Gesellschaft | Kommentar

Die veröffentlichte Verunsicherung

Südtirols Medien sind hysterisch und rufen den Sicherheitsnotstand aus. Die Politik lässt sich davon treiben. Stopp der Panikmache.

In welches Land komm ich denn, wenn ich heim komm? Neuerdings frage ich mich das. Genau genommen ist immer alles gleich, alles ruhig, jedes Wochenende die gemütlichste Wirklichkeit. Nur die veröffentliche Wirklichkeit ist wie übergeschnappt. In den Lokalzeitungen, den beiden beherrschenden zumal, lese ich nur noch von Einbrüchen, schlägernden Disco-Besuchern, gestellten und meistens nicht, manchmal schon abgeschobenen Einwanderern; von Bürgerwehren, die es könnten, aber nicht loslegen dürfen. Der Quästor, sonst ein besonnener Herr, gibt den Westernscheriff für die Titelseite der Tageszeitung.
Kurz, wenn stimmt, was in Dolomiten und Alto Adige steht, befindet sich Südtirol in einem Sicherheitsnotstand. Am besten bliebe ich in Rom, denn dort lese ich solches nicht. Jedenfalls nicht in solch geballter Menge. Heut Nachmittag, als ich durch Bozen zum Bahnhof ging, las ich auf der Werbeschürze der Dolomiten groß: „Besorgte Bürger schreiben dem Land“. Es ist die seit einem Jahr anhaltende „Stopp-der-Gewalt!“-Eigenwerbung der Zeitung, und ich denk mir: Eh schon besser! Gott sei Dank wenden sich die verschreckten Bürger jetzt ans Land. Bis vor kurzem hätten sie ihren Kummer noch der Redaktion anvertrauen sollen.
Das Land und die es regierende Partei stehen Gewehr bei Fuß. Kulturlandesrat und Parteiobmann Achammer beteuert, alles zu tun, „damit das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung wieder gestärkt wird“. Immerhin spricht er nicht von Sicherheit, sondern von Sicherheitsgefühl. Tatsächlich, es geht eher um gefühlte Gewalt, also weitgehend auch eingebildete.
Er stehe „mit den Polizeikräften in ständigem Kontakt“, versichert der junge Achammer. Klingt, als stünden wir knapp vor der Verhängung des Ausnahmezustandes. Übermorgen, Mittwoch, gibt es den nächsten „Sicherheitsgipfel“. Jawohl, Sicherheitsgipfel, schreibt die Partei.
Als wären wir schon in der Ukraine? Der Wortwahl nach sind wir es.
Das Land, das sich jährlich gesamtstaatlicher Lebensqualität-Rekorde brüstet, das erst kürzlich als die Provinz mit dem höchsten Prokopf-Einkommen nach Mailand ausgewiesen wurde, dieses Land benimmt sich, als sei es plötzlich im Belagerunszustand.

Wir werden hysterisch. Der Kulturlandesrat soll sich um Kultur kümmern und nicht „Sicherheitsgipfel“ veranstalten.

Schon gut, dass die Diebe dorthin gehen, wo etwas zu holen ist, und schon gut, dass Raufereien noch bis vor gar nicht langer Zeit unverzichtbarer Bestandteil, wenn nicht Krönung Tiroler Festkultur waren.
Wir werden hysterisch. Der Kulturlandesrat soll sich um Kultur kümmern und nicht „Sicherheitsgipfel“ veranstalten. Und so wie unseren Italienern immer ihr Recht auf einen „disagio“ abgesprochen wird, so verordne ich jetzt einmal uns allen: Übertreiben wir nicht mit unserem „Sicherheitsgefühl“! Südtirols reale Sicherheit ist besser als die gefühlte. Und die öffentliche besser als die veröffentlichte.

Stopp der Panikmacherei!

