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Brixen braucht neue Regeln für Bürgerbeteiligung

Die Volksabstimmung vom 21. September hat eine Reihe von Schwachpunkten in Brixens Regeln zur Bürgerbeteiligung erkennen lassen. Wofür ein Zustimmungsquorum?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Die Entscheidung selbst hat das von der Mehrheit favorisierte Projekt gekippt, aber der konkrete, mehrheitsfähige Gegenvorschlag ist nicht zum Ausdruck gekommen. Jetzt schimpfen manche auf die direkte Demokratie oder wollen sie gar einschränken (vgl. die SWZ), wirklich gefragt sind allerdings zweckgerechte Verfahren und bessere Regeln.

Bei strittigen Fragen der Stadtentwicklung und Infrastrukturprojekten werden immer mehr deliberative Verfahren eingesetzt, also Verfahren, die zu keiner Entscheidung führen, sondern die Bürger systematisch in die Entscheidungsvorbereitung einbeziehen. Dies beginnt mit öffentlichen Anhörungen (istruttoria pubblica, in Bozens Satzung vorhanden), über die öffentliche Debatte bis hin zu repräsentativen Bürgerbefragungen und dem sog. Bürgergutachten. Bei diesem in Deutschland gut 30 Mal bei kommunalen Planungsvorhaben erfolgreich eingesetzten Verfahren werden 25 Bürger nach Zufallsverfahren ausgewählt, für eine Woche freigestellt, um mit Unterstützung von Fachleuten Lösungsvorschläge zu erarbeiten (Näheres dazu in einer neuen POLITiS-Publikation).

In der Regel werden solche Projekte vom Gemeindeausschuss erstellt und vom Gemeinderat diskutiert. Will die Bürgerschaft selbst über Derartiges entscheiden, braucht sie beide zentralen Instrumente direkter Demokratie: das Vetorecht (Referendum) und das Vorschlagsrecht (Initiative). In beiden Fällen kann über Gegenvorschläge gleichzeitig abgestimmt werden. Beim bestätigenden Referendum können die Promotoren einen „Gegenvorschlag der Bürger“ einbringen (vgl. das Statut der Stadt Zürich). Bei der Volksinitiative kann der Gemeinderat mehrheitlich einen Gegenvorschlag einbringen. In der Regel sollte die Initiative den Bürgern vorbehalten sein, denn der Gemeinderat hat andere Mittel. Die Gemeinde Mals hat beide Instrumente in ihrem Statut verankert (Art.40, Abs.5).

In Brixen war die Situation unklar. Die Gemeinderatsmehrheit stellte ihr Projekt (Überspannseilbahn) zur Abstimmung, brachte selbst den Alternativvorschlag (Ausbau der Busverbindung) ein, um die Überspann-Gegner auseinanderzudividieren. Das war keine faire Vorgangsweise, zumal vorher eine echte Volksinitiative wegen terminologischer Probleme vereitelt worden war. Eine Initiative des Gemeinderats sollte die absolute Ausnahme sein, jene der Bürgerinnen hingegen erleichtert werden. Die Bürger brauchen das bestätigende Referendum, um Projekte verhindern zu können, gekoppelt mit einem Gegenvorschlag, den die Promotoren selbst vorlegen können sollen. Wenn die Volksrechte bürgerfreundlich geregelt sind, wird die politische Mehrheit im Vorfeld mehr auf den Konsens für ihre Großvorhaben und Projekte achten, wissend, dass die Gegner das Referendum ergreifen können.

