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Wahlen ohne Wähler

Fast zwei Dittel der Stimmberechtigten haben die Wahlen in der Emilia-Romagna boykottiert. Ein Verhalten, das die Zukunft der Demokratie in düsterem Licht erscheinen läßt

Die gestrigen Regionalwahlen in der Emilia-Romagna galten als Test mit Signalwirkung. Mit einer schwachen Wahlbeteiligung war gerechnet worden. Doch das Ergebnis übertraf auch die pessimistischsten Erwartungen. Nur 37 Prozent der Bürger gingen an die Urnen - Ausdruck einer  Politkverdrossenheit und Frustration, die offenbar einen neuen Tiefpunkt erreicht hat. Das Ergebnis schockiert, weil es eine Region betrifft, die stets als Modell aktiver Bürgerbeteiligung gepriesen wurde.

Doch die Verurteilung des langjährigen Präsidenten Vasco Errani, die Ermittlungsverfahren gegen 41 der 50 Regionalratsabgeordneten und die Polemiken im Partito Democratico haben offenbar viele Bürger dazu bewogen, einfach zuhause zu bleiben und jener Partei eine Lektion zu erteilen, der sie durch Jahzehnte die Treue gehalten hatten. Dass der Partito Democratico diese Wahl dennoch gewinnen würde, war klar. Die Genugtuung darüber hält sich freilich in Grenzen.  Unbestrittener Sieger dieser Wahl ist der Lega-Hardliner Matteo Salvini, der mit 20 Prozent ein Rekordergebnis einfahren und seinen Bündnispartner Silvio Berlusconi geradezu demütigen konnte. Ein Ergebnis, das Salvini den nötigen Rückenwind für die Gründung einer neuen Rechtspartei nach Le Pen-Vorbild gibt. Die Verlierer dieser Wahl  heißen Beppe Grillo und Silvio Berlusconi. Die Niederlage der Fünfsterne-Bewegung in Emilien und Kalabrien dürfte die internen Polemiken um den Kurs der Selbstisolierung weiter anheizen. Der M5S hat Stimmen an die Lega verloren, die in den Augen vieler Protestwähler offenbar effizienter auftritt als die Grillini. Berlusconi steht vor einem politischen Trümmerhaufen. In seiner auf acht Prozent abgesackten Partei steht jetzt eine Generalabrechnung bevor. Der Ex-Premier  ist isoliert, da er in Zukunft kein Bündnis mehr mit einem Populisten wie Salvini eingehen kann, der eine vehement europafeindliche Politik betreibt.  Doch zu den Verlierern gehört auch Matteo Renzi - trotz seiner Genutuung über den "Sieg des PD in beiden Regionen." Denn sein Regierungsstil, seine vehementen Attacken auf die CGIL und der Zwist um seine Entideologisierung des Partito Democratico haben sich im Wahlergebnis sicher niedergeschlagen.

Der eigentliche Verlierer dieser Wahl aber ist die Demokratie, deren Zukunft in trübem Licht erscheint. Die neue Regionalregierung in Emilien wurde von einer kleinen Minderheit der Bevölkerung gewählt.  In nur sechs Monaten ist die Wahlbeteiligung von 70 auf 37 Prozent gesunken. Auch in Kalabrien lag sie deutlich unter der 50-Prozent Marke. Ein unmissverständliches Symptom für die Abwendung des Bürgers von einer Politik, von der er sich nichts verspricht. Und von einem Parteienkarussell, das die Wähler zunehmend anödet.