Chronik | Lega-Referendum

Italiens Referendumsrecht ist überholt

Letzte Woche ist der im Juni 2014 mit mehr als 500.000 Unterschriften vorgelegte Antrag der Lega Nord auf ein Referendum zur Abschaffung des Fornero-Gesetzes gescheitert.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Man mag zur Lega und speziell zu ihren 6 Referendumsanträgen stehen wie man will (ich distanziere mich von allen), aber wie das Verfassungsgericht in solchen Fällen mit einem demokratischen Grundrecht umspringt, ist ebenso problematisch.

Die von der Regierung Monti in Kraft gesetzte Fornero-Pensionsreform von 2011 zielte darauf ab, das Rentenantrittsalter stufenweise bis 2018 auf 67 Jahre zu erhöhen. Die Begründung der Nicht-Zulässigkeit des Referendumsantrags der Lega Nord steht zwar noch aus. Es sieht aber danach aus, dass das Fornero-Gesetz (Gesetzesdekret 201/2011) als Teil des Salva-Italia-Dekrets als eine „steuerrechtliche Bestimmung“ eingestuft wird, gesetzestechnisch also Teil des Haushaltsmanövers für 2012. Damit wäre dieses Dekret wie alle Haushalts- und Steuerrechtsfragen in Italien von einer abschaffenden Volksabstimmung ausgeschlossen. Dieses Referendum war, im Unterschied zu den übrigen fünf Anträgen auch von der CGIL unterstützt worden.

Nun besagt Art.75, 2 der Verfassung: „Das Referendum ist nicht zulässig für Steuer- und Haushaltsgesetze, Amnestie- und Gnadenakte und die Genehmigung zur Ratifizierung internationaler Verträge.“ Vom Rentenrecht keine Rede. Warum sollten sich Bürger nicht gegen als ungerecht empfundene Rentenregelungen zur Wehr setzen können? Es ist ja nicht leicht einzusehen, warum Politikergehälter und –renten auf allen Ebenen jedem Zugriff der Bürger über die direkte Demokratie entzogen sein sollen.

Es geht hier um gleich zwei Aspekte des Referendumsrechts in Italien, die – ganz abgesehen von der Einschätzung der jeweiligen Volksbegehren – ein Hohn für ein demokratisches Verfahren sind. Zum ersten ist nicht nur jede Art von steuerpolitischer Frage ausgeschlossen. Die Bürger können, obwohl Steuerzahler, sich in keiner Weise direkt in die Regelung der Steuern und Gebühren in diesem Staat einbringen, und schon gar nicht in Haushaltsfragen. Ob das für die italienischen öffentlichen Finanzen so klug war, ist eine offene Frage. Wenn nun politische Fragen anderer Natur ins Haushaltsgesetz eingebaut werden, also nur formal mit Finanzen und Steuern verknüpft werden, werden sie damit ebenfalls jedem direktdemokratischen Zugriff entzogen. In der „legge finanziaria“ hat bekanntlich viel Platz. Mit diesem Kunstgriff wird einer Taktik Tür und Tor geöffnet, alles Mögliche vor Referenden dadurch zu schützen, dass es zum Teil des Haushaltsgesetzes erklärt wird.

Zum zweiten geht es um den Zeitpunkt der Zulässigkeitsprüfung und die Art der Entscheidung des Verfassungsgerichts. Vom Verfahren her ist es das Gegenteil von fair und bürgerfreundlich, wenn die Promotoren mit größter Mühe 500.000 beglaubigte Unterschriften sammeln und das Verfassungsreicht dies mit einem Federstrich hinterher zunichtemacht. In Ländern mit entwickelter direkter Demokratie wird die Zulässigkeit vorab geprüft. Im Übrigen hat das Verfassungsgericht schon früher, z.B. bei Referendumsanträgen der Radikalen zur Parteienfinanzierung, aus ganz politischen Gründen über die Zulässigkeit entschieden. Auch wenn man für solche Anträge nicht die geringste Sympathie hat, kann’s ein solcher Umgang mit einem politischen Grundrecht auch nicht sein.