Diese Verfahren gehören in einer modernen kommunalen Demokratie besser geregelt als in Brixen heute. Ein Zustimmungsquorum ist ein verdecktes Beteiligungsquorum: unnötig, denn entscheiden soll können, wer hingeht, wem die Sache am Herzen liegt. 11 Südtiroler Gemeinden haben das Quorum bereits ganz abgeschafft. Auch die Briefwahl und die Unterschriftensammlung ohne Beglaubigung durch Amtspersonen – diese ist kein Muss -erleichtern die Handhabung der Volksrechte. Neun Prozent Unterschriftenhürde ist zu hoch. Ganz wichtig die korrekte Information, die in Brixen nicht gegeben war. Korrekteres Verhalten privater Medien kann zwar nicht vorgeschrieben werden, aber die Gemeinde kann mit einem Info-Heft allen Wählern eine neutrale Grundinformation als Gegengewicht zu interessengesteuerter Beeinflussung durch mächtige Medien setzen. Die Bürgerbeteiligung ist somit in der Brixner Satzung und der diesbezüglichen Verordnung verbesserungsbedürftig. Ein mutiger, aber gut durchdachter Ausbau tut not.

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gorgias Mi., 22.10.2014 - 18:02

Der Artikel ist rundum gelungen und möchte ihn zustimmen bis auf der Polemik, dass ein Zustimmungsquorum ein verstecktes Beteiligungsquorum ist. Ein Zustimmungsquorum lapidar abwinken indem man sagt wer hingeht entscheidet ist ein schwaches Argument, es muss nicht sein dass man genötigt sein muss sich mit jedem Thema auseinander zu setzen, das sich unter einer bestimmten Wahrnehmungsschwelle befindet. Ein fehlendes Zustimmungsquorum kann zudem den deliberativen Prozess hemmen indem man den Weg der asymetrischen Demobilisierung eingeht weil es eine Gruppe gibt die direkt davon Profitiert und die Allgemeinheit den Schaden trägt und der einzelne wenig Motivation hat dagegen zu stimmen.
Im Prinzip bin ich auch nicht gegen ein Beteiligungsquorum. Finde aber dass es den Schönheitsfehler hat dass es zum Strategischen Nichtwählen führen kann so wie in Italien mit den abschaffenden Referenden es nun die Regel ist. Dieses Problem hat das Zustimmungsquorum nicht und deswegen befürworte ich es auch.

Mi., 22.10.2014 - 18:02 Permalink
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Franz Linter Fr., 24.10.2014 - 16:12

Antwort auf von gorgias

Ein Quorum bestimmt ab wann eine Abstimmung gültig ist. Ohne weitere Bestimmungen bedeutet ein Zustimmungsquorum, dass man nur gültig zustimmen kann; wird die Zustimmung nicht erreicht, gilt die Abstimmung als ungültig. Man möge sich das mal bei Fragestellungen wie "Soll der Flugplatz erweitert werden?" vorstellen.

Brixen ist die einzige Gemeinde in Südtirol, die ein Zustimmungsquorum hat, sie hat aber zur Gültigkeit der Volksabstimmung genau einen Absatz in der Satzung "Das Ergebnis der Volksabstimmung bindet die Gemeindeverwaltung und Gemeinderat", der auch eine Ablehnung (=keine Zustimmung) ermöglicht, aber keinen Spielraum für die Gemeindeverwaltung offen lässt. Eine mögliche andere Interpretation ist wie oben: ohne Zustimmung keine Gültigkeit.

Die Aussage im Schreiben an alle Wahlberechtigten, dass die Volksabstimmung nur bindend gültig ist, wenn mindestens eine der 3 Optionen Stimmen von mehr als 25 % der Wahlberechtigten erhält, steht unabhängig von der Interpretation (was ist Ergebnis?) im Widerspruch zu Satzung und Verordnung von 2011.

Ich wünsche mir, dass die Brixner Gemeinderäte, vor allem aber die 20, welche die Fragestellung ermöglichten, sich in der ihnen verbleibenden Zeit an die Arbeit machen und ein neues Reglement erarbeiten. Dabei sollen die 3 Säulen der Demokratie (parlamentarische, direkte und deliberative Demokratie) gleich wichtig vertreten sein und von einander profitieren, wie von der 1. Gesetzesgebungskommission im Rahmen der aktuell laufenden Veranstaltungen angeregt.

