Wirtschaft | Sparkasse

Verspätete Abrechnung

Die Sparkassen-Führung hat jetzt einen Bericht zur geplanten Haftungsklage gegen die ehemaligen Verwalter vorgelegt. Man will gegen insgesamt 19 Personen vorgehen.

Wenn es darum geht, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, dann ist die Führung der Sparkasse schnell zur Stelle.
Am 30. Juni 2015 veröffentlichte salto.bz einen Artikel zur Vorstellung des Inspektionsberichts der Banca d´Italia, der am selben Tag im Verwaltungsrat verlesen wurde. Gerhard Brandstätter & Co sind der Meinung, dass durch den Artikel das Ansehen der Sparkasse geschädigt wurde. Drei Monate später beschließt der Verwaltungsrat der Sparkasse, Strafanzeige gegen den Autor und salto.bz einzureichen.
Anfang März 2016 beantragt der ermittelnde Staatsanwalt Igor Secco die Archivierung der Strafanzeige. Der dargestellte Sachverhalt entspreche der Wahrheit. Ohne den Verwaltungsrat zu befragen, legte die Sparkasse Berufung gegen die Archivierung ein. Am 1. Juni wird deshalb der Richter für die Vorerhebungen Walter Pelino entscheiden, ob der Strafantrag archiviert oder das Hauptverfahren eingeleitet wird.
Anfang März 2016 beschließt der Verwaltungsrat eine zweite Strafanzeige. Am 11. März 2016 reicht man Strafanzeige gegen den Autor und den Raetia-Verlag wegen der Buches „Bancomat – Die Millionenverluste der Sparkasse“ ein. Flankiert wird diese Strafanzeige am selben Tag von zwei weiteren Strafanträgen. Einer von Sparkassen-Präsident Gerhard Brandstätter und ein dritter von Martha Ebner, die sich durch vier Zeilen im Buch verunglimpft fühlt.
Es ist unsere Pflicht, das Ansehen der Bank zu schützen“, wischt die Sparkassenführung jede Nachfrage im eigenen Verwaltungsrat dabei vom Tisch.
Geht es um größere Vögel, die zudem aus dem eigenen Nest kommen, legt die amtierende Sparkassenführung hingegen ganz andere Parameter an.

11 Monate Warten

Wie inkonsequent die Vorgangsweise des Verwaltungsrates ist, wird jetzt an der Haftungsklage gegen die ehemaligen Verwalter deutlich.
11 Monate dauerte es, bis man sich durchgerungen hat, den Gesellschaftern eine Haftungsklage vorzuschlagen. Gleich zwei Mailänder Kanzleien, zuerst die Kanzlei „Bonelli, Erede e Partner“ und seit Dezember 2015 „Studio Legale Chiomenti“ haben sich mit dem Fall beschäftigt. Bisheriger Kostenpunkt: Mehrere Hunderttausend Euro.
Vor einigen Wochen hat die Kanzlei Chiomenti ihr Rechtsgutachten vorgelegt. Am 31. Mai soll die Gesellschafterversammlung der Sparkasse die Haftungsklage beschließen.
Den Aktionären wird aber zur Beschlussfassung keineswegs das Rechtsgutachten vorgelegt, sondern gestern wurde ein 12seitiger Bericht veröffentlicht, der von Gerhard Brandstätter unterzeichnet ist.

Nach Prüfung der gesamten Unterlagen und der Durchführung der damit zusammenhängenden Nachforschungen – die Analyse von Tausenden von Dokumenten wurde mit der tatkräftigen Unterstützung der zuständigen Stellen der Bank durchgeführt – haben die Rechtsanwälte einen detaillierten Bericht erstellt und diesen dem Verwaltungsrat dargelegt“, heißt es in dem Dokument.

In Wirklichkeit sind die Rechtsanwälte genau zu den Schlussfolgerungen gelangt, die Banca d'Italia schon vor elf Monaten detailliert in ihrem Bericht ausgeführt und dem amtierenden Verwaltungsrat vorgelegt hat. Man geht von einer Mitschuld der früheren Verwalter aus.

Vier Bereiche

Es sind vier Bereiche, die im Gutachten im Mittelpunkt stehen. Die Unregelmäßigkeiten bei der Kreditvergabe, die Unzulänglichkeiten der Verwaltungs-, Steuerungs- und Kontrollstrukturen in der Bank, die mangelnde Aufsicht über die Tochtergesellschaften und die Beanstandungen der Aufsichtsbehörden.
Am Ende des Berichts schlägt der Verwaltungsrat der Gesellschafterversammlung vier verschiedene Haftungsklagen zur Beschlussfassung vor. Die Verantwortungen sollen damit aufgeteilt werden. Zum einen eine Haftungsklagen gegen die „exekutiven Verwaltungsräte“ Norbert Plattner, Enrico Valentinelli, Walter Ausserhofer, Maria Niederstätter und Gerhard Gruber. Eine weitere Klage gegen die restlichen „einfachen Verwaltungsräte“ Marina La Vella, Mauro Pellegrini, Werner Schönhuber, Hans Peter Leiter, Helmut Gschnell, Andreas Sanoner, Anton Seeber, Alberto Zocchi, Siegfried Zwick und Heinrich Dorfer.
Eine dritte Haftungsklage gegen die ehemaligen Aufsichtsräte Peter Gliera, Andrea Maria Nesler und Heinrich Müller. Sowie eine eigene Klage gegen den ehemaligen Generaldirektor Peter Schedl.

