Gesellschaft | Kirche

Der Altar des Bischofs

Der Gadertaler Bildhauer Lois Anvidalfarei über das Verhältnis zwischen Kunst und Kirche und warum in Brixen eine Chance für die lebendige Kirche vertan wurde.

Es hätte eine gelungene Geschichte werden können, die neue Altarraumgestaltung in der Brixner Pfarrkirche St. Michael neben dem Dom. Die Vorbereitung zur Restaurierung der auf romanischem Grundriss gebauten gotischen Kirche, die später barockisiert wurde, wird seit 2013 betrieben und schloss auch die Neugestaltung des Altarraumes ein. Den Wettbewerb gewann einstimmig der Gadertaler Künstler Lois Anvidalfarei, der eine vorsichtige Neuinterpretation der liturgischen Gewichtungen zwischen Altar, Ambo und Priestersitz vorsah. Doch Bischof Ivo Muser legte dagegen sein Veto ein, der Altar müsse nach wie vor Zentrum des liturgischen Geschehens bleiben. Anvidalfarei hat sich bereits vom Projekt zurückgezogen, in Brixen versuchte man bis zum Schluss, den Bischof zum Einlenken zu bewegen. salto.bz hat beim Künstler nachgefragt, welche Bedeutung solche Entscheidungen haben.

Herr Anvidalfarei, gestern, am Dienstag Abend (22.04.) trafen sich die Mitglieder der Brixner Gruppe zur Altarraumgestaltung, um das Vorhaben weiterzubringen. Sie sind nicht mehr dabei?

Nein, ich habe mit großem Bedauern mitteilen müssen, dass ich das Projekt aufgebe und dass ich auch kein zweites oder eine Variante des ersten nachreichen kann, worum man mich ja gebeten hatte. Ich habe bei meinem ersten Vorschlag, den der Brixner Pfarrgemeinderat bzw. die Jury 2013 eindeutig ausgewählt hatte, mein Bestes gegeben, alle waren damit einverstanden und haben das Projekt von Anfang an zu 100 Prozent mitgetragen.

Also nehmen Sie Abstand vom Projekt, auch wenn die BrixnerInnen hinter Ihnen gestanden sind?

Deswegen tut es mir auch so leid, dass diese Zusammenarbeit so plötzlich zu einem Ende kam. Ich bin Künstler und kein Handwerker, ich kann zwar meinem Auftraggeber entgegenkommen – und den Austausch haben wir in Brixen sehr gepflegt - doch ganz verbiegen kann ich mich nicht. Was der Bischof hingegen wollte, war, mein Urkonzept vom Altarraum, den Grundgedanken, zu verändern. Das kann und will ich nicht.

Was war der Grundgedanke bzw. das Neue an Ihrer Altarraumgestaltung der Pfarrkirche in Brixen?

Ich habe den Altar des Priesters etwas außerhalb der Mittelachse nach rechts verrückt (von vorne gesehen), habe den Ambo, also den Ort des Wortes, der ja mehr ist als ein reines Lesepult, ebenfalls näher zum Altar hingestellt, habe diesen Ort also aufgewertet und mit dem Altar in einen Dialog gebracht; so bilden diese beiden eine gedachte Mitte. Auch der Priestersitz zum Tabernakel hin ist nicht mittelachsig, sondern versetzt und ergänzt die beiden Vorsteherorte vorne. Insgesamt eine Komposition, die der liturgischen Feier eine neue Dimension hätte geben können und ein wenig frische Luft in den Kirchenraum bringen sollte.

Stattdessen gab es den Einspruch des Bischofs gegen dieses Projekt, dem der Brixner Dekan Albert Pixner und der Pfarrgemeinderat gefolgt waren. Verstehen Sie das?

Ich verstehe das schon, Bischof Muser ist schließlich das Oberhaupt der Kirche und als solcher eine Autorität für das Kirchenvolk und seine Priester. Dem Bischofsveto war ein wirklich schöner Prozess von Gesprächen und Zusammenarbeit, wie man sie selten findet, vorausgegangen. Ein ganzes Jahr lang haben wir uns – und damit meine ich den Pfarrgemeinderat, den Dekan, die Liturgiekommission und hier besonders den Vorsitzenden Professor Ewald Volgger, auch Restaurierungskomitee und Denkmalamt – transparent und respektvoll ausgetauscht.  So konnten liturgietheologische Zweifel ja auch beizeiten ausgeräumt werden, und auch die Wünsche der Pfarrgemeinde wurden von mir berücksichtigt.

Welche waren das?

Es ging nicht um das Grundmodell, sondern darum, wieviele Personen dort noch Platz finden sollten, der Chor etwa und wie man mit Bänken den Raum flexibel gestalten konnte, auch die Plätze für die Lektoren. Das habe ich berücksichtigt und man war zufrieden.