Fr., 24.10.2014 - 16:12 Permalink
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Thomas Benedikter So., 26.10.2014 - 22:10

Das Zustimmungsquorum ist tatsächlich eine Art Beteiligungsquorum, lieber Gorgias. Es müssen sich ja 25% beteiligen, sonst gibt's kein Ergebnis. Jede Abstimmung müsste mit einem Informationsheft jedem Haushalt mitgeteilt werden, "Unterhalb" der Wahrnehmungsschwelle" gibt's dann nicht mehr.
"Asymmetrische Demobilisierung" verstehe ich nicht. Wem die Lösung einer Sachfrage ein Anliegen ist, geht hin und stimmt mit. Wenn jemand zuwenig motiviert ist, dagegen zu stimmen, überlässt er die Entscheidung anderen.
Das Zustimmungsquorum hilgt nicht aus dem Dilemma der manipulierbaren Beteiligung bei Quoren. Was passiert, wenn 24,9% dafür sind und niemand dagegen, sich aber 75,1% enthalten (zuhause bleiben)?
Richtig, Franz Linter, ohne Erreichung des Zustimmungsquorums keine Gültigkeit, besser gesagt: status quo ante. Ein Antrag der Bürger hat im "Plenum der Wähler" nicht die erforderliche Zustimmung erhalten.
Hier gibt es keinen Widerspruch zur Satzung. Wenn nicht 25% der Wähler zustimmen, gibt's kein Ergebnis, das gültig sein könnte.
Die Volksabstimmung ist in der Brixner Satzung zwar originell geregelt und in der Verordnung hierzu im Detail durchdacht, aber doch nicht vollständig und auch nicht bürgerfreundlich geregelt. Das lässt sich aus der Erfahrung vom 21.9.2014 und aus dem Vergleich mit anderen Gemeinden, die weiter sind, lernen und hoffentlich im Konsens im Gemeinderat ändern.

So., 26.10.2014 - 22:10 Permalink
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gorgias Mo., 27.10.2014 - 00:13

Antwort auf von Thomas Benedikter

>Das Zustimmungsquorum ist tatsächlich eine Art Beteiligungsquorum,<
Ich habe auch nicht das Gegenteil behauptet. Wo ich den großen Unterschied sehe zwischen Beteiligungsquorum und Zustimmungsquorum sieht man im letzten Absatz meines vorhergehenden Beitrages. Das Zustimmungsquorum als "verstecktes Beteiligungsquorum" zu bezeichnen um es fast schon als etwas anrüchiges darstellen zu wollen ist polemisch.

>Jede Abstimmung müsste mit einem Informationsheft jedem Haushalt mitgeteilt werden, "Unterhalb" der Wahrnehmungsschwelle" gibt's dann nicht mehr. <
Ob das schon durch das Informationsheft gegeben ist sei dahingestellt. Als Garant kann nur eine Zustimmungs- oder Beteiligungsquorum gelten.

>"Asymmetrische Demobilisierung" verstehe ich nicht. <
Wenn man sich nicht für die eigene Position offen einsetzt weil man davon ausgeht, dass dadurch mehr Leute mit der entgegengestzten Ansicht zu Hause bleiben als jene Position die man vertritt.

>Wem die Lösung einer Sachfrage ein Anliegen ist, geht hin und stimmt mit.<
Das ist doch wohl blankes Wunschdenken. Sieht man am besten in Italien wo man gesehen hat, dass wenn man dagegen ist am besten nicht Wählen geht, damit das Zustimmungsquorum nicht erreicht wird.

>Wenn jemand zuwenig motiviert ist, dagegen zu stimmen, überlässt er die Entscheidung anderen.<

Diese Ansicht wird nicht von jenen getragen die sich für ein funktionierendes politisches System einsetzen, sondern von jenen für die die direkte Demokratie zur Glaubenssache geworden ist.