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gorgias Di., 24.02.2015 - 14:28

In unserem schönen Land gibt es eine Zeitung die seiner Leserschaft eine Alpenidylle vorsetzte. Nach dem sich Unholde an seinem Sohn vergriffen haben wird nun fleißig über jede Gewalttat berichtet.
Wäre ich ein Rollstuhlfahrer würde gerne ich mir insgeheim wünschen müssen der Sohn würde querschnittsgelähmt, denn dann würde Südtirol innerhalb von fünf Jahren zu 100% barrierefrei.

Di., 24.02.2015 - 14:28 Permalink
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Edo Plane Di., 24.02.2015 - 14:28

Applaus, Applaus!
haha, "Stopp der Panikmacherei!" - köstlicher Titel! Bitte noch Logo dazu ausarbeiten :)
Solcher Panikmache und dem Schüren von Angst (hervorragendes Manipulationsmittel) kann man nur mit Sachlichkeit und Fakten begegnen.

Was sind die Gesetze? Wie unterscheidet sich Italien von den anderen Ländern? Statistiken? Her damit!

Di., 24.02.2015 - 14:28 Permalink
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pérvasion Di., 24.02.2015 - 18:10

Schade, Herr Kronbichler trägt leider genausowenig zur Versachlichung bei wie die von ihm zurecht kritisierten Medien. »Stopp der Panikmache« ist *so* genauso wenig wert wie »Stopp der Gewalt«...

Di., 24.02.2015 - 18:10 Permalink
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Hannes Hofer Di., 24.02.2015 - 18:42

immer wieder dieser Vergleich mit der Tiroler Festkultur.. ich kann nicht nachvollziehen, wie man ernsthaft an diesem Vergleich festhalten kann...Wären sie über die Art und Weise der Gewalttaten informiert, würden sie bald feststellen, dass ihr Vergleich hinkt! Die Vorfälle waren geprägt von einer brutalen Vorgehensweise, dem Einsatz von Messern, Gläsern und sonstigen Gegenständen. Zudem waren die Opfer meist von mehreren Personen angegriffen worden, und sind auch bereits, als sie am Boden lagen, weiterhin von den Tätern attackiert worden. Ich weiß ja nicht auf welchen Tiroler Festen sie derartiges bzw. ein solches Maß an Gewalt beobachtet haben, aber ich muss ihnen hiermit schon den Vorwurf machen, dass sie Fakten herunterspielen und ihre Darlegung einfach nicht der Realität entspricht. Es ist natürlich immer einfach den politisch Neutralen "heraushängen " zu lassen, aber gerade durch diese Haltung wird kriminellen Wiederholungstätern indirekt der Rücken gestärkt. "ach des isch jo olles et so schlimm!" Ich wünsche mir, dass sie oder ihre Kinder nie Opfer eines brutalen Schlägers in irgendeiner Disco sein werden. Nach so einem Vorfall würden sie sich freuen auf einem Tiroler Fest gewesen zu sein, und vielleicht "nur" eine - magari vom Dorftrottel persönlich - in die Fresse bekommen zu haben. Man kann auch weiterhin den Gegebenheiten nicht ins Auge blicken und die Situation herunterspielen. Es braucht mehr von solchen lustigen Zeitgenossen, wie sie es anscheinend sind. Dann kaufen wir uns alle einen Luftballon, tanzen im Kreis und singen der Friede sei mit dir! ok? Wenn wird nicht ernst nehmen, was des Ernstnehmens wert ist, (viel. kennen sie das Zitat/steht natürlich hier in keinem Zusammenhang) laufen wir Gefahr eine Scheinrealität wirksam werden zu lassen, die den Bedürfnisse der Bürger unmöglich gerecht werden kann. Wenn weiterhin das Image wichtiger ist, als die Darlegung der realen Verhältnisse, dann wird der Spielraum von Kriminellen weiter ausgebaut werden, da sie von so einer Gesellschaft ja nicht als die solchen wahrgenommen werden. Aber nein! Die Gewalttäter sind pure Realität! Man Darf nicht zu lassen, dass sie, durch solch unüberlegte Aussagen, unsichtbar gemacht werden. Aber bitte, Sie können natürlich weiterhin Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn das ihren Ansprüche genügt und sie damit glücklich sind. Prost! Und ob es nun Sicherheitsgipfel heisst oder sonst wie ist doch eig. ******egal, finden sie nicht? Die Bürger sind teilweise unzufrieden und die Politik versucht durch solch einen Gipfel, den Bedürfnissen mancher Bürger gerecht zu werden. Was finden sie daran schlimm bzw. warum müssen sie das so infantil ins Lächerliche ziehen..?!