Die liturgiethelogischen Zweifel, welche Art waren diese?

Hier hat sich Professor Ewald Volgger, der Universitätsprofessor an der Katholisch-Theologischen Privat­universität Linz und ein Experte für Kirchenraumgestaltung ist, besonders eingesetzt: Er hat in einer 30-seitigen Expertise an den Bischof und an alle Beteiligten dargelegt, warum bzw. dass es keine zwingenden theologischen Gründe dafür gibt, den Altar in der geometrischen Mitte der Kirche zu belassen. Doch darum ging es ja gar nicht, der Bischof wollte eine Anordnung mit zentralem Altar und den anderen Elementen ringsherum.

Das Brixner Modell wäre an sich nichts Neues gewesen. Sie selbst haben bereits einige solcher „alternativer“ Altarräume geschaffen?

In der Pfarrkirche von St. Magdalena in Gsies ist es genau zu dieser Lösung gekommen. Hier kommunizieren der etwas nach rechts verrückte Altar und der linksseitige Ambo miteinander, der Blick auf den Tabernakel bleibt frei; auch in der Kirche von Siebeneich habe ich nicht streng nach herkömmlichen Anordnungen gearbeitet, auch hier ergibt sich jedoch eine für den Raum sinnvolle Lösung. Ein noch jüngeres Beispiel ist die Gestaltung des Altarraums in der Basilika Sonnenberg in Niederösterreich, wo bei der Einweihung sogar der Apostolische Nuntius anwesend war. Es gibt also genügend Ansichtsmaterial, das Brixner Modell wäre nichts so Revolutionäres gewesen.

In Brixen wird es nun einen geometrisch mittigen Altar geben, der Bischof hat sich durchgesetzt. Was heißt das in Ihren Augen?

Dass es schade ist, denn durch ein solches Verbot wird das Verhältnis von Kunst und Kirche zueinander nicht leichter. Auch für die Lebendigkeit der Kirche bedeutet es eine vertane Chance. Der Bischof hätte genauso in Dialog treten können, wie zuvor die Brixner und die verschiedenen Kommissionen untereinander und mit mir. Es hätte ein Altar des Volkes werden können, ein wirklicher. Nun wird es wohl ein Altar des Bischofs.

Sie haben ja nicht das erste Mal eine solch negative Erfahrung mit kirchlichen Institutionen machen müssen. Auch Ihre Skulptur „Der verlorene Sohn“ hat lange nach einem Platz gesucht.

Der „Verlorene Sohn“ hat sich in seiner Nacktheit mit den Kapuzinerpatres in Bozen nicht verstanden; er stand lange in einer Ecke herum und ist jetzt im Untergeschoß der angrenzenden Schule untergebracht. Aber auch außerhalb von Südtirol bin ich auf Widerstände bei meinen liturgischen Arbeiten gestoßen, etwa bei der Kapelle für die Universitätsklinik in Innsbruck oder den Plastiken in Vorarlberg. Das waren mühsame und sehr konservative Dialoge, die geführt wurden. Dass es so gut läuft wie in Brixen bis zum Bischofseinspruch, ist eher selten. Kunst und Kirche haben ein schwieriges Verhältnis zueinander, im Gegensatz zur Architektur, wo in Südtirol und auch außerhalb sehr wohl einiges an Fortschritt passiert ist.

Das Modell Südtirol hierzu lässt sich hingegen so umreißen: Eine neue Kirche, ein neuer Altar, aber mit alter Madonna. Dabei wäre es für mich als Künstler, für viele Künstler so reizvoll, der Kraft eines gotischen, romanischen oder barocken Kirchenbaues etwas ebenso Starkes entgegenzusetzen. Es kann sehr spannend sein, einen solchen nicht nur ästhetischen Dialog zwischen Kirche und Kunst herzustellen, da darf man nicht zimperlich oder ängstlich sein, sondern muss aus einer Stärke heraus handeln.

Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler So., 03.05.2015 - 15:21

Da die Pfarrkirche von Brixen keine kerzengerade Längsachse hat, sondern in eben dieser Längsachse einen Knick aufweist, ist die Bestimmung der Altarraum-Mitte extrem schwierig und eher philosophisch als mathematisch zu beantworten. Vollkommen überflüssig ist in diesem Zusammenhang die Meinung der italienischen Bischofskonferenz. Die hoch- und merkwürdigen Herren haben mit größter Wahrscheinlichkeit nicht die geringste Ahnung von der Brixner Pfarrkirche und ihren Besonderheiten, die auf eine 1000jährige Geschichte zurückgehen..

So., 03.05.2015 - 15:21 Permalink