Nebenbei geht das an der Realität der direkten Demokratie vorbei. Die Möglichkeiten der direkten Demokratie werden hauptsächlich von bildungsnahen Bevölkerungsschichten wahrgenommen. Bildungsferne Bevölkerungsschichten bleiben tendenziell zu Hause auch wenn es direkt im ihrem Interesse wäre zur Wahl zu gehen. Dies wird von Silvano Möckli in seinem Werk "Direkte Demokratie" vertreten. Das Paradebeispiel dafür habe ich dann später beim Volksentscheid in Hamburg für die Gesamtschule mitverfolgen können: http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/volksentscheid-hamburger-schm…
Das ist für mich kein Beispiel eines funktionierenden Systems. Ich finde die Initiative für mehr Demokratie argumentiert bis zu einem gewissen Punkt sauberer als Ihre Gegner, jedoch prallen kritische Einwände ab und hinterlassen keine Spuren. Ein paar ihrer Mitglieder der Initiative treten wie Zeloten oder Apologeten für diese zur Ersatzrelgion verkommenen Sache ein.

Mo., 27.10.2014 - 00:13 Permalink
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Franz Linter Mo., 27.10.2014 - 00:19

Antwort auf von Thomas Benedikter

Ich finde die Satzung der Gemeinde Brixen und die Verordnung zur Direkten Demokratie nicht orginell, sondern eine Zumutung und versuche dies anhand der Wahlergebnisse vom 21.09.2014 (Wahlberechtigte: 17.060, 25% davon: 4265, gültige Stimmen: 9.893 (57,99%), für die Seilbahn am Bahnhof: 4.260 (24,97%), für die verbesserte Busverbindung: 5010, für den Status quo: 623) zu belegen.
Statt der Fragestellung mit den Alternativen betrachten wir die ursprüngliche, vom BM und seiner Partei favorisierte Fragestellung: "Sind Sie für eine Seilbahnverbindung mit Talstation am Bahnhof? Ja/Nein".
Fall 1: Ja-Stimmen: 4.260, Nein-Stimmen: 623 (3,65%)
Fall 2: Ja-Stimmen: 4,260, Nein-Stimmen: 5010 (29,37%)
Fall 3: Ja-Stimmen: 4.260, Nein-Stimmen: 5633 (33,02%)
Für alle 3 Fälle gilt: die Zustimmung wäre nicht erreicht worden. Die Abstimmung ungültig oder Status quo ante. Also gleich wie vor der Abstimmung? Nicht ganz, denn einen neuen Anlauf zur nächsten Volksabstimmung mit gleichem Sachverhalt hätte man frühestens in 3 Jahren wieder starten können. Hätte die Seilbahn dennoch gebaut werden können? Nach dieser Interpretation ja und zwar in allen 3 Fällen. Eine Volksabstimmung mit Ja/Nein-Fragstellung, bei der nur die Ja-Stimmen zählen und das Nein beliebig ignoriert werden kann!
Das sind Regelungen, die Wutbürger produzieren. Sind sie überhaupt vermittelbar? Wenn ja, wieviele würden dann zukünftig wählen gehen? Die daraus resultierende Wahlenthaltung würde gültige Volksabstimmungen noch unwahrscheinlicher werden lassen. Nicht umsonst findet man praktisch keine Beispiele von erfolgreichen Volksabstimmungen mit Zustimmungsquorum. Ein Regelwerk der Direkten Demokratie zur Abschaffung der Direkten Demokratie!
Ich habe die Hoffnung, dass das 2011 nicht so gewollt war, ich vertraue auf Art 46-10 der Satzung, der vom Ergebnis und nicht von Zustimmung spricht. Ich bin froh dass der Fall nicht eingetreten ist und erwarte, dass die Satzung und Verordnung verbessert wird, bevor sie nochmal zur Anwendung kommt. Mir wäre auch recht, wenn das zukünftige Regelwerk sich mit den Satzungen von Mals oder Kurtatsch messen kann und nicht wie das jetzige als abschreckendes Beispiel dargestellt wird.

