Politik | Politikerrenten

Parteisoldat mit Zweifeln

Alt-Landesrat Sepp Mayr, warum er keinen Rekurs gegen die Politikerrenten-Regelung macht, die Fehler der SVP und seine Überzeugung, dass die Reform verfassungswidrig ist.

Salto.bz: Herr Mayr, warum machen Sie keinen Rekurs gehen die Rückzahlung der Rentenvorschüsse?

Sepp Mayr: Ich habe aus einer rein persönlichen Entscheidung keinen Rekurs gemacht. Ich bin jetzt in einem Alter, wo mich das ganze nicht mehr so direkt betrifft. Mein Fall ist damit nicht vergleichbar mit viel eklatanteren Fällen. Es ist aber nicht so, dass ich keine Gründe für eine Rekurs hätte. Ganz im Gegenteil. Wenn ich auch nicht zu den Rekurenten gehöre, so bin ich absolut überzeugt, dass es viele juristische Elemente gibt, die noch klärungsbedürftig sind.

Zum Beispiel?

Im Zusammenhang mit der Leibrentenregelung gibt es in der Region zuletzt drei wesentliche Gesetze. Das ursprüngliche Gesetz aus dem Jahre 2012, sowie die beiden Korrekturgesetze aus dem heurigen Jahr. Nach meiner Auffassung wurde bei alle diesen Gesetzen ein fahrlässiger Fehler gemacht. Ein Fehler, der seinen Grund in einer viel schwerwiegenderen Unterlassung hat. Der Tatsache: Dass der Regionalrat für den Erlass dieser Gesetze gar nicht mehr zuständig ist.

Was meinen Sie damit?

Mit der Verfassungsreform von 2001 wurde eingeführt, dass ab den nächstfolgenden Wahlen d.h. im Jahr 2003 nicht mehr der Regionalrat gewählt wird, sondern der Landtag von Südtirol und jener vom Trentino. Erst nach deren Konstituierung bilden beiden Landtage zusammen den Regionalrat. Inzwischen sind nahezu alle Kompetenzen, die die Region hatte, auf die beiden Länder übergegangen. Aber die Entschädigung der Abgeordneten und die Rentenregelung hat man bei der Region belassen. Das war falsch. Ich bin überzeugt, dass hier eine Verfassungswidrigkeit vorliegt. Der Regionalrat kann seit 2003 nicht mehr diese Regelung erlassen. Außerdem hat man mit dieser Regelung eindeutig das Trentino bevorteilt.

Wie das?

Wenn Sie sich die Mandatsdauer der Trentiner Abgeordneten über Jahre anschauen, dann werden sie sehen, dass diese viel kürzer im Landtag sitzen. Dort gibt es eine viel höhere Fluktuation. Konkret: Die Trentiner haben durchschnittlich nur etwa ein Drittel der Amtszeit der Abgeordneten aus Südtirol. Das aber bedeutet – wenn die Trentiner Abgeordneten dieselbe Leibrenten beziehen – dass die Südtiroler in großen Maße auch für die Trentiner Kollegen mitgezahlt haben.

Wie kommen Sie auf diese Rechnung?

Das ist einfach. Wenn etwa Alfons Benedikter zehn Legislaturen im Landtag sitzt, der maximale Bezugsrahmen der Leibrente aber vier Legislaturen sind, dann hat allein er sechs Legislaturen für andere eingezahlt. Das ist bei Luis Durnwalder genauso, wie bei Eva Klotz. Ich persönlich habe 30 Jahre eingezahlt. Bemessen werden aber nur 20 Jahre. Wo ist der Rest der Beiträge hingegangen? Diese Geld wurde dazu verwendet, damit die Trentiner Abgeordneten mit einer kürzeren Amtszeit dieselbe Rente bekommen.

Für mich ist es eine Art Enteignung. Denn man hätte uns wenigstens fragen können.

Sie sprechen von einer Ungleichbehandlung?

