Kultur | Literatur

Die Schwierigkeit des guten Übersetzens

Peter Waterhouse wuchs zweisprachig in Österreich auf, ist Schriftsteller und Übersetzer und hat gemeinsam mit anderen drei Übersetzern die Texte des italienischen Dichters Andrea Zanzotto ins Deutsche übertragen. In der Galerie Lungomare wurde Zanzotto gelesen.

Herr Waterhouse, warum war es notwendig, den Gedichtband "La Contrada" mit gleich vier Übersetzern ins Deutsche zu übertragen?
Peter Waterhouse: Ich habe im Lauf der Jahre die Erfahrung gemacht, dass das gemeinsame Übersetzen ein guter Weg ist. Wir (Donatella Capaldi, Maria Fehringer, Ludwig Paulmichl) kennen uns seit den 1980er Jahren und aus dieser intensiven Beschäftigung des Gedichte-Übersetzens ist schließlich der Folio Verlag entstanden. Das Zanzotto-Übersetzen gab den Ausschlag. Ich bin vor einigen Jahren nach England übersiedelt und habe dort mit 10 Studenten eine Zanzotto-Gruppe ins Leben gerufen. Wir haben den Dichter vom Italienischen ins Englische übersetzt; da habe ich gesehen, dass man auch zu zehnt gut miteinander am Text arbeiten kann.

Auf der Basis des italienischen Originaltextes?
Das Original hatte jeder, aber nicht alle konnten italienisch; aber wir haben im Gespräch miteinander übersetzt. Das gelingt, wenn alle mitmachen und keiner zu dominant ist. An meinem Seminar an der Uni Wien haben wir sogar mit 25 Personen gemeinsam übersetzt, einen amerikanischen Autor.

Kann man sich das so vorstellen, dass in der Gruppe nach den geeignetsten Ausdrücken gesucht wird?
Ja, man hört einander zu, einer sagt ein Wort, der andere antwortet, der Dritte hört wieder aus der Antwort etwas Eigenes heraus. Das Reservoir an Möglichkeiten ist nicht geringer, wenn eine so große Gruppe dasitzt. Aber es geht nur, wenn man nicht dominieren möchte. Es gibt dann auch keinen einzelnen Autor der Übersetzung, autorisiert wird sie durch alle 25. 

Und Zanzotto eignet sich ebenfalls besonders gut für solch diskursive Übersetzungstechnik?
Ja, ich glaube vor allem ist es das Diskursive das hilft, weil man es mit allerlei Schwierigkeiten zu tun hat, über die man reden kann. Aber auch das Spielerische daran gefällt mir, man kann dieses Spiel des Wörtersuchens, des Assoziierens miteinander versuchen.

Was sind denn die Schwierigkeiten für den Übersetzer bei Andrea Zanzottos Texten? Wir haben gehört, seine Phonetik und das Körperhafte der Sprache sind große Herausforderungen.
Die Färbung seiner Sprache kann ich nicht erkennen, ich kenne die Regionaldialekte zu wenig, aber ich höre bei ihm sicher das venezianische th heraus, das ja ähnlich wie das englische th gesprochen wird; Zanzotto sagt Venethia und nicht Venezia. Es gibt allerlei intellektuelle Schwierigkeiten, wie er etwa auf die Gewaltsamkeit der geschichtlichen Prozesse reagiert. Wie verhält sich das Gedicht gegen diese Überwältigung. Da machen wir langsam unsere Entdeckungen. Eine Reaktion auf das Gewaltätige sind seine Verspieltheiten, zum Beipiel Wortteile die für sich ohne Bedeutung sind, wie die Verkleinerungsendungen -lein oder -chen, im Italienischen -ino oder -lino, die werden bei Zanzotto aufgewertet. Er lässt die wenig gewaltsamen Elemente der Sprache aufleben. Es ist ein Respekt für diese kleinen Elemente, die wenig bedeutenden, und vielleicht gibt es auch die Tendenz bei Zanzotto, die Bedeutsamkeit der Sprache zu senken. Weit hinunter zu senken. 

Gibt es im deutschen Sprachraum einen vergleichbaren Dichter oder Schriftsteller?
Das haben wir uns beim Übersetzen auch gefragt. Gibt es eine vorbildliche Sprache im Deutschen oder bilden wir das hier jetzt neu. Ich glaube, man kann Ähnlichkeiten in den Gedichten von Friederike Mayröcker erkennen, in den Gedichten aus den 1960er Jahren. Da gibt es ebenfalls lange Textfelder, Flächen mit riesigen Zwischenräumen. Und im fragmentarischen Sprechen von Hölderlin, worauf sich Zanzotto ja bezieht; das Abbrechen von Sprache, die Lücken, Auslassungen und Löcher in der Sprache.

Andrea Zanzotto wurde im Folio Verlag übersetzt, eignet sich der aus Treviso stammende Dichter besonders für ein Südtiroler Publikum?
Das ideale Publikum für "Dorfspiel" von Zanzotto sind zweisprachige Leser. Denn die Übersetzung ins Deutsche ist nicht als Hilfe gedacht, es ist ein eigenständiges Werk. Insofern leben die idealen Zanzotto-Leser schon hier in Südtirol. Die können die Unterschiede in der Übersetzung auch lesen, die Abweichungen vom Original und sich damit auseinandersetzen, ob die Abweichung zulässig ist oder nicht. Wohin die deutsche Übersetzung zeigt. So wie beim Wort Dorfspiel, das zeigt in eine andere Richtung als Contrada, der italienische Ausdruck. Die Übersetzung ist keine Wiederholung des Italienischen und sie hat auch nicht den Anspruch, das Original zu erobern oder sich diesem zu sehr anzunähern. Die Übersetzung ist wie eine Antwort, mit einem eigenen Leben.