Gesellschaft | Zum Abschied

Adieu, Helga. Und danke!

Helga Innerhofer, Ikone der grün-alternativen Bewegung, ist am 22. August verstorben. Vor vier Jahren erschien im Meraner Stadtmagazin "Cactus" dieser Beitrag über sie.
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Langer Marsch zum Feminismus

Helga Innerhofer hat gelernt der Gemeinschaft zu nutzen und sich selbst nicht zu schaden.

Selbstverständlich kommt sie Fuß und pünktlich auf die Minute. Helga Innerhofer verschwendet ihre Zeit nicht, doch sie lässt auch niemanden warten. Die Zeit für ihren Fußweg notiert sie beiläufig im Kopf: „60 Minuten am Tag müssen zusammenkommen, sonst lege ich noch eine kleine Sonderrunde ein, durch die Gilf, über den Tappeinerweg.“ Radfahren mag sie nicht. Ihr Auto hat sie längst verkauft, einen Citroen 2CV, die mythische Ente, die sie im Winter manchmal ausführen musste „wie einen Hund“, damit sich die Batterie wieder auflud.

Damals war Helga noch Deutschlehrerin an der Oberschule, streng, seriös und geachtet. Bekannter war sie aber wegen ihrer Tätigkeit als Gemeinderätin. Von 1981 bis 1991 blieb sie als grün - alternative Oppositionspolitikerin der Regierungsmehrheit systematisch auf den Fersen, brachte sie sie mit Beschlussanträgen in Bedrängnis und wenn Bürgermeister Franz Alber im Saal manchmal laut wurde, dann meist ihretwegen. Die Wähler/innen honorierten das, denn 1990 erlebte Meran bei den Wahlen sein grünes Wunder und die Ratsfraktion wuchs von ehemals zwei auf immerhin fünf Sitze. „Und gleich drei davon waren von Frauen besetzt“, freut sich Helga noch heute.

Inhaltliche Erfolge waren damals aber eher selten, bedauert sie und die Monopolpresse war kaum zu knacken. Erst als ihre Fraktion einmal einen entscheidenden Beschlussantrag zur Einführung der getrennten Müllsammlung durchbrachte, war Helga ein Foto in den „Dolomiten“ vergönnt und man nannte sie endlich „Frau Dr. Innerhofer“, denn bis dahin war sie nur „die Neulinke“ gewesen.

Helga Innerhofer. Foto: Franco Bernard

Neben Arbeit und Politik hatte Helga freilich auch noch andere Interessen und mutete ihrem Körper in jenen Jahren wohl einiges zu. Selbst in den Sommerferien schonte sie sich nicht, sondern schleppte ihren „Invicta“-Rucksack nebst Spiegelreflexkamera durch Japan, Indien, Indonesien und China, von wo sie dann mit beeindruckenden Fotos zurückkehrte. Die schönen Kalender, die daraus entstanden, gehören zu der Sorte, die man auch nach Jahren nicht wegwirft. Doch plötzlich war es aus: Beim Adressenkleben für eine der ersten Ausgaben des „Cactus“ brach Helga Innerhofer am Tisch zusammen. Diagnose: Magendurchbruch und Notoperation. Helga verstand den Wink des Schicksals, legte ihr Gemeinderatsmandat zurück - und suchte sich ein neues Betätigungsfeld.

Südtirol hatte im Jahre 1989 ein richtungweisendes Gesetz zu den Frauenhäusern erlassen, welches noch umzusetzen war. Gemeinsam mit anderen gründete Helga Innerhofer den Verein „Donne contro la violenza/Frauen gegen Gewalt“, welcher sich um die Führung des Meraner Frauenhauses bewarb. Das Konzept überzeugte den zuständigen Landesrat Saurer und bereits 1993 wurde die Beratungsstelle eröffnet, 1995 folgte eine kleine Wohnung am Theaterplatz, drei Jahre später konnte der Dienst im Frauenhaus aufgenommen werden, wo durchschnittlich zehn Frauen und deren Kinder Schutz vor ihren gewaltbereiten Männern finden können. Seither liegt die Führung des Dienstes ununterbrochen in den Händen des Vereins, dessen ehrenamtliche Präsidentin Helga mittlerweile ist.

Natürlich ist sie eine bekennende Feministin, auch wenn sie merkt, dass selbst junge Frauen damit nicht mehr viel anzufangen wissen. „Die fühlen sich gleichberechtigt, doch spätestens wenn die Kinder kommen, merken sie, dass es nicht so ist.“ Im Beirat für Chancengleichheit hat sie das Projekt „Ich sag Nein“ gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen mit auf den Weg gebracht; in der Arbeitsgruppe „Diplomarbeiten“ wählt sie Arbeiten zur Prämierung aus, die neue Sichtweisen auf frauenpolitische Belange eröffnen. Sie strahlt, wenn sie davon erzählt. Man merkt, die Arbeit mit jüngeren Menschen begeistert die ehemalige Lehrerin noch immer, der Altersunterschied beflügelt sie sogar. Sie habe sich bereits mit vierzig auf das Altern eingestellt, sagt sie schmunzelnd. So bleibt man länger jung.