Umwelt | BBT

Das Brenner Basisproblem

Von wissenschaftlichen Studien kritisiert, auf Schloss Prösels dann wieder hoch gepriesen. Wie steht es um den BBT? Ein Gespräch mit Andreas Riedl.

Die Kritik gegen den BBT wird lauter. Das rührt wohl daher, dass solche Stimmen nun von zwei umfangreichen, wissenschaftlichen Studien unterlegt sind, die in den letzten drei Monaten ans Tageslicht kamen. Einmal die Gesundheits-Studie der medizinischen Universität Innsbruck und dann die Energie-Studie der Eurac. Beide laufen darauf hinaus, dass der Bau des BBTs äußerst fragwürdig und unrentabel sei.

In den letzten drei Monaten wurde aber nicht nur manche verstaubte Studie, sondern auch ein neues Kapitel in der Geschichte Europas aufgeschlagen. Das Treffen zwischen Faymann und Renzi zum Thema Euregio auf Schloss Prösels halten manche für ein historisches Ereignis, insbesondere, falls sich die EU tatsächlich in Richtung eines Europas der Regionen entwickeln sollte. 

Es fiel viel Lob auf Tirols Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg, es fiel generell viel Lob für alles, was über Staatsgrenzen hinausgeht, oder auch unter Staatsgrenzen hindurch, wie im Falle des Brenner Basistunnels. "Wir sind weit vorangekommen, wenn wir heute Tunnels anstatt Schützengräben bauen", proklamierte Renzi. Viele schöne Worte, meint Andreas Riedl, Direktor des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz, aber man müsse Sachlichkeit bewahren und sich die Fakten anschauen. Ein Gespräch mit Andreas Riedl über den BBT:

Hat sich in der Stellungnahme des Dachverbands zum Brennerbasistunnel etwas geändert, seit diese Studien aufgetaucht sind?

Andreas Riedl: Ich glaube nicht, dass diese Studien ausschlaggebend waren für unsere Position. Nach wie vor sehen wir das BBT-Projekt sehr kritisch, d. h., wir pochen auf die Berücksichtigung von Alternativen, wenn es um die Verringerung des LKW-Transits und um die Verlagerung der Transporte von der Straße auf die Schiene geht. Natürlich sind unsere Forderungen jetzt klarer, da sie wissenschaftlich belegt sind.

Wie sollen solche alternative Maßnahmen aussehen?

Wir haben da einmal den ganzen Umwegverkehr, der sofort durch eine Mauterhöhung vermieden werden könnte. Bei Umwegverkehr handelt es sich um Fahrzeuge, die andere Alpenpässe vermeiden, weil eine Überquerung des Brenners billiger ist. Eine Erhöhung der Maut würde den LKW-Verkehr voraussichtlich um 30% reduzieren. Hinzu kommen Maßnahmen wie das sektorale Fahrverbot, das gewisse Gütertransporte per LKW nicht mehr zulässt. Ein solches Verbot hatte man in Nordtirol, bevor es von der EU gekippt wurde.

Wie sieht es mit der Politik aus: Hat sich durch den Regierungswechsel im Landtag oder mit dem Auftauchen der Studien etwas verändert?

Kaum. Der BBT wird noch immer in höchsten Tönen gelobt, es wird kaum von Kosten-Nutzen-Verhältnissen gesprochen. Wenn es überhaupt Streitfragen gibt, dann drehen sie sich um konkrete Bauprobleme, allerdings muss die Diskussion schon früher anfangen: Rentiert sich das ganze Projekt überhaupt noch? Das ist das Basisproblem.

Es wurde schon ein beträchtlicher Teil gebaut. Das ist sicherlich ein Mitgrund, weshalb man am Projekt festhält.

Man muss dennoch vernünftig sein. Das ist, als ob man sich mit dem Messer in einen Finger schneidet, ohne zu wissen, dass man dann Blut verliert, und dann den ganzen Finger abschneidet mit der Begründung, dass man schon damit angefangen hat und es zu Ende bringen muss.

Was glauben Sie, warum die Sofortmaßnahmen gegen die Überlastung der Brennerroute nicht durchgeführt werden? Darf man vermuten, dass die Politik das bewusst verhindert, um durch die hohe Belastung den Weiterbau des Tunnels zu rechtfertigen?

Sicher. Das ist eine begründete Vermutung, ansonsten ist es schwer zu erklären, warum man bisher noch rein gar nichts gemacht hat. An Alternativen, die überhaupt nichts kosten, mangelt es jedenfalls nicht. Allenfalls mangelt es am Willen, sie durchzuführen.

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Bernhard Oberrauch Do., 24.07.2014 - 20:40

das erinnert mich an den Müllverbrennungsofen, der auch überdimensional verbaut wurde, anstatt die damals angedachten und heute real verwirklichten Alternativen zu bedenken: die Mülltrennung und Müll-Vermeidung.
Analog sind Verkehrs-Vermeidung und Verkehrs-Verlagerung sinnvolle Strategien, bevor (und nicht nachdem) solche Monster-Projekte verwirklicht werden.

Do., 24.07.2014 - 20:40 Permalink