Mo., 27.10.2014 - 00:19 Permalink
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gorgias Mo., 27.10.2014 - 06:54

Antwort auf von Franz Linter

Davon abgesehen, dass ich mich für ein Zustimmungsquorum ( um die 25% ) ausspreche, sehe ich für Brixen auch diese Probleme. Natürlich sollte die Nein-Entscheidung bei Erreichen eines Quorums gleich bindend sein wie das Ja ( oder die veränderten Entscheidungen). Ich kann kein Argument sehen, das für das sprechen sollte.
Wo es dann noch Probleme geben kann, ist wenn mehr als 2 Wahlmöglichkeiten vorhanden sind, wie bei der letzten Abstimmung in Brixen. Würden alle drei Optionen 24% Zustimmung erreichen würde bei einer Wahlbeteiligung von über 70% kein bindendes Ergebnis entstehen.
Ein Möglichkeit, die dieses Problem lösen könnte ist ein Präferenzial oder Rangfolgewahlsystem. Dieses wird zwar für Direktwahlen in Wahlkreisen bei einem Mehrheitssystem vorgesehen, macht aber in diesem Fall auch seinen Dienst. Dieses sieht vor dass man neben seiner bevorzugten Wahl auch eine Rangfolge angeben kann. So wäre es Möglich dass in Brixen jene die gegen die Seilbahn waren und sich zwischen den Optionen Alles bleibt wie es ist und Ausbau der Buslinie sich für die jeweilige andere Option entscheiden. Hätte dann in Brixen keine Option das Zustimmungsquorum erreicht so hätte man die Alternative mit am wenigesten Stimmen hatte entferntund die Stimmen für die 2. Wahl würden zur Geltung gekommen.

https://www.youtube.com/watch?v=3Y3jE3B8HsE&list=PLqs5ohhass_QZtSkX06Dm…

Mo., 27.10.2014 - 06:54 Permalink
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Franz Linter Mo., 27.10.2014 - 21:32

Antwort auf von gorgias

Ich würde das Liebäugeln mit dem Zustimmungsquorum noch mal überdenken. Alle aufgezeigten Probleme entstehen mit dem Zustimmungsquorum. Der einzige Vorteil des Zustimmungsquorums ist der, dass man mit einem viel niederen Quorum eine ähnliche Wirkung wie beim Beteiligungsquorum erzielen kann und so nach außen sich als Freund der DD darstellen kann, ohne es zu sein.

"Natürlich sollte die Nein-Entscheidung bei Erreichen eines Quorums gleich bindend sein wie das Ja..." Es ist das namensgebende Merkmal des Zustimmungsquorums, dass ohne weitere Regelung die Neinstimmen ignoriert werden. In Brixen steht in der Satzung Art 46-10 "Das Ergebnis der Volksabstimmung bindet die Gemeindeverwaltung und den Gemeinderat". Die lässt offensichtlich einen Interpretationsspielraum offen. Würde der Satz folgendermaßen lauten: "Das Ergebnis der Volksabstimmung ist unabhängig von Wahlbeteiligung und Wahlausgang gültig und bindet die Gemeindeverwaltung und den Gemeinderat", wäre kein Interpretationsspielraum mehr und das "Nein" wäre genau so bindend. So müssten wohl bei einem entsprechenden Wahlausgang die Gerichte entscheiden.

"Präferenzial oder Rangfolgewahlsystem" kenne ich nur aus der Literatur. Für nicht englisch Sprechende eine trockenere Einfühung bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Instant-Runoff-Voting
Für mich hat es 2 große Nachteile, es ist kompliziert, deshalb nicht durchschaubar und verletzt das Monotoniekriterium und könnte deshalb wohl in Deutschland nicht zum Einsatz kommen.