Ja. Einer Ungleichbehandlung, die sich aber auch jetzt bei den Rekursen in anderer Weise fortsetzt. Ich als Alt-Mandatar kann gegen diese Regelung rekurrieren. Ein amtierender Landtagsabgeordneter aber nicht, denn sonst verfällt sein Mandat. Das kann es doch nicht sein. Das ist eine eklatante Ungleichbehandlung von zwei Menschen, die genau gleich betroffen sind. Ich bin überzeugt, wenn jemand diese präjudizieren Fragen aufwirft, dann muss ein Gericht diese Klärung an das Verfassungsgericht weiterreichen. Das Ergebnis ist für mich eindeutig: Man wird zum Schluss kommen, dass diese Umstände gegen die Verfassung verstoßen und damit alle Maßnahmen, auch die Gesetze von 2012 und 2014 rückwirkend für nichtig erklärt werden.

Immerhin ermittelt die Trentiner Staatsanwaltschaft gegen die Spitze des Regionalrates.

Auch hier bin ich sehr skeptisch, ob hier nicht ein grundlegende Fehler vorliegt. Sie werden dort angeklagt, wo Sie die vermeintliche Straftat begannen haben. Wenn Sie in Rovereto jemand überfahren, dann wird Ihnen dort der Prozess gemacht und nicht in Bozen wo Sie wohnen. Die sogenannte Straftat ist das Gesetz von 2012. Damals aber tagte der Regionalrat in Bozen. Wenn auch der Regionalrat seinen Sitz in Trient hat, so ist meiner Meinung für die Strafverfolgung eindeutig die Staatsanwaltschaft Bozen zuständig. Zudem kann man nicht nur gegen das Regionalratspräsidium vorgehen, sondern man muss, wenn schon, den gesamten Regionalrat anklagen. Er hat die Regelung beschlossen.

Sie stoßen sich auch an der Umsetzung der Reform?

Ich muss hier auf die persönliche Ebene gehen. Als man 2012 diese Leibrentenregelung erlassen hat, saßen auch zwei SVP-Vertreter in der Regionalregierung. Ebenso war das Assessorat für Familienförderung in SVP-Hand. Man hat uns damals für 10 Jahre jährlich 5 Millionen Euro von den Leibrenten abgezogen, um am Ende 50 Millionen für den Familientopf zu haben. Als man uns in der Partei fast ein Jahr später diese Regelung vorgestellt hat, habe ich in Gegenwart von 23 Ex-Mandataren gefragt, ob jemand vorher um seine Zustimmung gefragt wurde, ob man ihm das abziehen kann. Keiner der Anwesenden hat das bestätigt. Für mich ist es deshalb eine Art Enteignung. Denn man hätte uns wenigstens fragen können.

Wie kann ich als Mitglied einer Partei einen Rekurs gegen das machen, was meine Partei beschlossen hat? Ich denke die beiden Dinge gehen zuweit auseinander.

Ein Vorwurf an die eigene Partei?

Ja und Nein. Man hat 2012 die Leibrente insgesamt um 5 Millionen Euro jährlich gekürzt und 2014 noch einmal um 20 Prozent. Ich kann damit auch einverstanden sein. Dass aber eine Partei, die die Dialektik mit dem Bürger predigt, mit dem Inhaber eines Rechtes wenigstens einmal vorab redet, hätte ich mir schon erwartet. Das ist ein klares Zeichen der Respektlosigkeit und der Überheblichkeit gegenüber dem, den es betrifft. Es geht hier um ein Konzept der Zusammenarbeit und nicht der Gegensätze.

Harter Tobak gegen Ihre SVP, trotzdem machen Sie keinen Rekurs?

Ich frage Sie: Wie kann ich als Mitglied einer Partei einen Rekurs gegen das machen, was meine Partei beschlossen hat? Ich bin kein Parteiheiliger. Ich habe immer meine Meinung gesagt. Aber ich denke die beiden Dinge gehen zu weit auseinander. Als überzeugter Parteisoldat muss man sich irgendwann entscheiden. Und ich habe mich für die SVP entschieden.