Gesellschaft | Mazzini-Platz

Zweierlei Mahnwache

Stumm und mit der Bibel in der Hand. So setzten die "Stehenden Wächter" in Bozen ein Zeichen, "für die Familie". Bunt und laut der Gegenprotest: "Stopp Homophobie!"

Sie nennen sich “Stehende Wächter”. Stehend wollen sie über die Rechte der Familie wachen. Jener Familie, “gegründet auf der Ehe zwischen Mann und Frau”, wie es am Samstag auf den Transparenten am Bozner Mazziniplatz zu lesen war. Dort hatten sich die Männer und Frauen versammelt, um eine Stunde lang ihre Mahnwache abzuhalten. In Reih und Glied, völlig lautlos und mit einer Bibel in der Hand. Unter ihnen auch Marco Galateo, frisch gewählter Gemeinderat der Lega Nord: “Wir sind Bürger, die mit der Heiligen Schrift in der Hand gegen die Gesetzesvorlage von Ivan Scalfarotto auf die Straße gehen.”

Die stehenden Wächter am Mazziniplatz. Foto: Facebook/Sentinelle in piedi - Bolzano

Der Entwurf sieht vor, Homophobie zukünftig unter Strafe zu stellen. Darüber hinaus sprechen sich die Stehenden Wächter auch gegen einen Sexualunterricht aus, in dem auch Gender und Homosexualität zur Sprache kommen. “Es ist absurd, dass den Kindern in der Schule gelernt wird, dass sie sich unabhängig von ihrem Körper sowohl als Junge als auch als Mädchen fühlen können. Diese Ideen stammen von gewissen Lobbies, die die Familie und die Leitwerte unserer Gesellschaft zerstören wollen”, so einer der Wächter im Gespräch mit dem Corriere dell’Alto Adige.

Vereine und Politik gingen gemeinsam auf die Straße: Stopp Homophobie! ihr Slogan. Foto: Facebook/Guido Margheri

Ganz anders die Meinungen jener Menschen, die sich nur zehn Meter entfernt von den Stehenden Wächtern versammelt hatten. “Stopp der Homophobie”, so las man auf zahlreichen Schildern, die die Gegenprotestanten mitgebracht hatten. Darunter auch der Präsident von Centaurus, Andreas Unterkircher. “Die Stehenden Wächter sagen von sich, dass sie die freie Meinungsäußerung verteidigen. Dadurch widersprechen sie sich jedoch selbst”, so Unterkircher. “Ihre Nachricht ist, gewollt oder ungewollt, von Intoleranz geprägt. Wir setzen uns für die Freiheit der Liebe und für Gleichheit aller Menschen ein, egal wie verschieden sie sein mögen. Unsere Kinder sollen lernen, dass diese Verschiedenheit wertvoll ist und kein Handicap”, stellte Unterkircher klar. “Denn viele junge Menschen werden wegen ihrem ‘Anderssein’ gemobbt. Was bis zum Selbstmord führen kann.” Gerade deshalb sei es wichtig und richtig, dass in den Schulen Werte wie Toleranz und die Akzeptanz des Anderen gelehrt werde.

Und während in Bozen still gewacht und dafür umso lauter dagegen protestiert wurde, setzte ein kleines Land im Norden Europas ein deutliches Zeichen. Die Iren sprachen sich am Samstag für die Einführung der Homo-Ehe aus. Das katholische Irland wird somit das erste Land in Europa sein, dass die entsprechenden Passagen in seiner Verfassung als Folge eines Volksentscheids ändern wird.

Ein Transparent der Referendums-Befürworter in Irland. Die Freude über das Ergebnis ist groß.

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Sepp.Bacher So., 24.05.2015 - 09:53

Da ist wohl einiges durcheinander geraten; denn dass die Stehenden Wächter mit der Bibel in der Hand fordern " Homophobie zukünftig unter Strafe zu stellen", ist wohl kaum anzunehmen. Da würden sie sich selber bestrafen.

So., 24.05.2015 - 09:53 Permalink
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gorgias So., 24.05.2015 - 10:51

Diese Gruppen werden in Zukunft immer stärker werden, einmal weil der Katholizismus in der Krise ist und die Kirche es nicht mehr schafft solche Gruppierungen einzubinden und moderierend zu wirken. Andererseits auch dadurch dass die Genderideologie immer penetranter Propagiert wird.
Jeder Mensch hat eine Würde als Individuum und soll dafür nicht beschimpft oder misshandelt werden unabhängig seiner Neigungen. Das Genderdenken ist aber keine Wissenschaft, sondern eine Weltanschauung mit bestimmten Werten. wenn ich nicht möchte dass mein Kind mit dieser in einem bestimmten Alter konfrontiert wird, ist das ein gerechtfertigtes Anliegen.

So., 24.05.2015 - 10:51 Permalink
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Martin B. So., 24.05.2015 - 15:56

Antwort auf von gorgias

Sehr guter Kommentar! Menschenwürde ist eine Sache, Individualrechte und Erziehung nach Genderideologie eine andere! Ersteres sollen meine Kinder lernen, bei den anderen Punkten möchte ich wenig bis keine staatliche Vorgaben!

So., 24.05.2015 - 15:56 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 03.06.2015 - 20:19

Antwort auf von gorgias

@ "womit Kinder in welchem Alter..." : Ich habe das grad gesehen, gelesen und mir gedacht, ich stelle es mal hier ein. Scheint mir ganz vernünftig ("Stattdessen kann eine frühe Sexualerziehung, die sich auch bewusst solchen als heikel empfundenen Themen widmet, aber nachweislich dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und Wissen zu mehren"), und recht schlüssig (Kindern soziale Vielfalt als etwas Selbstverständliches nahezubringen, ist einfacher, als bereits verfestigte Vorurteile bei Jugendlichen abzubauen.") http://www.spektrum.de/news/wie-muss-guter-sexualkundeunterricht-ausseh…

Mi., 03.06.2015 - 20:19 Permalink