Wir beginnen erst mit der Direkten Demokratie, würgen wir sie nicht ab mit ungenauen, ungerechten oder komplizierten Regelungen. Für den Anfang ist ein moderates Beteiligungsquorum, als eine Art Stützräder beim Fahrradfahren lernen vielleicht sinnvoll, wer aber zu lange damit fährt ...
Ich habe immer gedacht, ein Südtiroler tut härter leichter.

Mo., 27.10.2014 - 21:32 Permalink
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Waltraud Astner Mo., 27.10.2014 - 09:19

Bin der Meinung, dass es bei direktdemokratischen Entscheidungen durch die Bürger auf jeden Fall eines Beteiligungsquorums bedarf. Ich muss nämlich das Recht haben eine Entscheidung, die an mich herangetragen wird auch an die gewählten Volksvertreter zurückgeben. Das kann mehrere Gründe haben, z.B. wenn ich nicht in der Lage bin die Sache objektiv einzuschätzen oder wenn es nur bestimmte Interessensgruppen betrifft und anderes mehr. Ich möchte nicht dass die Entscheidung nur denen vorbehalten bleibt die abstimmen, wenn ich das Anliegen bei den Volksvertretern besser aufgehoben weiß. Nachdem die direkte Demokratie nur eine ergänzende und nicht die vorherrschende Form der Meinungsfindung ist, ist dies mehr als legitim. Wenn ich jedoch die Entscheidungen denen überlassen möchte die hingehen, gehe ich auch selbst hin und wähle weiß. Wenn ein bestimmter Prozentsatz nicht zum Referendum geht, ist dies ein Auftrag an die gewählten Volksvertreter sich nochmals mit der Sache zu befassen. Eine Ausnahme ist natürlich die Wahl der Volksvertreter direkt z.B. bei Landtags- oder Gemeindewahlen, die natürlich ohne Quorum gültig sind, wenn diese aber erst einmal eingesetzt sind, haben sie das Volk zu vertreten und Entscheidungen zu treffen. Will das Volk korrigierend einwirken kann ein selbstverwaltetes Referendum gestartet werden, mit Beteiligungsquorum.

Mo., 27.10.2014 - 09:19 Permalink
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Franz Linter Mo., 27.10.2014 - 18:45

Antwort auf von Waltraud Astner

Es ist völlig legitim die parlamentarische Demokratie als völlig ausreichend zu empfinden und an der direkten Demokratie nicht teilzunehmen. Ich verstehe allerdings nicht, womit unsere Volksvertreter das verdient haben.

"Ich möchte nicht dass die Entscheidung nur denen vorbehalten bleibt die abstimmen..." Nur wer abstimmt entscheidet mit, das gilt unabhängig ob ohne Quorum oder mit Beteiligungs- oder Zustimmungsquorum. Wer zu Hause bleibt, weiß oder ungültig abstimmt, nimmt an der Entscheidung nicht teil.

In Brixen ging diese Volksabstimmung nicht von einer Bürgerinitiative, sondern von unseren Vertretern im Gemeinderat aus. Sicher, weil die Seilbahn vom Bahnhof aus im Gemeinderat selbst nicht die nötigen Mehrheit erreicht hätte und spätestens dann auf der Strecke geblieben wäre, wenn unangenehme Entscheidungen anstünden. So ganz nebenbei hätte eine Zustimmung für die Seilbahn den nächsten Gemeinderat mit möglicherweise anderer Zusammensetzung an das Projekt gebunden. Das geschieht jetzt auch, allerdings nicht mit dem von den Promotoren vorgesehenen Projekt.

Ich finde, statt die Verantwortung für die Entscheidungen wie eine heiße Kartoffel hin und her zuschieben, wäre es vernünftiger im Gemeinderat den Konsens zu suchen oder rechtzeitig die Bürger beteiligen. Zwar hätte man sich dann vermutlich von der EINZIG WAHREN Lösung trennen müssen, es wäre aber ohne Blessuren abgegangen und man müsste jetzt nicht krampfhaft Rückzugsgefechte führen.

