künftig stark auf Mehrheitsbildung ausgerichteten Wahlrechts (Italicum) und der entfallenden Kontrolle eines von einer Partei beherrschten Parlaments braucht es mehr Kontrollrechte des Bürgers, z.B. das echte bestätigende Referendum (für Verfassungsreformen erforderlich, nicht für Normalgesetze). In dieser Hinsicht scheint der PD immer noch einer alten, elitären Politikkultur verpflichtet.