Di., 24.02.2015 - 18:42 Permalink
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Profil für Benutzer Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Di., 24.02.2015 - 19:03

Antwort auf von Hannes Hofer

Ich glaube hier liegt auch der Kern des Problems. Während auf der rechten Seite die Politik zum Thema oft maßlos übertreibt und Hetze betreibt, wird auf der linken Seite das Problem entweder totgeschwiegen oder belächelt. Anstatt über Medien und soziale Netzwerke her zu ziehen oder alle in einem Topf zu werfen, sollten Politiker endlich das tun wofür sie gut bezahlt werden: Probleme der Öffentlichkeit diskutieren, Lösungen erreichen und Umsätzen.

Di., 24.02.2015 - 19:03 Permalink
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Profil für Benutzer klemens hacht
klemens hacht Di., 24.02.2015 - 20:02

Antwort auf von Hannes Hofer

ich verstehe nicht, wieso sie "brutalere" gewalt und weniger brutale gewalt, zwischen schlägern auf eine liegende, sich nicht wehrende person und andersartige konfliktsituationen unterscheiden? DAS ist genau das ding, was diese medialen aufschreie speziell zu diesem thema so suspekt macht, denn diese unterscheidungen hört man ständig. unterschwellig gibt man so auch zu, dass es neben den "ganz brutalen" schlägereien auch eine legitimierte!!! gewalt gibt, von der aber niemand berichtet, aber jeder kann sie wöchentlich in den diskotheken sehen und es ist wohl auch anzunehmen, dass es mitunter zwischen diesen beiden gewaltkategorien wechselbeziehungen gibt. von "einmal von einem dorftrottel auf die fresse bekommen " habe ich persönlich einen zahn verloren und es hätte noch weitaus schlimmer kommen können, hätte mein instinkt mich nicht auf blitzartigen fluchtmodus geschaltet: ist das nun keine gewalt, weil zu kleiner schaden und deswegen auch nicht medientauglich? "der dorftrottel" rehabilitiert?

Di., 24.02.2015 - 20:02 Permalink
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Profil für Benutzer Hannes Hofer
Hannes Hofer Di., 24.02.2015 - 21:02

Antwort auf von klemens hacht

Diese Unterscheidung treffe nicht ich, das macht das Gesetz! Generell ist Gewalt in jeglicher Form zu verurteilen, da bin ich ganz bei ihnen, aber glauben sie nicht das eine Differenzierung wichtig ist? Mein vorangegangener Kommentar richtet sich - ich hoffe sie haben den gesamten Artikel Kronbichlers gelesen- an den mir nicht nachzuvollziehenden Vergleich bzgl. Schlägereien und Tiroler Festkultur.
Und ich denke als vernünftiger Mensch sollte man schon Gewalt von Gewalt unterscheiden können. Wenn sich zwei prügeln, freut sich der Dritte, hieß es früher immer. Es hat sich aber hierbei etwas geändert! Der Dritte ist nicht mehr der Neutrale, der zusieht, nein der Dritte oder auch Vierte, Fünfte, Sechste (oder auch Zehnte) ist in der Schlägerei aktiv involviert. Diese Schlägereien müssen sehr wohl von anderen Schlägereien unterschieden werden. Das Motiv ist ein anderes, das Maß an Brutalität erschreckend. Des Weiteren werden die Opfer eingeschüchtert und bedroht, sodass diese auch oft von einer Anzeige absehen. Somit kommt zur physischen Gewalten noch eine andere Form der Gewalt hinzu, die vor allem die Angst zu ihrer Treibkraft macht. Einen Zahn zu verlieren, ok, das ist sicher nicht angenehm aber halbtot von zehn Angreifern geprügelt werden, ist eine andere Geschichte, finden sie nicht?
Und noch einmal! Nein zu Gewalt, aber ich denke man muss unterscheiden, ob jmd. mit einem blauen Auge oder gar nicht mehr nach Hause kommt....