Mo., 27.10.2014 - 18:45 Permalink
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Thomas Benedikter Mo., 27.10.2014 - 17:47

Danke für die Kommentare, schön, dass sich in Brixen eine Diskussion zur Reform der Regeln für die Bürgerbeteiligung anbahnt. Doch gibt es allein schon in der Bestimmung der Probleme und in der Bewertung bestehender Regeln einige Missverständnisse, die wir in der Diskussion ausräumen sollten. Ich schlage vor, einige beherzte Brixner organisieren dazu ein kleines Treffen vor Ort. Ich stehe gerne zur Verfügung. Aktuelle hilfreiche Lektüre dazu: der soeben erschienene Band "Die Gemeindepolitik mitgestalten" bei www.politis.it

Mo., 27.10.2014 - 17:47 Permalink
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Waltraud Astner Di., 28.10.2014 - 01:11

Es macht sehr wohl einen Unterschied aus, ob ich an einem Referendum nicht teilnehme oder ob ich weiß wähle. Wenn ich nämlich zuhause bleibe und ein übestimmter Prozentsatz der Bevölkerung macht dies ebenso, so bedeutet dies dass ich die Herausforderung nicht annehme und die Entscheidung den gewählte Volksvertretern überlassen möchte. Es kann doch nicht sein, dass ich deren Arbeit tun muss, wenn ich mich dazu nicht in der Lage fühle und dies aber auch den anderen Abstimmenden nicht zutraue und die Entscheidung bei den Volksvertretern besser aufgehoben weiß. Wenn ich mich hingegen am Referendum beteilige und weiß wähle, so bedeutet dies, dass ich grundsätzlich dafür bin, wenn das Volk entscheidet und ich durch meine Teilnahme auch zum Beteiligungsquorum beitrage, aber die Entscheidung den anderen Abstimmenden überlasse. Wird es erreicht (die Höhe ist noch festzulegen), bedeutet dies, dass das Volk Entscheidungen treffen möchte. Kurz gesagt, das Beteiligungsquorum bewirkt, dass nicht nur jene bestimmen, die sich für die eine oder andere Option entscheiden, sondern dass auch ggf. keine Entscheidung getroffen wird und die Volksvertreter wieder am Zug sind.
Ein anderer Aspekt sei nicht unerwähnt. Bei den wichtigen Entscheidungen, wie das Finanzabkommen in Rom bestimmt offenbar ein Mensch allein über das Schicksal Südtirols, ohne die gewählte Volksvertretung (Landtag) miteinzubeziehen, während das Volk über Peanuts herumdiskutieren darf. Auch die Reaktion der Parteien, denen die beiden Damen angehören, die in Sachen Direkte Demokratie durch die Lande ziehen, war angesichts der Bedeutung dieser Vorgangsweise mehr als zurückhaltend.

Di., 28.10.2014 - 01:11 Permalink
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Franz Linter Di., 28.10.2014 - 11:35

Antwort auf von Waltraud Astner

Da in Brixen die Satzung ein Zustimmungsquorum vorsieht, zählen nur die Ja-Stimmen bzw. bei Alternativen die Optionen ohne dem Status quo, deshalb sind auf jeden Fall die ungültigen und die weißen Stimmen verloren.
Gerne kann jeder, der zuhause bleibt oder weiß wählt, das für sich begründen, aber zu erwarten, dass die weißen Stimmen von allen genau so interpretiert werden ist zu viel verlangt.
Am Infostand vor der Volksabstimmung wollte ein Frau unbedingt weiß abstimmen, um ihren Protest gegen die Fragestellung auszudrücken. Ich konnte sie überzeugen den Protest in Form eines Briefes an ihr bekannte Gemeinderäte zu richten, die dieser Fragestellung zugestimmt haben und bei der Wahl entweder die bevorzugte Option oder das kleinere Übel zu wählen.

Di., 28.10.2014 - 11:35 Permalink