Neue Verluste

Schaut man sich den 12seitigen Bericht allerdings genauer an, so findet man einige durchaus erstaunliche Erkenntnisse, die die Gesellschafter mit Besorgnis erfüllen dürften. Zeigen sie doch auf, dass die bisherigen Aussagen der amtierenden Bankenführung nicht ganz zutreffend sind.So etwa haben die Anwälte 370 von der Banca d'Italia ausgewählte Kreditfälle, bei denen es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll, nochmals detailliert überprüft. Im Bericht werden die Unregelmäßigkeiten nicht nur bestätigt, sondern es heißt wörtlich:

Die Nachforschungen haben ergeben, dass in Bezug auf einige der überprüften Kreditgeschäfte die Sparkasse bereits beträchtliche Verluste erlitten hat, deren Ausmaß sich zudem weiterhin vergrößern wird. Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass sich in den nächsten Wochen Verluste auch im Zusammenhang mit weiteren der 51 problembehafteten Kreditpositionen ergeben.“

Aus diesem Grund will man die genau Schadensquantifizierung für die Haftungsklage auf später verschieben. Trübe Aussichten.
Einer der größten Kreditausfälle und Löcher ist für die Sparkasse die Raetia SGR Spa. Bisher hatte die amtierende Bankenführung immer behauptet, dass für die Bank kaum ein Prozessrisiko bestehe. Auch diese Einschätzung entpuppt sich aber anscheinend als Chimäre.
Die Raetia hat bereits im Herbst 2015 eine Haftungsklage gegen ihre ehemaligen Verwalter eingereicht. Vor dem Schiedsgericht haben die beklagten Raetia-Verwalter aber jetzt die Ausweitung der Klage gegen die Sparkasse gefordert. Ihre Argumentation: Die Bank hätte im Unternehmen die Weisungs- und Koordinierungsbefugnis ausgeübt und zudem direkt die verwalteten Fonds gesponsert. Das Schiedsgericht hat der Ausweitung der Klage auf die Sparkasse zugestimmt. Demnach könnten – sollte sich der Vorwurf – erhärten, große Prozessrisiken auf die Sparkasse zukommen.

Freibrief für Brandy

Sollte es zu den Haftungsklagen kommen, will Gerhard Brandstätter persönlich die Aufgabe übernehmen, die Klagen zu definieren. Nach den vorbereiteten Beschlüssen soll die Gesellschafterversammlung dem Präsidenten der Sparkasse eine Art Generalvollmacht übertragen. Im Vorschlag heißt es:
soweit erforderlich dem Präsidenten des Verwaltungsrates ...(...)... Mandat für die Ausführung, den Abschluss und/oder die Unterzeichnung einer jeder erforderlichen oder auch nur angemessenen Rechtshandlung, zu erteilen bzw. zu bestätigen, damit die Haftungsklage konkret eingeleitet werden kann; dies zu den Fristen und Modalitäten, die er für angebracht hält, im Lichte der Fakten, die sich nach Abschluss der weiteren noch laufenden Nachforschungen ergeben könnten.
Brandstätter, selbst Anwalt, kann damit die Handlungshoheit in seiner Hand halten. Genau das aber könnte schon bald zu einer explosiven Konstellation führen. Denn Gerhard Brandstätter ist oder war mit einigen der potentiell Beklagten, nicht nur befreundet, sondern auch beruflich verbunden.
Wie augenscheinlich dabei der Interessenskonflikt ist, kommt auch in dem zum Ausdruck, was man in dem 12seitigen Bericht bewusst weggelassen hat. So wird in dem Dokument in Bezug auf die Verantwortlichkeiten mehrmals der Abschlussbericht der Banca d'Italia zitiert. Wo es heißt, „dass die gemeinsame Leitungs- und Aufsichtstätigkeit des bis zum April 2014 amtierenden Verwaltungsrates durch die vorherrschende Rolle, die der ehemalige Präsident lange ausgeübt hatte, beeinflusst wurde.“  Dadurch sei es zu einer Schieflage in der Entscheidungsfindung gekommen, an der Aufsichtsrat und der Generakdirektor ihre direkte Mitschuld haben.
Damit wird Norbert Plattner & Co der Schwarze Peter zugeschoben.
Schaut man sicher allerdings das gesamte Zitat aus dem „streng vertraulichen“ Schreiben der Bankenaufsicht an, so fehlt ein entscheidender Satz:

Der Präsident der Stiftung, der der Banca d'Italia vorwirft, die Aufsicht vernachlässigt zu haben, hieß damals aber Gerhard Brandstätter.
Ob der Sparkassen-Präsident deshalb jetzt der Richtige ist, um die Haftungsklage gegen die früheren Verwalter voranzutreiben?
Diese Frage wird zu stellen sein.