Di., 24.02.2015 - 21:02 Permalink
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Profil für Benutzer klemens hacht
klemens hacht Mi., 25.02.2015 - 14:07

Antwort auf von Hannes Hofer

sie machen schon wieder denselben denkfehler und ihr urteil über mein erlebtes finde ich sogar ein wenig zynisch. ich habe oben angedeutet, dass mir die angreifer (ihr o-ton "dorftrotteln")weit mehr schaden zugefügt hätten, wäre ich nicht geflohen. ich habe damals aus angst vor repressalien auch keine anzeige gemacht, weil es sich um eine dezidierte gruppe handelte. wenn sie ein wenig weiter denken würden, so müssen sie zugeben, dass aus "leichter" gewalt schnell rohe gewalt entstehen kann mit den schlimmsten folgen. und sie machen denselben fehler wie die medien, die ein schreckgespenst der gewalt an die wand malen, wo es eben NUR DIE finstere, kriminelle, gewaltsüchtige bande (ausschliesslich albaner) gibt und die gegengruppe der superfriedlichen normalbürger, wobei sie zusätzlich erwähnen, dass es so etwas die "harmlose" schlägerei gibt. aber für mich ist genau DAS scheinrealität. ich erlebe in südtirols diskotheken und bei festen verschiedenste grüppchen, die gewaltbereitschaft zeigen und dabei ist die anzahl der vorfälle unglaublich hoch, ich habe sowas in diversen grossstädten noch nicht erlebt. hier ensteht sogar oft die absurde situation, dass man wöchtlich gewisse, gewaltbereite leute in einer diskothek duldet, die zwischenzeitlich von den securities massgeregelt werden, während eben andere gewaltbereite leute, die offensichtlich einer randgruppe angehören, hausverbot kriegen und frustriert ohne massregelung durch ordnungshüter die parkplätze unsicher machen. das ist der ist-zustand in südtirol: eine gewisse gewalt wird geduldet, als harmlos angesehen oder sogar als "konfliktlösung", die andere als dezidiert kriminelle gewalt kategorisiert. dass die diskothekenbetreiber nicht geschlossen auf auf den medialen "stopp der gewalt"-zug aufspringen zeigt schon eine gewisse einsicht zu dieser lage. aber verstehen sie, dass in einer gesellschaft, in der gewalt partout als legtimiertes konfrontationsmittel angesehen einen breiten teppich auslegt für szenarien mit gröberen lateralschäden, dass das eine manchmal das andere bedingt? wie oft wird in den medien nichts von gewalttaten berichtet, wenn die gewisse konstellation nicht stimmt, wie bei dem von mir bekannten fall, wo vor einiger zeit ein lokalbesucher in einem nobleren touristenlokal für krankenhausreif geschlagen wurde und das setting einer üblen kriminal-angreiferbande nicht zutraf? es ist hypothetisch anzunehmen, dass sobald alle "üblen banden" weggesperrt sind, die gewalttaten deswegen nicht sinken werden, mein erlebnis kein einzelfall bleibt und die restlichen provozierer, die sich in dieser ganzen diskussion nie angesprochen gefühlt haben, weiter ihr unwesen treiben. ich wiederhole nochmal: der faustschlag, den ich von einem "dorftrottel" ins gesicht bekam, hätte mir auch eine erblindung bescheren können!

Mi., 25.02.2015 - 14:07 Permalink